NUDE FEAR wurde schon vielerseits als "zweites SE7EN" angepriesen oder auch mit dem CAT III-Psycho-Thrill-Killer INTRUDER verglichen.
Was der Streifen wirklich herhält, kann von mir jetzt erklärt werden...
Zunächst die Story:
Die beginnt wirklich verdammt drastisch und dem entsprechend vielversprechend:
(ACHTUNG: leichte Spoiler!!!!)
Die kleine Joyce wartet vor der Vorschule auf ihre Mama. Sie wartet und wartet ... und die Mama kommt und kommt einfach nicht. Eine halbe Ewigkeit vergeht bis das Mädchen beschließ den Weg nach Hause alleine anzutreten. Dort angekommen fallen der Kleinen zwar die offene Haustür, die blutverschmierten Wände und die regungslos am Boden liegende Mama auf, dennoch aber hält das Mädchen alles nur für ein Spiel, setzt sich also einfach hin und fängt an ihre Hausaufgaben zu machen.
Doch Joyce muss erkennen, was dem Zuschauer schon auf den ersten Blick klar war: Ihre Mutter ist einem brutalen Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.
(leichet Spoiler Ende)
Drehen wir das Rad der Zeit 20 Jahre vorwärts: Joyce ist mittlerweile erwachsen und zu einer kühlen, abgeklärten und höchst engagierten Polizistin gereift.
Eines Tages wird Joyce zu einem Einsatz gerufen. Als sie den Tatort betritt, haut's ihr fast den Vogel raus: der Schauplatz und die Art und Weise, wie das Opfer getötet wurde, stimmen bis aufs i-Tüpfelchen mit den Zuständen beim Tod ihrer Mutter überein.
Joyce ist sich sicher, dass es sich um den selben Killer wie vor 20 Jahren handelt, welcher nie gefasst wurde, und setzt daher alles daran, diesen Mistkerl dingfest zu machen.
Zu spät stellt die in Recherchen vertiefte Joyce fest, dass der Killer mit ihr ein mörderisches Katz- und Mausspiel treibt....
Der Anfang ist, wie gesagt, sehr gut, sehr düster und wie der ganze Film sehr ernst, wobei tatsächlich auch "Sieben"-ähnliche Sicko-Stimmung aufkommt.
Auch das Katz- und Mausspiel des Killers ist gut inszeniert und spannend in Szene gesetzt. Hochspannung kommt zwar nicht gerade wie so oft behauptet auf, die nicht vorhersehbare Story, die den Zuschauer immer wieder ins kalte Wasser wirft, hält aber durchaus gut bei Laune.
Besonders die Figur des Killers wirkt sehr mysteriös und diabolisch. Dies gilt aber nur bis zu dem Zeitpunkt, an dem seine Identität ans Licht kommt, da man diesen Moment auch so ungefähr als den Dreh- und Angelpunkt des Films betrachten kann, an welchem sich ein wirklich guter Film in einen Haufen Dreck verwandelt.
Zum Härtegrad des Films: NUDE FEAR ist stellenweise zwar recht hart und blutig, gesplattert wird aber nicht. Die Gewalt ist nämlich nicht unbedingt visuell, sondern eher psychischer Natur. Der Film hat also durchaus diesen "Krass, ey!"-Effekt, ohne dass man allzu viel sieht.
Wer auf puren Gore aus ist, kuckt hier jedenfalls in die Röhre.
Nun aber zu den Mankos des Films:
1.) NUDE FEAR bietet leider nur sehr wenig Innovationen oder Noch-nie-da-gewesenes und spart auch tüchtig an herausragenden, im Gedächtnis bleibenden Sehenswürdigkeiten, was mich ohne weitere Umschweife direkt zu
2.) führt: das Finale, sprich: die Aufklärung über die Identität des Killers lässt leider sehr zu wünschen übrig und grenz fast schon an einen schlechten Witz. Der Showdown mit dem Küchenmesser kann zwar als einigermaßen gelungen betrachtet werden, allerdings fehlt auch diesem der gewisse Pepp.
3.) noch: NUDE FEAR hat leider keine sozialkritischen Momente wie SE7EN, welche die Welt und ihre Menschen als trostlose, hasserfüllte Jammertäler darstellen, und lässt auch die dazugehörige Depri-Stimmung gänzlich vermissen.
Die Pest über die Häuser derer, die damit angefangen haben NUDE FEAR als unbeschreiblich harten Sicko-Hammer zu betiteln und ihn mit SE7EN zu vergleichen, da NUDE FEAR diesem Vergleich und den damit verbundenen Leistungsdruck einfach kaum standhalten kann.
Insgesamt ist NUDE FEAR aber ein überaus sehenswerter Streifen, der, wenn auch nur kurzweilig, für Abwechslung auf der tristen Mattscheibe sorgen kann.
Puls, Blutdruck und Zucker dürften den ganzen Film hindurch zwar relativ konstant bleiben, auch hinterlässt das nicht ganz so tolle Finale einen etwas faden Nachgeschmack, der phänomenale Anfang reisst aber schon so einiges raus.
Bis zur ca. zur Mitte ist NUDE FEAR ein wirklich beeindruckender Film, ab dann flaut er aber gewaltig ab.
Mein Fazit dennoch: Netter Psycho-Thriller ohne übermäßig viel "Psycho" oder "Thrill", der aber für "westliche" Verhältnisse doch relativ hart ausfällt.
Die paar Kröten für die Leihgebühr wird man garantiert nicht bereuen...