Ein ehemaliger Söldner kapert mit drei Kumpanen eine New Yorker U-Bahn und nimmt zusätzlich 18 Geiseln. Die Forderungen der Geiselnehmer erweisen sich als schwer durchführbar: Innerhalb von einer Stunde soll eine Million Dollar aufgetrieben werden, andernfalls wird nach Ablauf des Ultimatums jede Minute eine Geisel erschossen. Lieutnant Garber hat nun die undankbare Aufgabe, die unschuldigen Menschenleben zu retten und obendrein die Gangster irgendwie zu schnappen...
Joseph Sargent („Der Weiße Hai 4“) inszenierte mit „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“ eine kleine Perle innerhalb des Thrillergenres. Der Zuschauer wird förmlich in das aufregende Geschehen hineingezogen und wird schließlich mit einem actionreichen Finale belohnt. Zuvor jedoch wird die Spannung der Geschichte großartig aufgebaut: Langsam werden die einzelnen Protagonisten des Films vorgestellt, und sofort bekommt man einen Überblick über ihre wesentlichen Funktionen, die sie die folgenden Minuten einnehmen werden. Obgleich es längere Zeit dauert, bis man endlich erfährt, worum es den Geiselnehmern eigentlich geht - die Handlung schreitet sehr bedächtig voran -, gestaltete der Drehbuchautor Peter Stone (nach einem Roman von John Godey) das Ganze äußerst interessant. Vor allem schön zu beobachten ist die Tatsache, daß die bierernste Story mit einigen wirklich köstlichen und wunderbar amüsanten Dialogen aufgelockert wird. Überhaupt ist der Humor allgegenwärtig, selbst vor einigen zynischen Späßen schreckt Sargent nicht zurück (etwa wenn ein Scharfschütze spaßeshalber mit den Fingern eine Pistole formt und Schußgeräusche imitiert, um daraufhin unfreiwillig einen Schußwechsel zu provozieren, in dessen Anschluß eine Geisel ihr Leben lassen muß), aber auch leichtere Gags wie die Szenen mit dem weinerlichen Bürgermeister, der sich aufgrund einer Erkältung unvorstellbar mimosenhaft aufführt, verfehlen nicht ihr Ziel - wobei man hier anmerken muß, daß gerade jene Sequenzen für die Handlung ohne jede Relevanz und damit eigentlich überflüssig sind.
Darüber hinaus wird aber niemals der Nervenkitzel vergessen. Man zittert einfach mit, wenn Garber (Walter Matthau) einmal mehr verzweifelt versucht, das Ultimatum um wenige Minuten auszudehnen, der sture Anführer der Gangstergruppe, Blue (Robert Shaw), jedoch gar nicht mit sich reden läßt. Und allein das im Genre sehr häufig angeschnittene Thema des Ultimatums (siehe „Gegen die Zeit“) sehe ich immer wieder gern; „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“ macht da keine Ausnahme. Außerdem reizvoll die Idee, nach Ablauf des Ultimatums jede Minute eine Geisel zu erschießen. Das erhöht die Spannung noch umso mehr.
Trotz ihres immens spektakulären Inhalts bleibt die Geschichte wider Erwarten auch noch glaubwürdig, obwohl es nicht unbedingt danach klingen mag. Walter Matthau spielt beileibe keinen übermächtigen Polizisten - im Gegensatz zu ganz vielen amerikanischen Film-Schutzmännern der 80er und 90er -, dem es am Ende problemlos gelingt, die vier Geiselnehmer zu stellen. Nein, daß er Blue schlußendlich doch noch dingfest machen kann, ist purer Zufall, da er sich nur auf sein Gefühl verlassen hatte. Wie im richtigen Leben halt beherrscht eine Portion Glück die Polizeiarbeit (wie man schon eindrucksvoll an der „Columbo“-Reihe sehen konnte) und führt sie auf die richtige Spur. Völlig untypisch für den mitunter doch ziemlich reißerischen Film ist dann die absolut actionfreie, aber dennoch geniale (und witzige) Schlußpointe, die Überführung des letzten noch verbliebenen Täters, die mir auch beim wiederholten Ansehen noch ein kleines Schmunzeln entlockt.
Schauspielerisch können die beiden tragenden Säulen, Walter Matthau, der sich nicht ganz so ernst nimmt, und Robert Shaw - eigentlich wie immer - überzeugen. Auch Martin Balsam, der den ehemaligen U-Bahn-Angestellten Mr. Green spielt und vielen noch aus Hitchcocks „Psycho“ (als Arbogast) bekannt sein dürfte, liefert eine routinierte Vorstellung ab - und besonders gefreut habe ich mich über die Nebenrolle von Earl Hindman (Mr. Brown), der mir in „Hör mal, wer da hämmert“ als allwissender Nachbar Wilson Wilson so ans Herz gewachsen ist. Hier hat er zwar nicht viel zu sagen, fällt aber auch nicht negativ auf.
Die Musik von David Shire klingt inzwischen herrlich altmodisch und bringt die 70er-Jahre-Stimmung auch noch ins neue Jahrhundert hinüber. Leider wird sie während der Handlung nur selten eingesetzt.
Fazit: Wunderbarer kleiner Thriller aus den 70ern, der insgesamt gesehen wahrscheinlich schon etwas altmodisch wirkt und ein jugendliches Publikum im Zeitalter von „Speed“ nur noch schwerlich erreichen wird, aber das soll die Qualitäten von „Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 123“ keinesfalls schmälern. Eine wohltuende Mischung aus Witz und Spannung, von überzeugenden Hauptdarstellern getragen.
GESAMT: 8/10 (Unterhaltungswert: 8 - Handlung: 7 - Schauspielerische Leistungen: 7 - Kameraführung/Atmosphäre: 8 - Musik: 7)