Als Curzio Malaparte 1951 seinen einzigen Film nach einem selbstverfassten Drehbuch drehte, hatte der gelernte Journalist schon ein bewegtes Leben hinter sich. Nachdem er als junger Mann mit Mussolinis Faschisten sympathisiert hatte und sich auch am "Marsch auf Rom" beteiligte, fiel er wegen seiner kritischen Berichte zunehmend in Ungnade, wurde aus der Partei ausgewiesen und für fünf Jahre auf die Insel Lipari verbannt. Zwar konnte er nach einem Jahr - dank einflussreicher Freunde - die Insel wieder verlassen, blieb aber unter Hausarrest und arbeitete als Journalist unter einem Pseudonym. Allerdings handelte es sich schon bei "Malaparte" um einen Künstlernamen, den Kurt Eric Suckert, Sohn eines Deutschen und einer Italienerin, in Opposition zu "(Napoleon) Bonaparte" gewählt hatte.
Bekannt wurde Malaparte einem größeren Publikum durch seine sehr drastischen Schilderungen der Gewalt im 2.Weltkrieg, dessen Realitäten er als Kriegsberichterstatter in vielen Ländern fast täglich erlebte. Nach dem Krieg entschied er sich für den Kommunismus, worin eine Parallele zu Regisseuren wie Visconti oder Rossellini zu erkennen ist, an deren neorealistischen Werken er sich mit seinem einzigen Film scheinbar orientierte. "Il cristo proibito" wirkt in seiner Optik und der dokumentarischen Schilderung des Alltags der Menschen in einem kleinen Ort in der Toskana, wie ein Paradebeispiel für den realistischen Stil, aber Malapartes Film ist vor allem ein emotionaler Koloss – widersprüchlich und ohne Angst vor dem radikalen Ausleben eines Konfliktes.
Im Mittelpunkt steht Bruno Baldi (Raf Vallone), der fünf Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wieder in sein Heimatdorf zurückkehrt. Getrieben wird er von dem Wunsch nach Rache, denn er erhielt während der russischen Gefangenschaft die Nachricht, dass sein kleiner Bruder von den Deutschen standrechtlich erschossen wurde, nachdem er zuvor verraten wurde. Doch für die Dorfbewohner, selbst für seine Mutter (Rina Morelli), liegt diese Tat viele Jahre zurück, weshalb er auf eine Mauer des Schweigens trifft. Niemand will mehr etwas mit diesen Zeiten zu tun haben, weshalb keiner sein offensichtliches Wissen über den Täter offenbart.
Malaparte fasste hier mit Vehemenz ein Thema an, dass selten in dieser Konsequenz im italienischen Film umgesetzt wurde. Nachdem die Alliierten vom Süden her Italien besetzten und Mussolini in Folge dessen in Rom abgesetzt und festgenommen wurde, entstand im Norden des Landes eine Art Bürgerkrieg. Auf der einen Seite befanden sich die Mussolini - Treuen, auf der anderen die Widerstandkämpfer, die die deutsche Besatzungsmacht und deren Marionettenrepublik - mit einem von den Deutschen befreiten Mussolini an der Spitze - bekämpften. Und gleichzeitig drang die amerikanische Armee immer weiter vor. Der italienische Bürger wurde durch diese unsicheren Machtverhältnisse zu einer hohen Flexibilität gezwungen, hinsichtlich seiner Parteinahme, was Malaparte in einer kurzen Szene anschaulich werden lässt. In einem kleinen Geschäft hängt ein Plakat mit Stalins Konterfei von der Decke, aber als der Händler einen Schrank öffnet, wird an der Innenseite ein Bild Mussolinis sichtbar.
