Review

Vor kurzem hatte ich das außerordentliche „Vergnügen“, PIRATES OF THE CARRIBEAN 5 – SALAZARS RACHE nebenbei mithören zu müssen. Als ich dann nur wenig später BRAVEHEART gesichtet habe, fiel mir der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Film auf. Mehr noch: Ich sah, was BRAVEHEART zu einem wirklich guten Film macht, und ihn vom sinnbefreiten Blockbuster-Getöse der späten 2010er-Jahre unterscheidet.

SALAZARS RACHE ist atemlos, ist ein unaufhörliches Dauerfeuer aus Aktionen, und wenn mal ausnahmsweise nicht so viel passieren sollte, weil zum Beispiel ein Segelschiff in Fahrt gezeigt wird, dann bläst stattdessen die pompöse und aufgeblasene Musik zum Angriff. Die Dauerbeschallung gibt ein gnadenloses und unaufhörliches Tempo vor, möglicherweise passend für die Generation YouTube, aber mit einer Erzählung in Form eines Films, mit Gefühlen und spannenden und abwechslungsreichen Sinneseindrücken hat das doch eher weniger zu tun.

BRAVEHEART hingegen vertraut auf die Macht seiner exzellenten Bilder. Mel Gibson weiß als Regisseur genau, wie seine Bilder auf das Publikum wirken, und lässt sie stehen, auf dass sie in den Geist den Betrachters eindringen können. Die Bilder erschlagen nicht, sie wirken und beeindrucken. Eindringlich und nachhaltig bleiben sie oft noch tage- oder gar wochenlang im Kopf des Betrachters.
Dazu bildet die Musik eine harmonische Verbindung, untermalt der Score von James Horner nur in den notwendigen Passagen einen pittoresken Hintergrund, vor dem sich die Figuren und die Geschichte ausbreiten können. Mel Gibson vertraut auf seine Bilder, und lässt vor allem in der ersten Hälfte des Films auch nicht viele Dialoge zu. Seine Charaktere, und hier stimmt dieser Begriff tatsächlich einmal, reden nicht mit vielen Worten, und sie müssen auch nicht jede ihrer Handlung mühsam erklären. Die Interaktion findet über Blicke und Handlungen statt, und es fällt gar nicht auf, wie natürlich der Film dabei wirkt. Keine überflüssige Geschwätzigkeit, kein Feuerwerk aus Sinneseindrücken nur um seiner selbst, keine mehrfachen Erklärungen und Erläuterungen. Stattdessen ein Fluss, bestehend ausschließlich aus Bildern und Empfindungen. Ein Film in der Tradition der ganz großen Hollywood-Dramen, die ihre Geschichte auf narrativer, genauso wie auf bildlicher Ebene meisterhaft erzählen konnten, ohne den Zuschauer dabei in einen Zustand der Schockstarre versetzen zu müssen. Und auch wenn der Atem gegen Ende ein wenig arg pathetisch wird, so reiht sich dieses Pathos doch hervorragend ein in eine Reihe mit Filmen wie DOKTOR SCHIWAGO oder LOVE STORY. Klassiker, die genau den gleichen dramatischen Ablauf wie BRAVEHEART zeigen. Sensibilisierendes und hochemotionales Gefühlskino, bei dem auch Tränen fließen dürfen. Zu Herzen gehende Geschichten …

In der zweiten Hälfte scheint Gibson seinen Bildern dann nicht mehr so ganz zu trauen, die Dialoge werden mehr, und die zarte Liebesgeschichte zwischen William Wallace und Prinzessin Isabelle scheint eher den Gepflogenheiten des massentauglichen Kinos geschuldet als der Schlüssigkeit der Geschichte. Als Kontrast fällt aber gleichzeitig auf, was für einen rauen Ton Gibson oft anschlägt. Seine Figuren sind schmutzig und verkommen, die Haare ungepflegt und die Fingernägel dreckig. Interessant, dass die Bösewichter in diesem Film oft die saubere Kleidung tragen, während die Guten meist von einer Schmutzschicht überzogen sind. Trau schau wem …
Aber bezüglich des rauen Tons meine ich vor allem die Kampf- und Actionszenen. Für einen Mainstream-Film, der solch einen gigantischen Erfolg hatte (was bei der Entstehung logischerweise auch beabsichtigt war), sind die Schlachten und Kämpfe ausgesprochen blutig inszeniert. Da werden in Großaufnahme Körperteile durchtrennt und Körper zerstückelt und aufgespießt, dass es nur so eine Pracht ist. Zwar meist nur für ganz kurze Momente, aber vor allem in der Masse dafür wiederum umso intensiver. Gibson zeigt uns die Abgründe des Spätmittelalters in Großaufnahme, und scheut vor kaum einer körperlichen Grausamkeit zurück. Dazu eine ziemlich deftige Portion menschlicher Niedertracht, und fertig ist ein grausam-düsteres Bild einer Zeit, die in den letzten Jahrzehnten stark überromantisiert wurde. Ein überaus realistisch wirkendes Schlachtenepos, das dem Heile Welt-Getue der Mittelaltermärkte fast wohltuend blutig gegenüber gestellt wird.

Aber letzten Endes ist es genau diese Mixtur aus grausamen Bildern, dreckstarrenden Settings und emotional, ja fast zärtlich, dargebrachten Blicken und Gesten, die einen Film zu einem Meisterwerk macht. Diese Mixtur berührt uns, weil sie im wirklichen Leben so ähnlich vorkommt, und obwohl, nein richtiger: Weil(!) sie Hollywood’sch überhöht wird, bahnt sich die Mischung aus Härte und Gefühl, aus dreckigem Äußeren und strahlendem Inneren, den Weg in unser Herz. BRAVEHEART ist ein Film der berührt. Das Schicksal William Wallace‘ lässt die wenigsten kalt, und der Weg bis zu diesem Schicksal spricht die Intelligenz und die Gefühlswelt der Zuschauer an. So werden große Filme gemacht, und nicht durch eine zweistündige Kakophonie um ihrer selbst willen.

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