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Interview mit Regisseur Jan de Bont

DIE KRAFT DER BILDER

GESPRÄCH MIT JAN DE BONT

Autor(in): Margret Köhler / Quelle: film-dienst 22/94

Mit seinem Regiedebüt "Speed" katapultierte sich Jan de Bont in der Startwoche an die Spitze der amerikanischen "Top Ten". Der gebürtige Holländer begann seine Karriere 1961 in seiner Heimat als Kameramann. Bekannt wurde er durch seine langjährige Zusammenarbeit mit Paul Verhoeven, die bis 1974 ("Türkische Früchte") zurückdatiert. In den USA fotografierte er Filme wie "Basic Instinct", "Lethal Weapon", "Stirb langsam", "Black Rain", "Jagd auf Roter Oktober" oder "Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil". Mit dem 50jährigen Action-Experten sprach Margret Köhler.

fd: Was hat Sie gereizt, nach jahrzehntelanger Arbeit als Kameramann ins Regiefach zu wechseln?

de Bont: Ich habe viele Filme mit bekannten Regisseuren gedreht. Aber als Kameramann kann man immer nur so gut sein wie der Regisseur. Oft hatte ich das Gefühl, bestimmte Dinge besser machen, manche Szenen spannender gestalten zu können, hatte aber nie die Chance, das zu beweisen. Mit "Speed" zeige ich, wie ich mir einen Actionfilm vorstelle.

fd: Und wie muß ein Actionfilm aussehen?

de Bont: Ich bin sehr visuell veranlagt und komme von einer sehr dokumentarisch orientierten Schule. Wir mußten damals Geschichten durch Bilder erzählen ohne Dialoge. Und Filme wie "Speed" müssen auch Spannung durch Bilder erzeugen. Da denke ich immer an Hitchcock. Der erzeugte oft Spannung nur durch einen bestimmten Kamerawinkel. Mir geht es um die Kraft der Bilder, die müssen Emotionen wecken.

fd: Wie begann Ihre Karriere vor über 30 Jahren?

de Bont: Als ich zur Filmakademie ging, wollte ich Regisseur werden. Aber das wollten alle, und ich war der einzige, der mit der Kamera umgehen konnte. Da bin ich einfach in die Kameraarbeit hineingerutscht. Für mich war die Arbeit als Kameramann genauso interessant wie die als Regisseur. Außerdem hatte ich immer Arbeit. Ein Regisseur konnte höchstens einen Film pro Jahr machen, ich dagegen drei oder vier. Als ich in die USA kam, hatte ich das Glück, mit wirklichen Profis arbeiten zu können wie Paul Verhoeven, Richard Donner oder Joel Schumacher. Nach jedem Film boten sie mir den nächsten an. So hat sich das über Jahre hingestreckt, bis ich mich entschloß, einen Schlußstrich zu ziehen.

fd: Gab es trotz der unterschiedlichen Regisseure ein bestimmendes Element in Ihrer Arbeit?

de Bont: Alle meine Filme als Kameramann haben eins gemeinsam - eine unglaubliche Bewegung. Ich habe immer versucht, die Filme aus dem Blickwinkel des Publikums zu machen. Meine Kamera sollte immer neue Dinge entdecken, ich mag es nicht, etwas starr im Blick zu haben, sondern gehe gerne ganz nah heran, um Gefühle zu wecken oder zu übertragen.

fd: Wollen Sie jetzt nur noch Regie führen?

de Bont: Ich möchte gerne als Regisseur weiterarbeiten. In dieser Position kann ich beides machen - ich habe Einfluß darauf, wie der Film aussieht, und gleichzeitig mache ich meinen eigenen Film. Das finde ich fantastisch.

fd: Pfuschen Sie dem Kameramann nicht leicht ins Handwerk?

de Bont: Ich habe einen Kameramann gesucht, der meine Vorstellungen akzeptieren konnte. Andrzej Bartkowiak kommt vom Drama und wollte lernen, wie man einen großen Actionfilm macht. Ich liebe seine Arbeit. Regiearbeit finde ich so kompliziert, da erwarte ich, daß der Kameramann auch selbst entscheidet, denn ich selbst hasse jede Art von Bevormundung. Wenn mir ein Regisseur strikte Anweisungen gegeben hätte, hätte ich sie einfach nicht ausgeführt.

fd: Wie stark hat Paul Verhoeven Sie beeinflußt?

de Bont: Nicht so stark. Man lernt von allen Regisseuren, am meisten von den Fehlern, die man dann in Zukunft vermeidet. Mit Verhoeven habe ich sieben oder acht Filme gedreht. Da automatisieren sich manche Abläufe direkt, weil man ein eingespieltes Team ist. Aber ich brauche immer wieder neue Herausforderungen, damit nicht alles immer so gleich ausschaut.

fd: Sie kommen für einen Actionfilm mit relativ wenig Gewalt aus.

de Bont: In "Speed" gibt es eigentlich nur am Anfang eine brutale Szene. Das war Absicht, weil ich Dennis Hopper als den Bösen einführen wollte. Aber ich bin ein Gegner von sinnloser Gewalt. Man kann Spannung auch anders erzeugen. Wichtig war mir auch der Humor. "Speed" ist ein "nonstop-movie", und da gaben die komischen Momente eine Art Erholung. Man kann den Zuschauer nicht 100 Minuten lang auf einer Spannungsebene halten.

fd: Könnten Sie sich vorstellen, wieder in Europa zu drehen?

de Bont: Ich bin vor 18 Jahren nach Amerika gegangen, weil ich große Unterhaltungsfilme für ein großes Publikum machen wollte. Die meisten europäischen Filme richten sich nur an einen kleinen Zuschauerkreis, sie sind zu dramatisch, zu kopflastig und zu überfrachtet. Ich habe nichts dagegen. Aber ich möchte, daß das Publikum meine Filme liebt, sich anschließend wohl fühlt. Film erfordert einen so immensen Aufwand an Zeit, Nerven und Gefühl, bedeutet so viel Arbeit. Warum soll ich das alles investieren für einen Film, den niemand sehen will?

fd: Die Budgets für Actionfilme klettern immer höher. Gibt es eine Grenze nach oben?

de Bont: Die Studios vertreten die irrige Meinung, ein guter Film müsse immer teurer sein als der vorherige. "Speed", mit knapp 30 Mio. Dollar fast eine Low-Budget-Produktion, beweist doch, daß man einen guten Actionfilm auch für sehr viel weniger Geld machen kann. Es geht nicht so sehr um Geld, als darum, das Handwerk zu beherrschen.

fd: Bei Ihrem nächsten Projekt "Godzilla" geht es um weit mehr als 30 Mio. Dollar.

de Bont: Das Budget ist außerordentlich hoch. "Godzilla" ist eben eines dieser "Einmal im Leben"-Projekte, ein Riesenfilm, der zwei Jahre dauern soll. Da gibt es noch so viel Arbeit, so viele Effekte zu entwickeln, die ganze technologische Seite ist noch offen. Für mich ist die Realisierung von "Godzilla" die Erfüllung eines lang gehegten Traumes.

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