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Regisseur Hans-Christian Schmid ist eine der wenigen schillernden Gestalten des jüngeren deutschen Films: Unverkrampft und lebensecht inszenierte er mit Filmen wie „23“ und „Crazy“ großes Kino made in Germany. Bei Letzterem konnte er zudem mit Robert Stadlober und Tom Schilling („Herz im Kopf“) zwei charismatische und sympathische Jungschauspieler aufbieten, welche ihre Rollen als melancholisches, halbseitig gelähmtes Sensibelchen und übermütiger Draufgänger wie aus dem Leben gegriffen spielen.

Zur Story: Benni (Stadlober) wird von seinen Eltern ins Internat Neuseelen bei Rosenheim gesteckt. Dort soll er sich endlich in Mathe verbessern und das Abi schaffen. Doch dort angekommen freundet er sich nach anfänglichen Schwierigkeiten mit Janosch (Schilling) und dessen Jungs-Clique an. Doch die Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Beide um die Gunst von Malen (Oona-Devi Liebich) buhlen…

„Crazy“ schildert die Probleme und Schwierigkeiten Heranwachsender so realistisch und unverkrampft wie selten in deutschen Filmen. Dabei spielt der Film auf der gesamten Klaviatur der Gefühle: von Melancholie, Wehmut und Trauer (Probleme in der Familie; Heimweh) über pubertäre Anflüge von Humor und Freundschaft (das mittlerweile legendäre „Kekswichsen“) bis hin zu Liebeslust (und –frust) ist alles dabei. Das wirkt keineswegs überladen, sondern wird von den Jungschauspielern realistisch und wie selbstverständlich regelrecht gelebt. Gerade durch einige dramatische Szenen (Troy spricht über sich und sein Leben) und seine wehmütige Melancholie gewinnt der Film an Tiefe und wirkt nie aufdringlich. Dass er sich dabei zwar zu großen Teilen, aber nicht gänzlich an die eher kurz geratene Romanvorlage von Benjamin Lebert – welcher über seine eigenen Erfahrungen als halbseitig Gelähmter am Internat schrieb – hielt, ist angesichts des intensiven und dramaturgisch ausgefeilten filmischen Ergebnisses zu vernachlässigen. In den Nebenrollen finden sich auch einige etablierte Namen: Julia Hummer („Die innere Sicherheit“) als enttäuschtes Partygirl und Karoline Herfurth („Mädchen, Mädchen!“, Teil 1 und 2). Während die jugendlichen Darsteller allesamt dem Leben entsprungen zu sein scheinen, bleiben dagegen die Erwachsenen etwas blass – wenn auch bemüht. Der Mathelehrer Herr Falkenstein wirkt jedoch allzu schulmeisterisch und gelegentlich wirkt die jugendliche Sprache in den Dialogen zu gestelzt, um authentisch zu wirken. Das sind aber schon die einzigen Schwachpunkte in diesem Ausnahmefilm.

Fazit: „Crazy“ ist einer der besten deutschen Jugend-Filmen der letzten Jahre, welcher realistisch, unaufdringlich und sensibel das Potrait eines behinderten Schülers zwischen Liebe, Enttäuschung und Freundschaft zeichnet. Tom Schilling und Robert Stadlober spielen ihre Rollen äußerst intensiv und der Film lässt durch seine großartig komponierten Bilder in kräftigen dunklen Farben sowie die ruhige Musik wehmütige Erinnerungen an die eigene Jugend aufkommen. Hans-Christian Schmid hielt sich in der intensiven Inszenierung dezent zurück und beweist, dass man auch ohne großes Budget große Filme drehen kann.

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