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Endlich! Es wird nicht zum x-ten Mal die komplette Geschichte von Hitlers Aufstieg und Niedergang erzählt, die durch unzählige Dokumentar- und Spielfilme sattsam bekannt ist, sondern einzig sein schmachvolles Ende, als sein utopischer Traum von der Weltherrschaft eines tausendjährigen „arischen“ Reichs schon längst zusammengebrochen war. Wir erleben Hitler nicht einfach als Negativ-Phänomen, das irgendwie über allem als beinahe übermenschliche teuflische Macht zu schweben scheint, sondern als das, was er tatsächlich war: ein fanatischer, schließlich gescheiterter, fast ganz gewöhnlicher Mensch kurz vor dem Totalverlust seiner psychischen und physischen Kräfte, ohne Ausweg aus seiner sich selbst eingebrockten Misere, die zig Millionen Menschen und ganze Länder in den Abgrund riss. Wir erleben Hitler auch nicht als die im Grunde lächerliche Figur, die er darstellte, wie etwa in Chaplins Meisterwerk „Der große Diktator“ oder gar in Schlingensiefs durchgeknallter Absurdität „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“. Und Gott sei Dank ist „Der Untergang“ ein Film, der die Zuschauer nicht mit Dauerdruck auf die Tränendüse oder ständigen oberflächlichen Kommentaren aus dem Off nervt, die gewaltsam den dann im Grunde als dumm angesehenen Zuschauer mit ihren simplen Warnhinweisen traktieren, sondern er ist fast dokumentarisch in seiner Nüchternheit.

Der Film ist also etwas Neues in seiner Art, was auch seit langem notwendig war. Viele können mit diesem innovativen Gedanken wohl wenig anfangen, da sie sich an den herkömmlichen Formen mit aller Macht festhalten, oft wohl mit der Angst, ohne die übliche Dramaturgie mit der stetigen Mahnung „Achtung, Nazis sind äußerst böse und gemein!“ komme ein solches Thema nicht aus. Da dies jedoch inzwischen jeder wissen sollte, der Film nicht das Übliche wiederholen will und aus diesem zeitgeschichtlichen Thema mit jedem Jahr mehr und mehr entfernte Geschichte wird, wurde es Zeit für Filme wie diese, die mit neuen Formen gerade auch jüngere Generationen erreichen wollen.

„Der Untergang“ basiert zum einen auf dem gleichnamigen Sachbuch von Joachim Fest, dem renommierten Historiker und ehemaligen Mitherausgeber der FAZ, zum anderen auf den persönlichen Erinnerungen Traudl Junges, Hitlers letzter Sekretärin. Allerdings gibt es einige geringfügige dramaturgische Anpassungen, um die Geschehnisse und Beweggründe der Personen besser transportieren zu können. Dabei wird jedoch nicht zu frei mit dem Stoff umgegangen und das Ziel des Films verfehlt, diese Tage möglichst geschichtstreu zu dokumentieren. Davon abgesehen, gibt es von einzelnen Ereignissen ohnehin nur widersprüchliche Aussagen der Zeugen von damals, und manches wird nie mehr geklärt werden.

Es werden die letzten Geschehnisse im Führerbunker und die auf den Straßen Berlins, das in diesen Tagen von den Russen erobert wird, rekapituliert. Im Bunker sehen wir Adolf Hitler Strategien gegen „den Russen“ austüfteln, obwohl alle um ihn herum wissen, dass der Krieg endgültig verloren ist. Es wird nicht ganz klar, ob Hitler dies im Grunde genauso gut weiß oder ob er tatsächlich noch an den „Endsieg“ glaubt. Die Schuld an Niederlagen schiebt er einzelnen Wehrmachtsverbänden und Verrätern zu, an seinen eigenen Motiven, Idealen und Plänen zweifelt er nie. Wir erleben auch die anderen wichtigen Führungspersönlichkeiten aus NSDAP, SS und Wehrmacht, wie Goebbels, Himmler und Keitel. Alle sie werden aber dramaturgisch in den Hintergrund geschoben, das Hauptaugenmerk liegt auf Hitler. Dies geschieht zwar völlig zu Recht, nicht nur aus historischen, sondern auch aus zeitlichen Gründen, dennoch hätte man sich gern noch mehr Erläuterndes aus der Gedankenwelt der anderen Protagonisten gewünscht. Neben Hitler wird eigentlich nur noch Traudl Junge etwas nähergebracht. Keine überzeugte Nationalsozialistin, aber doch irgendwie angezogen vom Führerkult, anfangs naiv wirkend, am Schluss mutig ums Überleben ringend.

