Es gibt Filme, die einem buchstäblich den Atem rauben. Filme, die durch radikale Bildsprache und beklemmende Atmosphäre ihrem Thema eine ungeheure Intensität verleihen, von der wohl die wenigsten Zuschauer unberührt bleiben. Führte uns „Requiem for a Dream“ in seinen letzten 20 Minuten in schockierender Konsequenz die Folgen des Drogenmissbrauchs vor Augen, so befasst sich „Aftermath“ 30 Minuten lang mit einem weitaus erschreckenderen, weil kaum ausgesprochenen Thema: Nekrophilie, die sexuelle Fixierung auf alles tote. Jörg Buttgereit bediente sich in seinen „Nekromantik“-Streifen dieser heiklen Thematik, um in metaphorischer Erzählweise die seelischen Mechanismen von Liebe und Partnerschaft zu erläutern. Nacho Cerda geht noch einen Schritt weiter, indem er Aspekte wie Mitleid oder Menschlichkeit außen vor lässt und eigentlich das Leben in seiner Gesamtheit als kalte, seelenlose Einöde präsentiert. Der karg-blau ausgeleuchtete Obduktionsraum, in dem sich die Handlung zum größten Teil, abspielt, bietet sich in diesem Zusammenhang perfekt an.
Hier allerdings von einer echten Handlung zu sprechen, wäre wahrscheinlich schon zu hoch gegriffen. Vielmehr bietet der Film eine sehr sterile, aber eindringliche Abfolge von Bildern an, die im Grad ihrer Brutalität nur schwer zu toppen sind. Zunächst wird uns „nur“ der Alltag zweier Pathologen vorgeführt, die ihrer geregelten Arbeit fast ein wenig gelangweilt wirkend nachgehen. Ein junger Angestellter beobachtet die beiden für einen Moment lang angeekelt, aber seltsam fasziniert, bevor er mit drohenden Blicken zum Gehen aufgefordert wird. Nun merken wir langsam, dass einer der beiden Männer offenbar doch nicht so gelangweilt ist, wie es schien. Mit aufgeregten Blicken beobachtet er seinen Kollegen bei dessen grausigem Handwerk und jeder Zuschauer weiß schon jetzt, was dieser Mann offensichtlich vorhat. Sein Kollege macht bald darauf Feierabend und wenn sich der Verbliebende danach die Liste der „Neuankömmlinge“ ansieht, die Tür verschließt und eine gerade verstorbene junge Frau auf seinen Seziertisch legt und entkleidet, so wird das ohnehin schon mulmige Gefühl im Magen langsam zu einem unangenehmen Drücken. Der Name der jungen Frau erscheint mehrfach im Bild: Marta Arnau Martí – ein Name, den man so schnell nicht wieder vergisst. Der einzige Name, der in diesem Film überhaupt genannt wird. Der Name einer Frau, die den perversen Neigungen des Pathologen wehrlos ausgeliefert ist. Den Vorgang des sexuellen Aktes bekommt der Zuschauer nicht bis ins kleinste Detail ausgewalzt dargestellt, doch hält die Kamera lange genug drauf, um das ekelerregende Szenario explizit einzufangen und die Unfassbarkeit dieser Tat erschreckend sachlich vorzuführen, ohne ins voyeuristische abzudriften. Ein initiatorischer Drahtseilakt, der in beachtlicher Weise geglückt ist.
Intensiv und erschreckend glaubwürdig ist auch das Spiel von Pep Tosar, der mit dem furchteinflößenden Blick und der OP-Kleidung genauso steril und gefühllos rüberkommt wie seine gesamte Umgebung. Die kühle Berechnung, mit der er seine Tat vorbereitet, durchführt und mit einer kurzen Säuberungsaktion für den nächsten Tag wieder vergessen macht, ist schwieriger zu verdauen als jeder noch so grausam dargestellte Mord auf der Leinwand. Ein „Halbgott in Weiß“, wie man ihn sich nicht mal in seinen schlimmsten Alpträumen vorstellen möchte. Als „Souvenir“ nimmt er sich schließlich noch das Herz der Toten mit und gibt es seinem Hund zu fressen, während er selbst sich gemütlich vor den Fernseher setzt, als wäre nichts geschehen. Keine Moral, keine Strafe – nur noch einmal der Blick auf eine Todesanzeige, die den uns bereits bekannten Namen einer jungen Frau beinhaltet.
„Aftermath“ ist weniger ein Film, als vielmehr eine äußerst schwer verdauliche cineastische Erfahrung, dessen Intensität über die Grenzen des normal erträglichen weit hinausgeht und, wie sein Titel schon so treffend prophezeit, noch lange nachwirken und niemandem so schnell aus dem Kopf gehen wird.