Mit welcher Wucht Malaparte in dieses Panoptikum der Verdrängung und Lüge eindringt, wird an der Figur des Bruno offensichtlich. Anders als viele langjährige Kriegsgefangene, kommt er nicht als gebrochener Mann in seine Heimatstadt zurück, sondern strahlt innere Ruhe und Kraft aus. Malaparte inszeniert Bruno als fleischgewordene Schuld, woraus sich die Reaktion der Bürger begründet – Viele gehen ihm mit Schweigen aus dem Weg, einige Wenige versuchen ihre Situation zu erklären, um ihn von seinen Rachegedanken abzubringen. Doch Niemand greift ihn an oder belügt ihn konkret – eine fast unerklärliche Sehnsucht nach Wahrheit und Erlösung ergreift Jeden, der sich ihm aussetzt. Seine Mutter fleht ihn an, sie nicht nach dem Verräter zu fragen, um ihn nicht nennen zu müssen, Maria (Anna-Maria Ferrero), die ihm Treue versprochen hatte, als er in den Krieg ziehen musste, beichtet ihm, dass sie sich mit seinem Bruder eingelassen hatte, als sie glaubte, er wäre gefallen, Nella (Elena Varzi), eine frühe Jugendfreundin, erzählt ihm von den Vergewaltigungen, die sie erleiden musste, auch um Maria zu schützen, und sein Freund Antonio (Alain Cuny), der als die integerste Person im Ort gilt, gesteht ihm, dass er vor langer Zeit einen Mord begangen hatte, weshalb er die Schuld des Verräters auf sich nehmen will.
Malaparte wählte für seinen Film zwar ein äußerlich realistisch gestaltetes Umfeld, dass an den Neorealismus erinnert, aber für die Beschreibung des inneren, psychischen Zustands der italienischen Gesellschaft nach dem 2.Weltkrieg und damit die Frage nach Schuld und Sühne, wählte er ein überhöhtes Szenario, dass zunehmend christliche Züge annimmt. Gut zu erkennen auch an den stoischen Reaktionen Brunos, mit denen er auf die unterschiedlichen Geständnisse reagiert. Zu Beginn – bevor Bruno seinen Heimatort erreichte - erwähnte er noch, dass es keine Unschuldigen gibt, aber zum Schluss schreit er mehrfach ein „Warum?“ hinaus – warum trifft es die Unschuldigen? – Seine einzige starke emotionale Reaktion im gesamten Film.
Dieser Widerspruch wurde dem Film oft angelastet, aber er ergibt sich aus der Entwicklung der Hauptfigur, denn erst mit der Beichte des Verräters, der sich offen zu seiner Schuld bekennt und sich Brunos Urteil unterwirft, werden die Zusammenhänge zu den anderen Geständnissen offensichtlich – und damit eine innere Verstrickung, die sich zwangsläufig ergeben hat. In der Figur des Bruno zeigen sich zudem die Widersprüchlichkeiten im Charakter Malapartes, der - selbst aus der Toskana stammend - seine Eindrücke aus dem Krieg, parteipolitische Erfahrungen, aber auch seinen christlichen Glauben, der ihn kurz vor seinem frühen Tod zum Katholizismus übertreten ließ, darin vereinte. Konkret reagierte er mit „Il cristo proibito“ auf die damalige Gegenwart und damit auf die schnelle Anpassungsfähigkeit seiner Mitbürger, die nur zu gern zur Tagesordnung übergingen und nur noch ungern an Verfehlungen aus der jüngeren Vergangenheit erinnert werden wollten – ein bis heute gültiges, generelles Szenario.
Der Film ist letztlich das Gegenteil von Realität, denn er erzeugt durch das Eindringen einer Erlöserfigur, dass die Menschen die Wahrheit sagen und zu ihrer Schuld stehen. Malaparte gelingt damit der seltene Fall einer Konstellation, die nicht von außen die Gesellschaft kritisiert, sondern ihr die Möglichkeit gibt, sich selbst zu stellen – eine beeindruckende Form der Offenbarung der inneren Wahrheit. Weder Schuld oder Nichtschuld werden dadurch geklärt, noch kann dafür Erlösung erwartet werden, einzig die innere Befreiung des Einzelnen, nicht mehr mit der Lüge leben zu müssen, wird darin offensichtlich. Entsprechend wird Curzio Malapartes Titel „Der verbotene Christus“ zum Kommentar, denn einen solchen Mann, der die Wahrheit erwartet, aber weder Antworten weiß, noch von Schuld freisprechen kann – wer will den schon? (9/10).