Mit überstürzten und überschwänglichen Lobreisungen ob seiner Opulenz und (vermeintlich) zeitlosen Erzählweise wurde „Braveheart“ 1995 mit mehreren Oscars und anderen Preisen überschüttet. War doch alles darin zu finden, was einen typischen Academyliebling ausmacht. Ausladend lange Laufzeit um eine historisch bedeutsame Figur, eine integrierte Lovestory und alles recht knackig, sprich kurzweilig und vor allem actionorientiert gedreht. Nun weiß man natürlich, als ein in die Materie etwas eingetauchter Filmfan, dass ein Oscargewinn noch lange (sehr lange) keinen guten Film garantiert. Auch weiß man, obgleich es kein Rezept für den sicheren Oscargewinn gibt, dass die Academy auf gewisse filmische Reize anspringt und sich die Chancen dadurch durchaus vervielfältigen können. Aber gut, das hier soll keine Abwatschung meinerseits über den Sinn bzw. Unsinn der Oscarverleihung sein.
William Wallace, der Freiheitskämpfer gegen Unterdrückung und für die Freiheit der einfachen Menschen/Bauern, der nach der Ermordung seiner Frau einen Rachfeldzug sondergleichen losbrechen lässt. Das Wort Freiheit sollte hier allerdings ein wenig hinterfragt und kritisch beäugt werden, spielt der Film doch Ende des 13. Jahrhunderts und damit in einem zutiefst feudalen Gesellschaftswesen. Sofern das Wort Freiheit überhaupt Relevanz hatte, wurde es auf jeden Fall grundlegend anders interpretiert. Mel Gibson verwendet dieses greifende Wort allerdings nach heutigen Maßstäben und macht alleine dadurch eine halbwegs adäquate Auseinandersetzung mit jener Zeit zunichte. William Wallace wird von Gibson zum leidensfähigen Superhelden ikonisiert und bringt dabei weder historische Korrektheit noch ein seiner Zeit angemessenes Gesellschaftsportrait zu Stande. Noch viel schlimmer ist, dass sich Gibson diese Rolle scheinbar zu Eigen gemacht hat für eine absurd-egomanische Selbstdarstellung, die den Rahmen eines ernstzunehmenden Historienspektakels sprengt. Wer jemals die Erwartung auf einen seriös authentischen Einblick in jene Epoche hatte, sollte sich schnellstens auf eine Enttäuschung einstellen oder aber seine Erwartungen gehörig überarbeiten.
Gibson bedient sich schablonisierter Figuren und skizziert mit William Wallace ein alter Ego seiner selbst bzw. seiner früheren Figuren. William Wallace als rückwärtsgewandter, nationalistischer Revoluzzer gegen die unterdrückenden, dekadenten Briten, macht letztlich keinerlei Wandlung durch. Später wird auch auffallen, dass Gibson dasselbe Figuren-Muster für viele seiner anderen Werke mit Vorliebe einsetzen und immer wieder überstrapazieren wird. Auch der alles auslösende, von blinder Rache angetriebene Amoklauf auf die englische Festung wird über die restlichen 3 Stunden beibehalten und leicht variiert fortgeführt. Dabei wird viel über Freiheit, Stolz und Vaterland in pathetische Reden gefaselt, aber letztlich bleibt es wie bei Pathos üblich, sehr oberflächlich, ungenau und irgendwann einfach ermüdend. Die Figur hinter den Reden bleibt nebulös, sie wird stilisiert, ikonisiert und später zur märtyrerischen, mit christlicher Symbolik voll gestopften, alles im Namen der Freiheit erduldenden, Passionsfigur. Die gesamte Charakterisierung wirkt wie aus den Augen einer seiner ihn anhimmelnden Soldaten oder wie aus einer sagenhaften, sich untereinander später erzählenden Lagerfeuermär. Zeit für kritische oder zumindest menschliche Töne bleibt da keine.
