Auch wenn es mittlerweile en vogue ist, eine Neuverfilmung bereits bei ihrer Ankündigung als Sakrileg zu verteufeln - manchmal bedeutet eine Zäsur doch die Rettung einer zu Grabe getragenen Popkultur. Aufgrund allgemein bekannter Zeitumstände waren die Universal-Monster in den 40er und 50er Jahren zu bedauernswerten Pointengeber verkommen, die mit Komikern wie Abbott und Costello um die Wette ulkten. Mit dem Monster aus der Lagune konnte die von Carl Laemmle begründete Produktionsfirma 1954 zwar noch einen respektablen Horror-Schocker vom Stapel reißen, doch dieser Achtungserfolg konnte auch nichts mehr an der Tatsache ändern, dass das Genre in sich überholt war.
Und dennoch sahen die Hammer Studios die Zeichen der Zeit. Obwohl es der Technik längst möglich war, hatte es noch niemand gewagt, die Ikonen der Schauerliteratur bunt und in Farbe wüten zu lassen. Universal hatte den Rahm schon zu genüge abgeschöpft und überließ der britischen Filmschmiede nach und nach die Rechte an den Monstren. Aufgepeppt mit - für damalige Verhältnisse - expliziten Gewaltdarstellungen, einigen Freizügigkeiten und anderen Tabubrüchen ließen Dracula und Co. erneut die Kinokassen klingeln.
Frankenstein und der eben erwähnte Blutsauger waren die ersten, die Hammer auferstehen ließ. Vor allem "Horror of Dracula" (1958) war ein durchschlagender Erfolg, gelang es dem Studio doch - dank einiger künstlerischen Freiheiten - einer wohlbekannten, geradezu ausgelutschten Vorlage zur neuen Spannung zu verhelfen.
Ein todsicheres Patentrezept war aus der Taufe gehoben, 1959 beorderte Hammer das Dreigestirn Fisher, Cushing und Lee erneut in die Studios, um "Die Rache der Pharaonen" herunterzukurbeln. Denn auch wenn der Streifen einen gewissen Klassikerstatus inne halten mag - im Vergleich mit den zwei zuvor abgefilmten Remakes stinkt die Neuinterpretation der 1932er Mumie gewaltig ab.
Es beginnt schon mit der Exposition: Eine Expedition um den Archäologen Banning will das Grab einer ägyptischen Prinzessin vor einer sterilen Studiokulisse aushebeln. Die ersten Szenen in der Grabkammer, aufgeräumt und ausgeleuchtet wie eine Toys 'R' Us-Filiale, lassen keinen gepflegten Grusel zu, man kann heilfroh sein, dass die emsigen Ägyptologen binnen weniger Minuten zurück ins viktorianische Britannien reisen - schließlich ist das ein Setting, das Hammer-Filmen wesentlich besser zu Gesichte steht.
Ein fanatischer Gottesanbeter (der aufgrund seiner exotischen Herkunft ein perfektes Feindbild abgibt, ein Rassismusvorwurf an dieser Stelle ginge aber etwas zu weit) will hier den Grabschändern an die Gurgel, Unterstützung erhält er von einem Christopher Lee in Mumienmontur. Sein erster Auftritt ist in der Tat denkwürdig, auch wenn Spötter anmerken könnten, Lee sehe aus wie ein bekacktes Michelinmännchen mit Ernährungsmangel. Langsam erhebt sich der Untote aus dem nebeligen Moor - ein surrealer Gänsehautmoment, wie er sich im Laufe der restlichen Spielzeit nie wieder erleben lässt.
Lee wirkt unterbeschäftigt und schaut von nun an stets gequält aus der Wäsche bzw. hinter seinem Mullbindenvisier hervor. Mancher will in diesem Blick eine grandiose Schauspielerleistung ausmachen, schließlich erzählt der Film auch von einer unerfüllten Liebesgeschichte; dabei ist Cushing derjenige, der auch nur annähernd Höchstform in diesem Schauspiel erklimmt.
