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Die junge Marta kommt bei einem Auto-Unfall ums Leben. Ihre Leiche landet in der Pathologie eines Krankenhauses, wo die beiden Ärzte zunächst ganz normal und routiniert ihrem Job nachgehen. Nach einem Tag voller lehrbuchmäßiger Autopsien hat einer der beiden Leichenbeschauer mit der Toten jedoch etwas ganz anderes vor… und was das ist, kann sich wohl jeder denken, aber trotzdem hat man selbst dann noch nicht mal annähernd eine Ahnung davon, was mit „Aftermath“ wirklich auf einen zukommt, denn dieser dreißigminütige, spanische Kurzfilm, der ursprünglich wohl mal als Segment eines Feature Length-Streifens geplant war, trifft einen ganz unvermittelt in die Magengrube. Im Nachhinein kann man wohl froh darüber sein, dass die Macher nicht in der Lage waren die Chose auf abendfüllende Länge auszudehnen, denn die meisten Zuschauer werden vermutlich schon nach wenigen Minuten (und bevor es erst RICHTIG schlimm wird) angesichts einiger grotesk-realistischen Leichen-Öffnungen dankend abwinken. Da werden dann On Screen Körper aufgeschnitten, Brustkörbe gespreizt und Organe entnommen und das alles in krassester Detailfreudigkeit. Regisseur und Drehbuchautor Nacho Cerdà dringt während dieser Sequenzen in Bereiche der Direktheit vor, die selbst ein Jörg Buttgereit mit seinen beiden „Nekromantik“-Leichenfledder-Epen nur sanft gestreift hat... und dieser Umstand an sich wäre ja eigentlich gar nicht mal bemerkenswert, denn so mancher minderbemittelte Amateurfilm-Proll wollte ja schon die Grenzen des Zumutbaren um einige Schritte weiter verschieben. Cerdà hingegen geht es per se gar nicht mal um das breite Auswalzen der blutrünstigen Vorgänge auf dem Bildschirm, denn anstatt einfach plump die Kamera auf zerstückelte Kadaver und Gummi-Eingeweide zu halten, setzt er auf eine an Finesse und Kunstfertigkeit nicht mehr zu überbietende Inszenierung, bei der wirklich nichts dem Zufall überlassen wurde und sämtliche Einstellungen und Bildkompositionen haarklein ausgetüftelt sind. Angesichts der technisch hochwertigen Machart will sich ergo auch partout kein Schmuddel-Feeling einstellen. Der schiere Aufwand, der in die Konzeption von „Aftermath“ geflossen ist, nötigt doch einigen Respekt ab. Cerdà bringt zudem das Kunststück fertig, auch den abartigsten Momenten (von denen der Streifen EINIGE auf Lager hat) noch eine Art poetischen Charakter abzugewinnen.Dass er die Ergüsse des besagten Berliner Underground-Filmers dabei zu den infantilen Machwerken degradiert, die sie nun mal sind, und im selben Aufwasch gleich noch die ganze Palette der verkorksten, debilen Splatter-Schundfilmchen à la „Ginea Pig“, die sich an ihren sudeligen F/X-Eskapaden und der Zurschaustellung abstoßender Gewalt-Taten nur um ihrer selbst Willen ergötzen, vom Tisch fegt, ist da nur ein angenehmer Neben-Effekt. Eine richtige Handlung sollte man bei „Aftermath“ nicht erwarten, dafür stellt der Kurzfilm, der übrigens auf jedwede Form von Dialogen verzichtet, nur von klassischer Musik untermalt wird und sich eben deshalb auch ganz auf die Kraft seiner unvergesslichen Bilder verlässt, eine der (man kann’s ruhig sagen) lyrischsten Meditationen über den Tod schlechthin dar und fungiert zudem als Psychogramm eines von der Normalität entrückten Verstandes. Der finale, offen dargestellte Missbrauch der weiblichen Leiche erschüttert einen dann auch weniger aufgrund der Tat selbst, sondern aufgrund der nüchternen Schilderung, durch die der Zuschauer praktisch zum Mitleiden gezwungen wird. Ein betroffen machendes Meisterwerk, irgendwo zwischen Over-the-Top-Gore-Spektakel und feinfühligem Arthouse-Kino, das einem die eigene Sterblichkeit und den Wert der Menschenwürde knallhart bewusst macht. Eine Ausnahmeerscheinung im Genre, verstörend, tieftraurig und unmissverständlich in der Aussage.

10/10

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