Voll-Profi trifft auf Möchtgern-Profi. Der Voll-Profi ist Andrew Lloyd Webber, der "Gott des Musicals", der mit seinen Bühnenstücken bereits Geschichte geschrieben hat und mit Musicals wie "Das Phantom der Oper" oder "Jesus Christ Superstar" die Menschheit allerorts zu Jubelstürmen verleitet. Der andere "Profi" ist Joel Schumacher, dessen Werke sich in der Qualität nicht selten unterscheiden. Während er z. Bsp. bei "Nicht auflegen" oder "Falling Down" zeigte, dass er sein Handwerk mehr als gut versteht, versaute er seine beiden Batman-Verfilmungen gründlichst und machte aus dem düsteren Flattermann einen knallbunten Lollipopp. Nun taten sich die beiden also daran, das beliebteste Musical aller Zeiten, "Das Phantom der Oper", zu verfilmen und nahezu 1:1 von der Bühne auf die Leinwand zu bringen. Bei Webber am Drehbuch dürften da eigentlich keine Zweifel aufkommen, ob das klappt, bei Schumacher auf dem Regiestuhl, konnte man aber durchaus mit Vorsicht an die Sache rangehen. Sehr zur Freude aller Musical-Fans darf man aber nun, wo das Ergebnis fertig ist, sagen, dass die Adaption wirklich blendend gelungen ist.
Wie schon erwähnt, wurde das Bühnen-Drehbuch hier nahezu 1:1 in das Film-Drehbuch adaptiert, so dass wirklich keine auffälligen Änderungen, zwischen dem Ablauf des Films und dem Ablauf des Musicals, bestehen. Einzig und allein ein paar kleinere S/W-Szenen wurden in das Stück mit eingefügt, die an einigen wenigen Stellen eine "Drumherum"-Handlung präsentieren sollen. Wirklich gebraucht hat es diese aber nicht, da sie sich wirklich auf ein Minimum beschränkt. Ansonsten bietet das Skript Musical-Erlebnis pur, was natürlich gleichzeitig bedeutet, dass kaum einen gesprochenen Dialog gibt, sondern zu 95% Musik und Gesang. Zudem ist die Handlung an sich natürlich auch sehr oberflächlich gehalten, lässt Tiefe vermissen und hat mit dem Roman von Gaston Leroux nur im Ansatz etwas zu tun. Wirklich kritisieren kann man dies allerdings nicht, denn für Bühnenstücke wird nun einmal bei weitem nicht so eine inhaltliche Tragfläche geboten, wie es für Filme möglich ist. Da Schumacher und Webber aber das Musical so auf die Leinwand bringen wollten, wie es auf der Bühne präsentiert wird, kann man ihnen diese Tatsache einfach nicht verübeln auch wenn man als Freund tiefgehender Filmgeschichten, sicher nicht viel mit dem Skript anfangen kann. Aber nun gut, für diese strengen Cineasten ist der Streifen sicher auch nicht gemacht worden.
Gemacht worden ist der Film für die Freunde des Musicals und die können sich nun, neben der getreuen Adaption der Handlung, vor allem über die Inszenierung seitens Schumacher freuen, die wirklich keinerlei Wünsche offen lässt. Was Schumacher hier für einen pompösen, farbgewaltigen und zu jeder Sekunde atmosphärischen Augenschmaus auf die Leinwand gebracht hat, ist wirklich reinstes Eye-Candy und lässt seine Zuschauer mit weit geöffneten Mündern zurück. Man weiß die ganze Zeit nicht wo man als erstes hinschauen soll, so prächtig sieht das ganze Treiben aus. Egal ob es nun die wunderschönen Kostüme sind, die unglaublich prachtvollen, detailverliebten und in jeder Hinsicht makellosen Kulissen, die Spezial Effekte oder einfach nur die absolut perfekte Ausleuchtung des ganzen Sets. Hier darf sich der Musicalfilmfan, mit Freude am Prunk, nur so hineinfallen lassen und wird sich nach 136 Minuten Film nur so in die Pracht verliebt haben. Hier lässt Schumacher wirklich keinerlei Wünsche übrig und präsentiert eine (Oscar-nomminierte) Ausstattung und eine Umsetzung, die auch lange nach dem Filmerlebnis noch im Gedächtnis bleibt. Klasse, so hat man sich das Musical wirklich schon immer auf der Leinwand vorgestellt!
Dazu kommt dann natürlich noch die Musikuntermahlung, die logischerweise ebenfalls komplett vom Musical übernommen wurde. Sanfte Klänge wechseln mich ohrenbetäubend scharfen Opern-Stücken ab, die tief unter die Haut gehen. Vor allem das überall bekannte Titeltheme fährt einem jedes Mal in die Knochen. Dazu wunderbare Texte, die man sich allerdings möglichst nur im Original antun sollte, da die Texte der deutsche Bühnenfassung von Michael Kunze, die leider auch für die dt. Fassung des Films übernommen wurde, eher schlecht als recht, den Texten gerecht wird. Das eine direkte 1:1 Übersetzung bei Liedern kaum möglich ist, ist natürlich logisch. Doch das was Kunze, mitunter, aus dem Liedern gemacht hat, ist schlicht und ergreifend Sinnentstellend und wird den Original-Texten in keinster Weise gerecht. Aber nun gut, den Filmemachern kann man das selbstverständlich nicht vorwerfen!
Ebenfalls sehr lobenswert ist zudem die Tatsache, das Webber darauf bestanden hat, dass nur Schauspieler verpflichtet werden, die ihre Texte auch selber singen können. Bei der Auswahl dieser Darsteller hat man daher auch sehr viel Sorgfalt walten lassen und hat am Ende einen Cast zusammenstellt, der ebenfalls mehr als nur zu überzeugen weiß. Vor allem Hauptdarstellerin Emmy Rossum geht einem, sowohl von ihrem Aussehen, als auch von ihrer Darbietung, nicht mehr aus dem Kopf. Ihre engelsgleiche Stimme bleibt lange im Ohr des Zuschauers haften und auch sonst ist ihr Spiel in jeder Hinsicht tadellos. Aber auch Gerard Butler gefällt. Zwar ist er vielleicht nicht unbedingt als Idealbestzung eines schrecklichen Phantoms anzusehen, doch seine Darstellung überzeugt und auch sein Gesang kann sich mehr als nur hören lassen. Hätte ich, wenn ich ehrlich bin, nicht von ihm erwartet. Dagegen stinken die deutschen Stimmen, u.a. Musicalstar Uwe Kröger, wirklich gewaltig ab. Aber einen Musical-Film schaut man sich am besten eh nur im Original an!
Fazit: Unglaublich gut gelungene Musical-Adaption, des wohl größten und besten Musical aller Zeiten. Das Skript des Bühnenstücks wurde, mit Ausnahme einer kleineren Ausschmückung, wirklich 1:1 übernommen und mit einer grandiosen, pompösen und wirklich in keinster Weise Wünsche übrig lassenden Inszenierung so umgesetzt, dass alle Freunde des "Phantom der Opers", diesen Film über alles lieben werden. Wer mit Musicals oder dieser, vergleichsweise, harmlosen Version des Leroux-Roman noch nie etwas anfangen konnte, der wird natürlich auch mit dem Film nicht zufrieden sein. Die Zielgruppe aber dürfte an diesem gelungen Filmspektakel wirklich nichts zu kritisieren finden! Einfach wunderbar!
Wertung: 8/10 Punkte