Der Jogger würde wohl nicht so lässig durch den Vorspann joggen, wenn er wüsste, dass da gerade die Namen dreier Horror-Ikonen über seinem Kopf eingeblendet werden. Peter Cushing, Christopher Lee und Vincent Price müssen in „Die lebenden Leichen des Dr. Mabuse“ nicht einmal unbedingt in Person mit Präsenz punkten, denn ihr Ruf eilt ihnen voraus. Mit ihnen wird ein glorreiches Erbe voller staubiger Schrecken beschworen, auch wenn sich das flippige Gegenwarts-London mit seiner urbanen Fassade und seinen lauten Clubs offensichtlich bereits vom Mief vergangener Hammer- und Amicus-Hochzeiten zu lösen versucht.
Doch möge sich die Welt auch weiterdrehen und moderneren Inhalten zuwenden, so lässt sich das klassische Gruselkino mitsamt seiner Protagonisten nicht einfach abschütteln. Die punktuell verteilten Minuten-Auftritte der drei Großmeister, reichlich Frankenstein-Mythologie und ein obskurer Säuretümpel in einer Scheune reichen bereits aus, um den im Wandel begriffenen britischen Horrorfilm wieder in seinem eigenen Urschlamm versinken zu lassen.
An welche Art Publikum sich ein Hybridwerk wie „Die lebenden Leichen des Dr. Mabuse“ überhaupt richten mag, ist daher gar nicht so einfach zu sagen, werden doch hier traditionelle und frische Zutaten zu einem konfusen Gebräu gepanscht, das bei falscher Dosierung reichlich Sodbrennen verursachen kann. Wenn sich Regisseur Gordon Hessler und Drehbuchautor Christopher Wicking tatsächlich so nah an die Romanvorlage gehalten haben, wie behauptet wird, dann muss Autor Stephen D. Frances unter dem Pseudonym Peter Saxon wohl einen ziemlich konfusen Horrorthriller mit ausschweifenden Handlungssträngen verzapft haben, bei dem man Schwierigkeiten hat, ein skurriles Szenario logisch mit dem nächsten zu verknüpfen. Da wird der eingangs genannte Jogger in einem Krankenhaus Bein auf Bein auf Arm auf Arm auseinandergenommen, da laufen anderswo merkwürdige Gestalten in Uniformen mit unübersehbaren Nazi-Parallelen umher, da saugt ein Sunnyboy in einem Sportwagen seine Begleiterin aus wie ein Daywalker. Kaum noch wundert man sich da über Vincent Price, der mit einer unvergleichlichen Unschuldsmiene durch sein Büro tigert und in Mysterien spricht, während die deutsche Synchronisation ihn wenig subtil in die Garde der Superkriminellen einsortiert, indem sie ihn „Dr. Mabuse“ ruft.
Natürlich werden all diese Fragmente schließlich in einen Kontext gebracht und zu einer großen Verschwörung umgedichtet, aber die ausgestreuten Einzelteile bleiben letztlich so abstrus, wie sie einem die ganze Zeit über schon erscheinen, denn von einer harmonischen Verknüpfung ist auch am Ende noch nicht zu sprechen. Die Agentenstoffe der 60er werfen ihre Schatten voraus, man meint Schwingungen von „Ipcress“, „Botschafter der Angst“ oder auch von der TV-Serie „Nummer 6“ zu empfangen, selbst Don Siegels SciFi-Thriller „Die Dämonischen“ schlummert als Anlage im erzählerischen Aufbau. Und nun denke man sich den Anspruch und den Realismus dieser Vorbilder weg, addiere die naive Logik der eher symbolisch zu verstehenden alten Horror-Schule hinzu und schon kann man sich wohl denken, welch krude Mischung hier angerührt wurde.
Auf das Trio Infernale zu hoffen, ist letztlich auch vergebene Liebesmüh, da Vincent Price im Grunde als Einziger so etwas wie eine vollwertige Nebenrolle ausfüllt. Gerade bei Peter Cushing kann man wohl kaum von mehr als einem Cameo sprechen. Christopher Lee darf sich zwar über zwei, drei Auftritte seinen Weg in Prices Zentrale bahnen, aber auch er bleibt im Grunde unsichtbar wie ein Geist, zumal er sein Programm wie eine emotionslose Kalksteinsäule abarbeitet. Man musste dann doch leider noch einmal ein weiteres Jahrzehnt warten, bis man tatsächlich von einer echten Zusammenkunft der drei Ikonen sprechen konnte.
Die Art von Schauwerten, nach denen das Zielpublikum üblicherweise giert, machen sich sogar fast noch rarer als die Herren Legenden; einmal wird an einer unbekleideten Dame in der Rolle einer Leiche herumseziert (aus recht keuscher Perspektive allerdings), eine abgenagte Hand baumelt in einer Handschelle an der Stoßstange eines Polizeiwagens und das soll es auch beinahe schon gewesen sein, der Rest geschieht im Off. Recht enttäuschend für einen Film, der immerhin auf seinem Poster mit einer durch Säure halb skelettierten Leiche für sich wirbt. Kompensiert werden diese Mängel mit einem erhöhten Anteil an Action-Einlagen in Form von Verfolgungsjagden, eine Rezeptur, die Amicus später in vermeintlich klassischen Horrorfilmen wie „Mondblut“ weiter verfolgen würde. Unterschlagen werden sollte allerdings nicht, dass gewisse Einfälle im Drehbuch sehr wohl manch suggestiven Schrecken zu erzeugen wissen. Das Schicksal des armen Joggers bedient ziemlich effektiv menschliche Urängste (Fox Mulder wird ein Liedchen davon singen können, wurde die Idee in fast identischer Umsetzung doch ein Vierteljahrhundert später in einer Akte-X-Episode wieder angewandt) und das auf bizarre Art einfach in die ländliche Normalität platzierte Säurebecken entpuppt sich als ein Nährboden der Imagination, was ebenso für die fast schon mechanische Neuinterpretation der Frankenstein-Thematik gilt.
Und tatsächlich verbinden sich diese Elemente am Ende zu einer SciFi-Horror-Vision, die durchaus Schauerpotenzial hat, wenngleich man ihren Zusammenbau nicht einmal ansatzweise als wasserdicht bezeichnen kann. Wären „Die lebenden Leichen des Dr. Mabuse“ so nachlässig vernäht wie die Handlungsstränge ihres zugehörigen Filmes, so könnten sie wohl kaum die Gesellschaft unterwandern, sondern wären ausschließlich damit beschäftigt, ihre abfallenden und wegrollenden Köpfe wieder einzusammeln. Ein bisschen altmodischer Horror hier, ein wenig Puls der Zeit dort, ein paar Einflüsse des modernen Thriller- und Polizeikinos und reichlich blühende Fantasie sorgen auf der Leinwand für eine Sammlung sich widersprechender Stimmungen, die sich nicht so recht zu einer harmonischen Einheit vermischen wollen. Das Ergebnis hanebüchen zu nennen, ist noch geschmeichelt. Und dennoch folgt man den Schnitzeln auf der Jagd zur großen Auflösung mit einer gewissen morbiden Faszination, so lange man nur nicht Höheres erwartet als Groschenroman-Niveau.