Review

Der Erfinder des deutschen Titels sollte wieder einmal geohrfeigt werden, bis ihm Hören und Sehen vergeht. Dieser Film ist keineswegs ein "Flotter Teans mit/ohne Jeans"-Film, dem eine Gruppenvergewaltigung mit Mord angehängt wurde, sondern ein ein sich stimmiger Film, in dem Gloria Guida und insbesondere Lilli Carati brillieren können, wie in keinem (oder kaum einem) ihrer anderen Filme. Der Film ist von einem wirklichen Regisseur mit guten Schauspielern, provokanten Dialogen, und einer tatsächlichen, nicht nur zu Exploitation-Zwecken vorgeschobenen, Aussage gedreht und wird entsprechend wenig verstanden, denn die einen wollen eine Sex-Klamotte und inzwischen gibt es auch die anderen, die möglichst brutal Frauen hingemetztelt sehen wollen.

Die Fakten: Der Film heißt "zwanzig Jahre alt sein" und das ist schon mal nicht so fröhlich dahingesagt wie es klingt, sondern, wie dem Zuseher sofort enthüllt wird, aus einem bitteren Zitat, nachdem niemand sagen darf, daß die Zeit als ich zwanzig war, die schönste Zeit meines Lebens gewesen sei. Tatsächlich sind Carati und Guida hier zwei Mädchen mit alles anderes als problemloser Jugend aus der italienischen Provinz, die sich auf dem Weg nach Rom machen, um die freie Liebe zu finden. Sie landen in einer Spät-Hippiekommune, die keineswegs idyllisiert wird, sondern die Typen sind umgedrehte Spiegelbilder der bourgeoisen Spießergesellschaft, von der sie sich absetzen wollen. Tatsächlich stellt sich heraus, daß sie im Auftrag der Bullen geführt wird, um "gefährliche Typen" ausspionieren zu können, von denen man hofft, daß sie dort einkehren. Insbesonders Lilli Carati ist aber im Grunde auf anderes aus, auf viel einfacheres, sexuelle Erfüllung. Dabei gibt es köstliche Szenen, z.B. wie sie vor einem prätentiösen Professor masturbiert und ihn schließlich auf die Schippe nimmt, oder wie sie ein Päckchen Marlboro für einen Blow-Job in einer Trafik haben möchte ("Haben Sie Marlboro gesagt?" "Nein, ich habe Blowjob gesagt.") Bei den Männern herrscht aber entweder tote Hose oder gefühlloser Schnellsex, oder man nimmt sie für eine Hure. Die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen macht den Männern Angst. Man kann von dieser Theorie halten was man will, fest steht: der Regisseur führt dieses Motiv konsequent und schlüssig vor. Und er hat in der Carati eine Schauspielerin die wundervoll mitgeht und offenbar voll bei der Sache ist. Vermutlich ist sie froh einmal keinen blöden Teenie-Schulbank-Film drehen zu müssen, den der deutsche Titel unbedingt suggerieren will! Carati wurde später, nach einer Zeit der Drogenabhängigkeit - zeitlich ziemlich genau auf diesen Film folgend - zum ersten Hardcore-Star Italiens. In die antichauvinistische Haltung des Regisseurs und der Hauptdarstellerinnen paßt das grausame Ende des Films genau hinein, und es ist formal auch sehr gut gemacht: Nachdem die beiden, zwangsweise zurück in der Provinz (von den Bullen zurückgeschickt), eine Horde Männer in einem Lokal scharfmachen, werden sie von diesen vergewaltigt und ermordet. Die Rechtfertigung: durch ihr provokatives Auftreten hätten sie dies so verdient. Dies ist die Rache des -männlichen - Establishments, dessen verlogene Seite in diesem Film eigentlich in fast jeder Szene aufgezeigt wird - und ebenso daß die Kommunen-Hippie-Gegenestablishment-Bewegung keine Alternative darstellt.

Selten wird in einem FIlm diese "Botschaft", die auch in vielen Black Emanuelle-Film versteckt ist (z.B: Perche Violenza alle Donne?) ohne daß D´Amato das nur annähernd so umsetzen kann oder auch will, so glaubwürdig rübergebracht und von zwei hinreißenden Schauspielerinnen so toll verkörpert. Darum ist dieser Film ein wirklicher Klassiker des italienischen Erotikfilms (im weitesten Sinn dieses Wortes), der mit der Doppel-DVD von Nocturno mit Interview und Dokumentation endlich auch in einer würdigen Edition erhältlich ist.
Außerdem sollte ich noch erwähnen daß Gloria Guida den wunderbaren Titelsong singt, und die Musik generell auf dem hohen Standard der Italo-70er-Filme ist.

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