Alle Achtung: Coffin Joe funktioniert auch in Farbe! Und zwar mal wirklich Geilomat und husch die Waldfee! Ich würde sogar so weit gehen und nicht nur behaupten, dass es Regisseur und Kultdarsteller José Mojica Marins zu seinem besten Film gebracht hat, dieses Meisterwerk kann es auch mühelos mit den Arthaus-Infernos von Alejandro Jodorowsky aufnehmen: "El Topo", "The Holy Mountain", "Hallucinations of a Deranged Mind" - hier hatte das psychedelisch wie spirituelle Avantgardekino mehrere ganz große Sternstunden! Ein Wunder, dass es bislang außer zwei Kurzkommmentaren noch kein Review zu diesem Knaller von 1978 gab..!
Wer einmal einen höchst unlustigen Blick in die Hölle werfen will oder einen fast schon perversen Albtraum erleben möchte, nach dem man besser nie wieder einschläft, der findet mit "Hallucinations..." sein absolutes Nonplusultra vor. Wie bereits schon beschreiben kann längst von keinem Spielfilm mehr im herkömmlichen Sinne die Rede sein. Viel eher gelingt Marins eine endlose Bildercollage, in der jede Einstellung ein Kunstschuss für sich ist. Grotesk, absurd, abstoßend, ekelhaft, faszinierend, brutal, unvergleichlich, ganz großes Kino - mit all diesen Begriffen lässt sich "Hallucinations..." perfekt verschlagworten.
Marins haut einem die psychedelischen Bilder um die Ohren als ob es kein Morgen mehr gibt. Eine neue Szene, eine neue böse Überraschung. Ein Film so unberrechenbar wie ein echter nächtlicher Albtraum. Man weiß nie, was als nächstes kommt, nur: Gut kann es garantiert nicht sein!
Eines gleich vorneweg: Menschen mit Spinnenphobie sollten einen großen Bogen um diesen Schocker machen - und zwar den möglichst Größten!! Was Marins auftischt, ist grenzwertig und kein Spaß mehr!!
Wer hingegen was aushalten kann, wird mit einem einzigartigen Bilderrausch belohnt, der unter anderen Folgendes bereit hält: Kannibalismus, Folter, Zombies, Beerdigungszeremonien, schwarze Messen, Totentanz, Live-Piercing, allerhand Gewürm, unappetitliche Fressorgien und selbst der Teufel darf sein Dreizack schwingen. Stets mitten drin: Coffin Joe persönlich, der kleine böse Mann mit dem schwarzen Hut in einem Film, mit dem Marins sich wohl sein endgültiges cineastisches Denkmal schuf.
Prinzipiell ist dieser Experimentalstreifen nichts für Zartbesaitete und die "easily offended". Seine Sogwirkung ist jedoch immens, seine Beachtung leider sträflich. Mir liegt fernab, diesen brachialen Kunstreißer als Augenschmauß zu bezeichen, viel eher ist er horizonteröffnend und somit ein echtes Erlebnis. Das pure Böse quillt aus allen Ritzen, was "Hallucinations..." zu einer Offensive für oder auch gegen den Zuschauer macht. Ein Meisterwerk, auf das man sich einlassen muss. Love it or leave it. Ich tue Ersteres.