Die Mumie stakst hingegen unbeholfen durch die dunkle Botanik der britischen Provinz, ist aber im Ernstfall in der Lage, Türen einzutreten und gestandene Männer niederzuwürgen. Gegen derartigen Trash wäre an sich nichts einzuwenden, hätte man der wandelnden Klorolle etwas mehr Screen-Time gewährt. Stattdessen malträtiert uns das Drehbuch mit elend langen Szenen, in denen sich die handelnden Personen ein Ohr nach dem anderen abkauen. Wer sich daran erfreuen will, wie die potenziellen Opfer in epischer Breite die Existenz von lebenden Toten wahlweise anzweifeln oder bejahen, der darf gerne den Originalton bemühen. Immerhin kommt er dann in den Genuss von schön daher parliertem Oxford-Englisch.
Zwischendurch hat die Regie dann doch ein Erbarmen und erlöst uns von den statischen Dialogszenen. Mittels Rückblende dürfen wir bei der Mumifizierung Christopher Lees dabei sein; doch die ganze Zeremonie mutet eher wie die Ägypten-Mottowoche am Theodor-Heuss-Gedächtnisgymnasium an. Atmosphäre? Fehlanzeige. Selbst für eine Cleopatraverfilmung mit Liz Taylor wäre diese Eunuchenparade ein No-Go gewesen.
Dann doch lieber die stimmige Szenerie in der Moorlandschaft: Dort kehrt die Handlung zum grande finale zurück. Aber leider wartet hier das nächste und zum Glück letzte Ärgernis. Nachdem die Mumie schon mehrfach von Kugeln zersiebt wurde, ist sie nun unerklärlicherweise doch verwundbar. Ihr Ableben selbst ist zwar dann doch zumindest semi-spektakulär aufgefallen - den vielen Explosionsbeuteln am Mumien-Dress (durch die Lee am Set sogar verletzt wurde) sei gedankt. Aber letzten Endes genügt auch hier ein simpler Bauerntrick, um endlich den Abspann abfahren zu können.
Natürlich ist es ein Leichtes, einen nicht mehr zeitgemäßen Monsterschinken herunterzuputzen - zumal die Hammer Studios nicht gerade für großes Investment bekannt sind. Doch viel ärgerlicher als die vielen technischen und schauspielerischen Mängel ist eigentlich die Tatsache, dass "Die Rache der Pharaonen" ohne nennenswerte Zwischenfälle ihren Lauf nimmt. Der Plot ist überschaubar und somit nur leidlich spannend, kein Überraschungsmoment hellt das zähe Treiben auf. Auf ein perfides Katz-und-Maus-Spiel, dass das Publikum in "Horror of Dracula" bei Laune hielt, hat das Drehbuch gänzlich verzichtet, den einzigen Kniff (sofern er denn als solcher zu bezeichnen ist) nimmt Peter Cushing vorweg, indem er seine Angebetete vorab auf die frappierende Ähnlichkeit mit der ägyptischen Prinzessin hinweist.
Nun könnte man argumentieren, eine Mumie sei eben nicht so einfallsreich wie der verschlagene Fürst der Karpaten - allerdings hat man Lee einen ägyptischen Kompagnon mit feschem Fez zur Seite gestellt. In einer der wenigen gelungenen Dialogszenen wird dieser von Cushing zu einer schauspielerischen Glanzleistung gezwungen, das Potenzial wäre also da gewesen. So bleibt er aber nur der Araber vom Dienst.
Das Problem an "Die Rache der Pharaonen" ist einfach, dass man diesem Streifen anmerkt, dass er aus reiner Profitgier heraus auf Zelluloid gebannt wurde. Womit wir wieder bei den Gründen sind, warum Filmfreunde Neuverfilmungen im Allgemeinen argwöhnisch entgegen sehen... (4/10)