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Autounfälle, so genannte „Crashs“ sind Ausnahmesituationen, rütteln wach und bringen vollkommen unterschiedliche Menschen zusammen. In Paul Haggins Meisterstück „L.A. Crash“ bilden solche Unfälle das Bindeglied für eine Ansammlung von Einzelschicksalen, deren Umlaufbahnen sich jeweils nur kurz, dafür umso gewaltiger überschneiden. In ihrer vollkommnen Unterschiedlichkeit stehen sich die Figuren näher als ihnen lieb ist, gut und böse, falsch und richtig, gerecht und ungerecht sind –wie im richtigen Leben- nur schwer auszumachen. Allen Schicksalen ist aber ein ungeheure Tragik gemein, die L.A. Crash zu einem echten Filmerlebnis und unbedingt sehenswert macht.
In L.A. werden Un- und Vorfälle in und mit Autos, zu entscheidenden Wendepunkten im Leben mehrerer Person. Dem wohlhabende Ehepaar Cabot (Sandra Bullock und Brendan Fraser) wird das Auto gestohlen, ein Ereignis, dass ihre Ehe, aber auch die Wiederwahl vom Bezirksstaatsanwalt Rick Cabot beeinträchtigt. Die Autodiebe Peter (Larenz Tate) und Anthony (Ludacris) nutzen dabei ihren Weißenhass als Rechtfertigung für ihre kriminellen Machenschaften und ihr verkorkstes Leben. Als sie sich entzweien, gerät Anthony bei seinem nächsten Autoklau, an den schwarzen Regisseur Cameron (Terrence Dashon Howard), dem die Vorwürfe seiner impulsiven Frau Christine (Thandie Newton), er habe sie bei einer Verkehrskontrolle vor dem unsittlichen Zugriff des rassistischen Cops Sgt. Ryan (Matt Dillon) nicht genug beschützt, in den Wahnsinn treiben. Als der Kollege von Sgt. Ryan, Hanson (Ryan Phillipe) die erniedrigende Situation während der Verkehrskontrolle beobachtet, will er in einem Akt der Zivilcourage, den Vorfall melden. Auf gleiche Weise werden der schwarze Det. Graham Walters (Don Chadle), der irakische Ladenbesitzer Farhad (Shaun Toub), deren Tochter, sowie der hispanische Schlosser Daniel (Michael Pena) in einzelnen Episoden vorgestellt.
Der Film ist ein äußerst gelungenes Portrait einer Gesellschaft, deren Mitglieder sich aufgrund grenzenloser Multikulturalität immer stärker voneinander isolieren und Auswege in Ignoranz und Rassismus suchen. Diese Grundeinstellung führt im Film zu ungeheuer tragischen Entwicklungen, die bei aller stilisierter Pointiertheit doch stets realistisch und lebensnah wirken. Vermeidliche Helden begehen fatale Fehler, offenkundige Arschlöcher offenbaren ungeahnte positive Seiten ihres Charakters. Eine typische Protagonist-Antagonist-Dramaturgie wird bewusst vermieden, alle Charaktere agieren gleichberechtigt neben- und gelegentlich auch miteinander. Insofern ist mir kein Film bekannt, bei dem die Auflistung aller Schauspieler in alphabetischer Reihenfolge mehr Sinn gemacht hat als bei L.A. Crash. Unterstützt durch ein Starensemble, das zurückgenommen und dadurch umso effektiver agiert, gelingt Regisseur Paul Haggins ein äußerst sehenswerter Film über immer schwieriger werdende Kommunikation zwischen Menschen, deren Chancen, aber vor allem deren Risiken. Das Drehbuch bleibt trotz der positiven Endszenen grundpessimistisch. Dabei lösen vorzugsweise Kleinigkeiten die größten Tragödien aus, bewirken aber auch Wunder des Alltags. Der Zuschauer gerät praktisch pausenlos in ein Wechselbad zwischen diesen beiden konträren Pole.
Der „Crash of Civilizations“ und alle damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen wurden nie eindrucksvoller und glaubhafter dargelegt, als in „L.A. Crash“.

Daran werde ich mich noch lange erinnern:
Die Auflösung der Szene mit dem unsichtbaren Umhang.

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