Langsam wird auch Hitler klar, dass es keinen Ausweg mehr gibt – bis zu seinem Selbstmord am 30. April. Bis dahin erfährt er vom vermeintlichen Verrat ehemals engster Vertrauter und vom unaufhaltsamen Durchmarsch der Alliierten. Währenddessen lässt er sich noch von begeisterten Anhängern zum Geburtstag gratulieren, und er heiratet noch Eva Braun, was absurd anmutende Szenen ergibt. Es werden letzte groteske und frivole Feste gefeiert, die letzten Alkoholvorräte von den Offizieren geplündert. Alles in den beengten Verhältnissen des Bunkers.

Zwischen den Szenen aus dem Bunker wird der Zuschauer immer wieder mit den Geschossexplosionen und dem Leid in den zerbombten Straßenzügen Berlins konfrontiert. Sterbende Kinder aus dem letzten Aufgebot, schwer verletzte und zerfetzte Zivilisten, das Zerreiben der letzten Kampfverbände, einige wenige Menschen, die helfen und das Leid lindern wollen. Und, sogar schon als alles vorbei ist, Selbstjustiz an Kritikern des sinnlosen Abschlachtens, die als angebliche Deserteure und Überläufer aufgehängt werden. Vieles davon wird nur beiläufig von der Kamera eingefangen und wirkt umso erschütternder. Allerdings verliert man angesichts der Masse an Ereignissen und handelnden Personen gerade in der ersten Hälfte des Films leicht den Überblick.

Sowohl die Szenen im Führerbunker als auch in den Berliner Straßen sind düster und zutiefst beklemmend. Regisseur Hirschbiegel fängt gekonnt die einengende und mörderische Untergangsatmosphäre ein, wie ähnlich schon in seinem „Experiment“. Dabei hilft ihm freilich, dass er eine ganze Riege bekannter, hervorragender Darsteller aufbieten kann.

Bruno Ganz spielt Hitler erschreckend realistisch. Nicht nur wegen der beängstigenden optischen und akustischen Ähnlichkeit. Wie er, von Parkinson geschüttelt, die beinah schizophrene Persönlichkeit Hitlers spielt, lässt den Atem stocken. Auf der einen Seite zeigt er uns geradezu freundliche Charakterzüge, wenn er seiner Sekretärin zuspricht, von seinem Hund schwärmt oder sogar Eva Braun küsst. Auf der anderen Seite kippt er sofort wieder in nationalsozialistische Hohlphrasen, antisemitisches Gesabber und wirres Geschrei, wenn ihm wieder einmal eine Niederlage mitgeteilt wird. Meines Erachtens eine der besten Schauspielleistungen der Filmgeschichte überhaupt.

Durch die starke Präsenz, die Hitler im Film einnimmt, müssen die anderen Charaktere und damit auch deren Schauspieler leider im Hintergrund bleiben. Trotzdem spielt Ulrich Matthes Joseph Goebbels angemessen widerlich, und Corinna Harfouch überzeugt als dessen eiskalte, affektierte und machtverliebte Frau Magda nicht nur in der grausamsten Szene des Films – als sie ihre sechs Kinder vergiftet. Alexandra Maria Lara passt mit ihren großen Augen bestens zur jungen, naiven Traudl Junge, und auch sonst sind die Rollen von Himmler bis Speer fast perfekt vergeben.

„Der Untergang“ stellt einen bedeutenden Mosaikstein zur Vervollkommnung des auf Film gebannten Bildes der Epoche des Dritten Reichs dar. Dieser Film wird die visuelle Vorstellung künftiger Generationen vom unmittelbaren Ende der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkrieges in Deutschland prägen. Selbstverständlich ist der Film in seiner sich selbst auferlegten Beschränkung auf so wenige Tage nicht allein geeignet, diese Epoche kennen oder gar verstehen zu lernen. Aber er rundet das Bild überaus eindrucksvoll ab. Der Zuschauer wird als mündig erkannt und zum eigenständigen Nachdenken und Nachfragen angeregt. Und schließlich ist das Werk auch ein Beispiel für die Möglichkeiten deutschen Kinos, wie schon „Good Bye, Lenin!“ sie vorgeführt hat: Es kann durchaus deutsche Geschichten in Spielfilmen auf internationalem Standard geben, die damit auch im Ausland erfolgreich sein können. Das ist nicht nur eine Frage der Kosten – „Der Untergang“ war bis dato der teuerste deutsche Kinofilm –, sondern auch eine Frage des Mutes, endlich etwas Neues zu wagen.

8 von 10 Punkten.

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