Die deutsch-britische Co-Produktion "Creep" überrascht als hoch atmosphärisches und ungewöhnlich brutales Schockermovie. Christopher Smith schickt "Lola" Franka Potente in die düsteren Katakomben der nächtlichen Londoner U-Bahn, aus denen es bis zum Morgengrauen kein Entkommen gibt. Die letzte U-Bahn ist fort, alle Eingänge verriegelt und doch scheint Kate nicht alleine zu sein...
Es beginnt ein mörderischen Spiel mit einem grausam entstellten Psychopathen, das sich vom atmosphärischen, klaustrophobischen Grusel zunehmend zu einer blutigen Hetzjagd nach klassischem Schockermuster wandelt. Die unverbrauchte Kulisse wurde in schlichten, düsteren Bildern hervorragend eingefangen und mit einer ebenso erstklassigen Soundkulisse zu einer exzellent funktionieren Horroratmosphäre vereint. Regisseur Smith spielt mitunter sehr gekonnt mit räumlichen Klangeffekten, sorgt für zahlreiche coole Schockmomente. Die lichtarmen Katakomben und von der Außenwelt vergessenen Gänge bieten dazu unzählige Gelegenheiten - und mehr Opfer, als man zunächst vermuten würde.
Ab der zweiten Filmhälfte bewegt sich "Creep" in den mehr durch Goreeffekte und plakative Schocks gekennzeichneten Bahnen einen modernen Horrorstreifens. Sicherlich ist es schade, daß die von Angst und Verzweifelung geprägte Atmosphäre der ersten halben Stunde zugunsten der Effekte zunehmend weicht, dafür bekommt man aber schließlich auch einen Schocker vom Feinsten. Spätestens im perversen Minireich des ein wenig an Gollum erinnernden Psychopathen mit Privat-Op und Abwassergefängnis, in dem seine Opfer elend verrecken um schließlich verspeist zu werden, ist man in der kranken Welt eines Rob Zombie angekommen. Hier gehts teilweise wirklich übel zur Sache und man fragt sich, wie "Creep" die 16er-Freigabe bekommen haben kann. Wahrscheinlich einzig des Potente-Bonus wegen, denn allein die wirklich krasse, herrlich kranke OP-Szene macht dem unbestritten schwer jugendgefährdenden "Haus der 1000 Leichen" locker Konkurrenz. Keelenschnitte in Nahaufnahme, übel zugerichtete Leichen und brutale Aufspiess-Szenen, hier wird nichts ausgelassen! Absolut erwähenswert in dieser Hinsicht auch das verzweifelte und letztlich sinnlose Anflehen des Wachmannes um Alarmierung von Polizei und Rettungswagen sowie ein blutiger Zweikampf mit dem Psychopathen.
Im Grunde ist "Creep" zwar nur ein konventioneller Schocker, der jedoch mit einer außerordentlich stimmungsvollen Atmosphäre, blutig-fetzigen Schocks und einem absolut coolen Szenario für deftigen Kurzweil sorgt. Allerdings ist es auch ein wenig schade, daß man das atmosphärische Potential nicht effizienter genutzt und sich letztenendes in blutigen Effekten verloren hat. Ich persönlich hätte zudem dem Psychopathen sowohl weniger Screentime als auch eine spätere Einführung zugemessen. "Creep" macht doch recht schnell klaren Tisch. Es ist zumindest zweifelhaft, ob dies die optimale Lösung gewesen ist.
Dank der rasant vorranschreitenden Handlung kommt aber niemals Langeweile auf. Eine Minimaleinführung zweier Charaktere reicht dem Film um praktische seine volle Laufzeit auf das grausige, atemlose Geschehen unter der Erde zu konzentrieren. Selbstverständlich wird dabei schlussendlich auch nicht auf das klassische, dezent angedeutete Augenzwinkern verzichtet, ganz so wie es das Genre gebietet. Ein cooles Ende mit allen liebgewonnenen Elementen der Horror-Sparte, Klischees hin oder her, es wirkt wie aus einem Guß.
Spannend bleibt "Creep" durch die Bank und der lüsterne Schockerfan wird unterm Strich bestens bedient. Ein unerwartet kompromissloser, wunderbar atmosphärischer Kracher mit einer zwar wenig geforderten aber absolut soliden Franka - sogar ein paar gelungene Oneliner (Mein Favorite: "Das beste Stück") lassen sich trotz allem Schrecken finden. Mehr davon sag ich, muss ja nicht immer gleich ein Kunstfilm sein!