Review

Man könnte beinahe sagen: Die deutsche Übersetzung trifft den Nagel ausnahmsweise mal auf den Kopf! Nicht unbedingt im Filmtitel, der alles zerstört, was ein herrlich verstohlenes Geheimnis zwischen Film und Publikum hätte sein können, sondern vielmehr in der Synchronisation. Diese ist nicht nur ausgestattet mit bekannten Sprechern wie Jürgen Thormann (u.a. Michael Caine, Max von Sydow), Christian Brückner (u.a. Robert De Niro) und Thomas Danneberg (muss man ja nun wirklich nicht mehr vorstellen), sondern lässt sich gegen Ende zu einer Übersteigerung der nüchternen Originaltonspur hinreißen, die einen elementaren Kommentar zu den Meta-Vorzügen dieses Films bereithält: aus „you really are…a vampire“ wird „Sie sind Dracula“. Angesichts der Tatsache, dass anfangs in beiden Versionen noch von einem Grafen Yorga die Rede ist, wird aus dem Aussprechen des Offensichtlichen gleich ein großer Plottwist.

Obschon diese unaufgeforderte Synonymbildung für deutsche Filmtranskription typisch ist und noch weitaus schlimmere Stilblüten hervorgebracht hat (Dracula heraufbeschwören, wo es nicht einmal Vampire gibt… man frage nur Mario Bava), trifft sie diesmal unbedarft den Kern einer Produktion, die ihrerseits eine Übersetzung vom Softcore-Spielfilm in den puristischen Horrorfilm ist und somit bereits von der Wiege auf ein Grenzgänger zwischen den Welten.

In einer Zeit, die nicht zuletzt dank Polanskis „Tanz der Vampire“ gerade zur ironisch-distanzierten Betrachtung der klassischen Regeln des Vampirfilms aufbrach, nimmt „Count Yorga“ eine Sonderrolle ein: Einerseits beharrt er bierernst auf den überlieferten Regeln und Traditionen, eröffnet altbacken mit einem Off-Erzähler (George Macready) und erlaubt sich bei der Abkehr vom Erotikfilm konsequenterweise nicht die geringste Ausschweifung ins Erotische (zumindest nichts, was etwa über die Wagnisse der spanischen Version von „Dracula“ [1931] hinausginge); andererseits wird bei einer Séance gekichert und sobald einer der Charaktere aufgrund der übernatürlich wirkenden Ereignisse mit ernster Miene seine Vampirismus-Theorie öffentlich kundtut, wird er so mitleidig angesehen wie ein Irrer auf Freigang.

Dass Yorgas Sarg in einem Pick-Up für jedermann einsehbar mitten durch L.A. gekarrt wird, vereint die beiden Seiten der Medaille in einem Bild: Längst muss der Vampirfürst sich nicht mehr wie eine Ratte unter Deck verstecken, er ist jedem Normalbürger bestens bekannt, eine Popikone im wahrsten Sinn, so alltäglich, dass er im Straßenverkehr ebenso wenig beachtet wird wie ein Filmplakat an einer Hauswand.

Zu sehen, wie Robert Quarry seine Opfer mit den ältesten Tricks der Welt einspinnt, ist daher ein zutiefst schizophrenes Erlebnis, das sich gleichermaßen altmodisch wie modern anfühlt. Vom Sargbett über den Renfield-ähnlichen Gehilfen bis zum Vampirfurien-Trio fährt Bob Kelljan die komplette Stoker-Nummer auf, lässt aber ein anderes Tempo walten und setzt auf eine Inszenierung, die Universals und Hammers Vorgaben gleichermaßen widerspricht. Bleich geschminkt, mit schwarzrotem Cape und trüb-melancholischem Blick versehen spielt die Aufmachung des Vampirgrafen zwar mit den Erfahrungswerten des Publikums, lässt im gleichen Zug aber die misstrauische Reaktion seiner Opponenten (Michael Murphy und Robert Perry als aufmüpfige Holzpflockschnitzer) in neuem Licht erscheinen.

Tief unter der Oberfläche verborgen entsteht somit ein abgründiger Humor, der in diesem Kontext pulpig wirken sollte, es aber nicht tut; wohl auch deswegen, weil er die Wirkung des Horrors nicht schmälert. Mäuler voller spitzer Reißzähne erweitern die Facette vampirischer Darstellungen bis zu den heute bekannten Variationen nach Art von „30 Days Of Night“ oder „Vampire Nation“, machen aus den romantischen Blutsaugern von einstmals rücksichtslose Raubtiere, die ihren Opfern im Eifer des Gefechts auch mal ganze Augäpfel wegsaugen. Quarry nutzt den Wirkungsbereich zwischen Gentleman und Bestie, der sich ihm bietet, ganz hervorragend aus, gleitet von Momenten der hypnotisierenden Omnipotenz mühelos ins Animalisch-Kontrolllose, ahnt immer punktgenau die Ängste seiner Gegner (somit auch des Publikums) voraus und verhält sich dementsprechend angriffslustig, wenn es drauf ankommt. Dem Altbekannten wird also ein Aspekt der Unberechenbarkeit hinzugefügt, der durchaus neue Impulse für das gesamte Subgenre setzt oder sie wenigstens fördert.

Nun ist „Count Yorga“ nicht gerade vom Geist gotischer Romantik beseelt und somit trotz einiger Sets in einem großen Anwesen sicherlich nicht das Musterbeispiel dessen, was man einen Augenschmaus bezeichnen würde. Trailer Parks und die Hinterwälder von L.A. bilden ebenso sehr Yorgas Geltungsbereich wie seine eigentliche Behausung. Die nicht aus atmosphärischen, sondern vor allem aus Budgetgründen oft bei Nacht gedrehten, lichtarmen Außenaufnahmen überlassen viele Details der Fantasie. Doch auch diese visuellen Einbußen gegenüber manch opulent ausgestattetem Klassiker dokumentieren einen fortschrittlichen Ansatz, indem sie die Mythologie in die Realität übersiedeln und auf den Effekt der direkten Konfrontation vertrauen. Überdies weiß Bob Kelljan trotzdem einige einprägsame Schlüsselbilder zu erzeugen; dazu gehört sicherlich der stark ausgeleuchtete Auftritt Yorgas vor dem Fenster des Wohnwagens, seine zuckenden Mundwinkel und seine spontanen Attacken beim Getänzel im Endkampf, der Close-Up seines hungrigen Gebisses und nicht zuletzt der finale Freeze Frame, mit dem das Böse einen Freifahrtschein für die Fortsetzung bekommt.

Zu Low-Budget also, um sich mit den opulenten Klassikern messen zu können, zu eng mit der Vampir-Klassik verzahnt, um im Alleingang eine Revolution anzuzetteln – kein Wunder, dass „Count Yorga“ filmhistorisch einen eher schweren Stand hat. Über die hochgradig spannende Vampirinterpretation Robert Quarrys (der sich durchaus mit den großen Dracula-Darstellern messen kann) und den leicht verqueren Charme des Nebeneinanders traditioneller und moderner Bestandteile sollte man jedoch nicht einfach hinwegsehen.

Details
Ähnliche Filme