Letzten Endes sind es - reden wir nicht lange Drumherum - die üppigen Schlachten, die den eigentlichen Reiz des Filmes ausmachen. Rein technisch hat sich Mel Gibson als äußerst gelehriger Schüler seiner früheren Regisseure erwiesen. Die Actionszenen stehen denen eines George Miller oder Richard Donner in nichts nach. Nahezu perfekt choreographiert, wild und extrem brutal sind sie eingefangen. Stets nahe am blutigen Geschehen, sich labend an den grausamen Details, aber auch von einer unglaublich mitreißenden Dynamik. Man ist hin und her gerissen zwischen den abstoßend grausamen Bildern, die einen vielleicht sogar authentischen Zugang erlauben und der reißerischen Dramaturgie, die fasziniert und einem wild im Kinosessel herumrutschen lässt. Nur zu merklich ist hier Gibsons Affinität zu archaischen Gewaltstürmen. Bedenklich vielleicht auch, zumal die Gewalt hier nicht nur unreflektiert bleibt, sondern in seiner überfallsartigen Auskostung eher zelebriert wird. Der Krieg als zwar blutiges aber auch, wenn es denn um den schwammigen Begriff der Freiheit (oder war es Rache) geht, durchaus legitimes Mittel. Eingefangen als großes Abenteuer, das die Wildheit des Mannes stillen kann. Hier in Gibsons Vorstellung eines Krieges darf Mann noch Mann sein.
Ausladend große Gesten benutzt Gibson vor und nach der Schlacht. Da wird noch ein wenig mit seinen Kumpels gewitzelt, zeigen er und seine Männer in rüpelhaft freier Manier den englischen, versnobt dargestellten, Edelmännern den blanken Hintern und darf nach gewonnener Schlacht, Gibson einen martialischen Urschrei von sich geben. Solcherlei Kriegsfolklore findet sich zuhauf in „Braveheart“, die Gewalt exzessiv darstellend, diese aber fälschlicherweise als authentische Schilderung des Krieges auslegend. Wobei die oben beschriebenen Szenen, wie das spaßige Gewitzel vor der Schlacht, dieses Unterfangen noch zusätzlich untergraben und den Krieg bzw. die Schlachten zu einem riesigen, wenn auch blutigen Sandkastenspektakel beschönigen.
Kaum verwunderlich, dass sich die Szenen zwischen den Schlachten als äußerst belanglos herausstellen. Sophie Marceau, in der Rolle der Prinzessin Isabelle, bleibt farblos und wirkt verschenkt. Erstreckt sich doch ihre Aufgabe einzig darauf, Gibson Schulmädchenhaft anzuhimmeln und letztlich seinem rohen, ungeschliffenen Charme zu erliegen. Patrick McGoohan als König Edward 1. verbleibt in eindimensionaler Bösewichtrolle, als ein sich seines schwulen Sohnes schämender und unbarmherziger Despot, der aber ebenfalls ein wenig versteckte Bewunderung für den zielstrebigen Kampf von Wallace übrig zu haben scheint. Andere wie Brendan Gleeson oder Angus Macfadyan bleiben bloße Stichwortgeber.
„Braveheart“ ist eine groß angelegte Mogelpackung. Sich mit den Federn eines epochalen Historiendramas schmückend, sich aber letztlich als plumpes, überlanges und dadurch nicht selten ermüdendes, wenn auch technisch großartiges Actionspektakel mit oberflächlicher Rachestory herausstellend.
Am Ende, das seinen späteren Folterheuler „Die Passion Christi“ vorwegnimmt, suhlt sich Gibson Mitleid heischend in kathartischer Opferpose. Mit heraushängenden Eingeweiden darf seine messianische Figur dann noch einmal, ein letztes mal, inbrünstig nach seiner nicht näher definierten Freiheit brüllen und dann ist es auch fast geschafft. Ein Held durch die Augen Gibsons ist geboren, die Freiheit das einzige was zählt - wobei man spätestens hier zu vermuten beginnt, dass hinter jener „Freiheit“ nichts weiter als ein geschickt gesetzter MacGuffin steckt - und Schottland scheint angesichts der wenigen Szenen, die nicht Gibson in eitler Märtyrerpose im Fokus haben ein echt schönes Fleckchen zu sein.
Kurz: Für das, was er ist - ein pathetischer Actionfilm - viel zu lang, aufgeblasen und zäh, und für das, was er sein will - ein Historienepos - zu ungenau, oberflächlich, und grobschlächtig.