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"Das ist eine Frau. Sie wird niemals etwas wert sein."

Auf der volkstümlichen chinesischen Legende von Hua Mu Lan basierend, erzählt der Disneyfilm "Mulan" ein Emanzipationsabenteuer zur Zeit der Hunneneinfälle, die die chinesische Mauer überrannt haben.

Mulan ist eine eigenwillige junge Frau. Die ihr zugeordneten Rolle im mittelalterlichen China als zurückhaltende und konservative heiratsfähige Frau liegt ihr nicht. Dafür ist sie zu einfallsreich und zu wenig regelkonform.
Als der Hunnenführer Shan Yu mit seiner Armee in das Land einfällt, zieht der Kaiser aus jeder Familie einen Soldaten ein. Da in Mulan's Familie einzig ihr Vater Fa Zhou als männlicher Vertreter verfügbar ist, wird dieser trotz seiner Verletzung am Bein eingezogen. Mulan fürchtet, dass dies sein sicherer Tod ist. Daher verkleidet sie sich als Mann und meldet sich an seiner Stelle mit dem Namen Ping im Ausbildungslager. Ganz allein muss sie sich der fremden Umgangsweise unter Männern nicht stellen, denn ihre Urahnen schicken ihr den kleinen Drachen Mushu. Dieser weist allerdings wenig Erfahrung in Umgangsformen auf und lässt Mulan bei Ausbilder Shang zunächst schlecht aussehen.

Im Gegensatz zu den westlichen Schauplätzen vergangener Heldengeschichten hat sich Disney komplett neu orientiert, nicht nur stilistisch, sondern auch in angenehmen Maße bei inhaltlichen Belangen. Der Verzicht auf eine simple Liebesgeschichte als Rahmenhandlung, die die weiblichen Protagonisten vergangener Abenteuer stark reduzierte, gebiert ein spaßiges Konzept. Die Abwendung von der klischeehaften Motivation der weiblichen Hauptfigur, einen Mann im Leben zu finden, läßt eine ausgereiftere Charakterisierung von Mulan zu. Ein Aspekt, der den Film auch für Erwachsene spannend macht. Dabei hat Disney Wert auf eine äußerst unterhaltsame und überaus gagreiche Umsetzung gelegt.

Mit Mulan steht in einem Disneyfilm erstmals eine starke weibliche Figur im Mittelpunkt der Handlung. Trotz ihrer burschikosen Ader ist sie nicht unnahbar, sondern eine sympathische Identifikationsfigur. Obwohl sie zu Beginn der Geschichte gewillt ist, sich den Erwartungen ihrer Familie und ihres Umfelds zu beugen, zeigt sie die zentrale Botschaft des Trickfilms: Auch wenn man seine eigenen Charakterzüge nicht anderen anpasst, erschafft man Großes.

Neben der Protagonistin ist Mushu eine der wichtigsten Figuren. Er sorgt für den meisten Witz und dieser hat es wirklich in sich. Überwiegend durch flotten Wortwitz und Slapstick, aber auch so manchen Gag, bringt der kleine Drache das Publikum immer wieder zum lachen. Das Tempo und die hohe Anzahl an Humor machen einen Großteil des funktionierens von "Mulan" aus.

Der formelhaften Vorstellung vom Reich der Mitte bezüglich deren Kultur sollte man lieber nicht so viel Beachtung schenken. Diese ist nämlich nicht nur historisch falsch sondern auch zurechtgeglättet um die Handlung in die entsprechende Richtung zu drängen. Dazu zählt auch das obligatorische Happy End, das dann doch wieder den klassischen Disney-Charme mit allen Klischees enthält.

Neben der gewohnten technischen Perfektion besticht besonders die pastellene Farbauswahl mit ausgefeilten Details und der asiatisch angehauchte Zeichenstil. Die Hintergrundbilder sind an chinesische Malereien angelehnt und vorwiegend mit Wasserfarben gezeichnet. Zart und auf eine weichgezeichnete Art naturalistisch sorgen sie für eine schöne und stimmungsvolle Atmosphäre. Die sanften Farbverläufe bei Himmel, Bäumen und Landschaften sind ein wahrer Augenschmaus. Wettereffekte sind grandios gezeichnet und untermalen perfekt die spannenden Szenen.
Dank innovativer Nutzung der Möglichkeiten digitaler Animation sind auch Kampf- und Massenszenen eindrucksvoll umgesetzt. Die Figuren selbst hingegen sind mehr in altem chinesischen Zeichenstil gehalten, mit rundlichen Konturen und nicht allzu detailliert.

Abgerundet wird der Zeichentrickfilm durch einen sehr poppigen Soundtrack. Diese Art der Modernisierung zerstört zwar die altertümliche Atmosphäre, fördert aber das sehr aktuelle Thema.

Mit einem annähernd perfekten Wechsel zwischen anspruchsvoller Dramatik und entwaffnendem Humor ist "Mulan" ein Musterbeispiel an einfallsreicher Unterhaltung. Die teilweise rabiaten, aber immer zündenden Gags, machen unglaublichen Spaß, die Handlung ist stimmig, wenn auch etwas überladen und die Figuren sehr sympathisch. Audiovisuell liegt der Disneyfilm im Rahmen der zeitlich eingeschränkten Möglichkeiten.

9 / 10

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