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„Everyone says I Love You“ könnte ein völlig normaler Woody Allen-Film sein: Die Story erzählt von einem gut durchdachten Beziehungsgeflecht unterschiedlicher New Yorker mit allerlei Berührungs- und Überschneidungspunkten. So weit so bekannt. Doch Allen wäre nicht Allen, würde er nicht stetig neues ausprobieren und seine Grenzen neu ausloten. Hier entschließt sich der Altmeister zu einem romantischen Musical, ein Genre das in den 50ern und 60ern (z.B. „Singin’ in The Rain“ oder „My Fair Lady“) seinen Zenit erreichte und heutzutage kaum mehr gefragt ist. Entgegen jeglichen Kino-Trends inszeniert Allen herrlich altmodisch und orientiert sich sichtbar und hörbar am Musical-Kino und Broadway der 40er bis 60er.

Das Star-Aufgebot schlägt wohl die meisten Mainstream-Filme um Längen und sämtliche Stars gehen in ihren Rollen auf, haben sichtlichen Spaß an der Sache. Eine richtige Hauptrolle übernimmt aufgrund der episodischen Struktur keiner so wirklich, jedem Charakter kommt ausreichende Aufmerksamkeit zu. Ein wenig erinnert der Film an den später entstandenen „Tatsächlich…Liebe“ – auch hier geht es nur um romantische Themen und dennoch wirkt das Gebotene nicht oberflächlich sondern glaubwürdig. Der besondere Kniff: Jeder der Darsteller (mit Ausnahme von Drew Barrymore) singt seine Songs selbst, obwohl keiner eine klassische Gesangsausbildung hat oder sich sonst professionell mit Gesang auseinander setzt. Obwohl die Qualität des Gesangs natürlich im Vergleich zu gewohnten Musical-Standards deutlich abfällt, bekommt der Film durch diesen kleinen Makel einen ungeheuren Charme. Darüber hinaus gibt jeder sein bestes und auch die technische Schwierigkeit der Songs ist sehr niedrig.

Der noch junge Edward Norton ist in einer seiner ersten Rollen zu sehen und spielt mit viel Elan den bodenständigen, konservativen Vorzeige-Schwiegersohn, dessen zukünftige Ehefrau wird dargestellt von Drew Barrymore. Alle Charaktere sind durch Verwandschaft oder Bekanntschaft miteinander verwickelt, eine komplette Auflistung würde wohl den Rahmen sprengen. Woody Allen spielt eine gewohnte Rolle, gut wie immer. Auch Julia Roberts kann sich sehen lassen, überzeugt als neurotische, unglücklich verheiratete Frau. Sehr witzig ist Tim Roth in einer Nebenrolle als Ex-Knacki und beweist, dass er doch komisch sein kann (entgegen seiner katastrophal dämlichen Vorstellung in „Four Rooms“). Ebenfalls zu sehen sind Goldie Hawn, Alan Alda und die noch am Anfang ihrer steilen Karriere stehende Natalie Portman. Erzählt wird die Handlung von D.J. Berlin (Natascha Lyonne, „American Pie“), im Film die Tochter von Woody Allen und charmante Erzählerin.

Mitunter ist der Humor sehr schwarz, wie immer ist der Tod ein Thema bei Allen, und die schrägen Musicalnummern im Krankenhaus oder bei der Beerdigung des Großvaters sind Höhepunkte des Films und geraten niemals zur albernen Farce. Das liegt auch an den tiefgründigen, aber sehr leichten und unbeschwerten Liedtexten („Enjoy yourself, enjoy yourself, it’s later than you think). Insgesamt wirkt „Everyone says I Love You“ so leicht und bekömmlich wie ein französischer Chanson – oder wie ein gutgelaunter Spaziergang durch ein sonniges New York, welches von Carlo Di Palma gewohnt schön gefilmt wurde. Dasselbe gilt für die Szenen in Venedig, einfach schön anzusehen. Obwohl es selbstverständlich auch hier einige intellektuelle Elemente und etwas Kritik an der heuchlerischen gebildeten Mittelklasse Manhattans gibt, fordert Allen einen hier nie ernsthaft zum nachdenken auf sondern unterhält einfach mal ganz unbeschwert. Und das gelingt wunderbar.

Fazit: Wunderbar leicht inszeniert, locker zu konsumieren und niemals mit Klischees beladen – trotzdem zuckersüß und einfach nur herzerwärmend gut. So sollte eine romantische Komödie aussehen, absolute Spitzenklasse. Auch wenn die Songs sicherlich nicht jedermanns Sache sind sicherlich einer von Woodys massenkompatibelsten Werken, ein richtiges „Date-Movie“.

7,5 / 10

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