„Und als ich Bernd Eichingers meisterhafte Rekonstruktion verfolgte, konnte ich mir einen besseren Film über Hitlers letzte Tage nicht vorstellen.“ Soweit der weltweit berühmte britische Historiker Ian Kershaw, einer der besten Kenner Hitlers und der nationalsozialistischen Ära.
Nun, da ich der Meinung bin, dass einem auch noch so berühmten Exponenten der historischen Wissenschaften partout Glauben zu schenken, eines mündigen Menschen nicht würdig und deshalb in höchstem Maße unangebracht ist, bin ich vorsichtig mit den so genannten Expertenmeinungen. In diesem Fall komme ich aber nicht umhin, dem englischen Hochschuldozenten absolut Recht zu geben.
Bisher sind wir in Deutschland nur billige, völlig der Wirklichkeit entflohene Schundfilme à la „Stalingrad“ gewohnt. Filme, die die erschütternde, komplexe Materie Zweiter Weltkrieg nur ungenügend aufschlüsseln und somit die eigentlichen Antriebe, Hoffnungen, Erwartungen, Ängste und Charakterprofile der Menschen von damals nicht nur nicht verstehen helfen, sondern sogar vollkommen verkehrt darstellen. Allerdings wurde uns letztens eine recht nette Produktion über das Stauffenberg Attentat des Jahres 1944 präsentiert, die für einen ARD/ZDF-Film zwar recht modern, aber dennoch zu unscheinbar daherkam. Um wirklich etwas reißen zu können, waren die Dialoge zu platt und der Film insgesamt einfach zu zeitgeistangehaucht.
Eichingers „Der Untergang“ ist erfrischend anders. Nicht nur, dass sich um jedes noch so kleine historische Detail bemüht wird, die Darstellung der Charaktere ist meisterhaft gelungen. Der vielgelobte Hitlerdarsteller Bruno Ganz macht seine Sache – perfekt! Auch Mohnke wird derart faszinierend umgesetzt, dass man deutlich merkt, hier wurde mehr als nur ein Buch gewälzt, sich intensivst mit den damaligen Akteuren beschäftigt und keine Mühe (und keine Kritik) gescheut, die damaligen Protagonisten möglichst naturgetreu darzustellen. Einzig Hirschbiegels Goebbels überzeugt mich nicht. Der historische Goebbels war nicht nur Doktor, er war auch ein Meister der Eloquenz. Ein begnadeter Redner, Charmeur, Propagandist und Um-den-Finger-Wickler. Dieser Goebbels hier wirkt nicht mal so, als könne er selbstständig den Tee süßen.
Manche sagen, Eichingers Film leiste nichts zum Verständnis des „Dritten Reichs“. Wir sollten die Antwort auf diese Frage vertagen. So meinen viele (deutsche!) Historiker, man dürfe Hitler und seine Mannen nicht derart (neutral) darstellen,.... also lieber den Deutschen des Jahres 2004 für dumm und blöd verkaufen, wie das die ganzen schwachsinnigen ARD- und ZDF-Formate der letzten Jahre so meisterhaft fertig brachten. Sieht man hier doch tatsächlich militärische Befehlshaber, die sich um die Zivilbevölkerung sorgen und kümmern, gar von der Waffen-SS (!). Das ist so manchem deutschen Hobbyhistoriker dann doch zu viel des Guten.
Ich bin der Meinung, um den infernalen Moloch Drittes Reich und die damit verbundene Dämonie darzustellen, bedarf es keiner Karikierung oder Halbwahrheiten. Die unfassbare Wirklichkeit an sich – so wie hier präsentiert – reicht vollkommen aus, um begreifen zu lassen, mit welch apokalyptischer Zeit und welch schäbigen Verbrechen man es zu tun hat, wenn man den Mann Adolf Hitler und seine Zeit seziert. Betrachtet man die Geschichte dann tatsächlich unter diesem Blickwinkel, dann ist es nur selbstverständlich, dass damals wie heute ein großer Prozentsatz der Menschen, zwar mehr oder weniger verblendet und realitätsfremd, aber aufrichtig und anständig war.
Fazit: Ganz großes deutsches Kino, das sich ohne Umwege zum „Boot“ gesellt, wenn es um realistische, unvoreingenommene, aber auch enorm gekonnte, unterhaltende und spannende deutsche Filmkunst geht. Prädikat: Wertvoll!!!
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