Review

I wanna rip you up in a city that never sleeps...

„Wir mögen Korruption, Drogen und Brutalität – ich liebe diesen Moloch!“

14 Monate, nachdem man Slasher-Ikone Jason Voorhees im siebten Teil der „Freitag der 13.“-Reihe mit der telekinetisch begabten Tina konfrontierte und ihn von ihr in die Schranken weisen ließ, erschien die nächste Fortsetzung, für die man diesmal den beinahe gänzlich unerfahrenen US-Regisseur Rob Hedden („Flucht ohne Wiederkehr“) engagierte, der 1989 gerade einmal einen Kurzfilm und zwei Episoden der TV-Serie „Erben des Fluchs“ vorzuweisen hatte. Auch die beiden Schlitzer-Kollege Freddy Krueger und Michael Myers waren weiter in Serie gegangen, die „Sleepaway Camp“-Reihe bekam ihre erste Fortsetzung und „Chucky – Die Mörderpuppe“ erblickte das Licht der Zelluloid-Welt, ein gewisser Scott Spiegel debütierte mit – na klar! – einem Slasher, nämlich dem berüchtigten Einzelhandels-Overkill „Intruder“ alias „Bloodnight“. Das Subgenre war also weiterhin „alive and rippin‘“, als Jason erstmals komplett sein Backwood-Umfeld verlassen durfte, denn man schickte ihn in die Großstadt, genauer: nach New York.

In der Nacht, bevor eine Schulklasse mit dem Ausflugskreuzer „Lazarus“ vom Crystal Lake Richtung New York schippern und ihren Abschluss feiern will, befinden sich bereits Jim (Todd Caldecott, „Fear – Wenn Liebe Angst macht“) und seine Freundin Suzi (Tiffany Paulsen, „Die Braut die sie nicht traut“) auf dem schicksalhaften See, die auf einem kleinen Schiff eine Liebesnacht miteinander verbringen wollen. Jim erzählt seiner Lady die Geschichte von Jason und erschreckt sie mit einer Eishockey-Maske. Was sie nicht wissen: Ihr Anker hat eine Stromleitung gekappt und die Energie Jason aus seinem feuchten Grab am Grund des Sees befreit. So gelangt dieser an Bord, stattet sich dort mit Waffen und der Maske aus und entledigt sich der turtelnden Passagiere. Am nächsten Tag legt die Lazarus ohne die beiden ab, dafür befinden sich u.a. Problemmädchen Rennie (Jensen Daggett, „Opposite Sex - Der kleine Unterschied“), Nichte des Lehrers (Peter Mark Richman, „Die nackte Kanone 2½“), und Problemjunge Sean (Scott Reeves, „Das bucklige Schlitzohr“), Sohn des Kapitäns (Warren Munson, „Fürs Vaterland zu sterben“), an Bord – und bald auch Jason, der auf seine Weise mitfeiert...

„Es ist doch nur eine Legende!“

Manch Kritiker, Slasher-Muffel und Originalitätsfanatiker behauptet ja gern einmal, die „Freitag der 13.“-Reihe würde sich ständig wiederholen und innovativarm wie eine „Modern Talking“-CD sein, hätte erst mit dem diesem achten Teil mit seiner Abkehr vom Backwood-Sujet überhaupt den Willen zur Weiterentwicklung erkennen lassen. Doch stimmt das? Natürlich nicht, wagt man einen etwas genaueren Blick auf die einzelnen Beiträge: Nach dem genialen Whodunit?-Slasher um Pamela Voorhees, der den Grundstein legte, erwies es sich in Teil 2 als äußerst cleverer Schachzug, Jason höchstpersönlich auf die Hatz zu schicken, nachdem doch schon so viel über ihn geredet wurde. Zudem handelt es sich bei seinen ersten Auftritten als Mörder um die erste Fortsetzung eines Slashers überhaupt, einen Prototypen also. Der dritte Teil machte aus ihm schließlich die Genre-Ikone, die er noch heute ist, indem er ihm sein charakteristisches Äußeres verpasste – ein neues Classic Monster war geboren! Erstmals von Anfang in seinem nun kompletten Outfit trat Jason im vierten Teil auf, der noch eine weitere Besonderheit zu bieten hatte: Jason starb am Ende. Die Innovation des fünften Teils, nämlich einen „Freitag der 13.“ ganz ohne Jason zu präsentieren, ging zwar in die Hose, bedeutete aber auch eine radikale Änderung des Konzepts. Teil 6 machte aus unserem liebsten Muttersöhnchen einen waschechten und quasi unzerstörbaren Zombie und in Teil 7 sah er sich erstmals selbst übernatürlichen Kräften ausgesetzt, als die bereits eingangs erwähnte telekinetisch veranlagte Tina gegen ihn antrat – von Unwillen zu Neuerungen und Änderungen kann also keine Rede sein. Der bisher entscheidendste Schritt Richtung Neuland war aber zweifelsohne die Idee, dass Jason „mal rauskommt“ und er in urbanem Ambiente wüten darf.

„Wandelnde tote Körper sind niemals real!“

Um das Ganze halbwegs glaubwürdig und stimmig herzuleiten, findet sich Jason jedoch zunächst eben auf der Lazarus ein, nachdem der Film mit schönen Nachtaufnahmen New Yorks und einem Sprecher aus dem Off begann, während eine Mainstream-Rock-Nummer für ’80er-Jahre-Stimmung sorgte. Geradezu beiläufig wird ein Überfall in einer verqualmten Seitengasse gezeigt, der dazu beiträgt, New York als gefährlichen Moloch mit hoher Kriminalitätsrate zu charakterisieren. Man bekommt einen Imbiss zu sehen, eine U-Bahn, Drogenkonsum – und die über allem skeptisch thronende Freiheitsstatue, bevor es erst einmal wieder zum Crystal Lake geht, wo Jim und Suzie die ersten Todesopfer werden. Jims Schauergeschichte über Jason, mit der er seine Freundin verängstigt, wird zum Anlass für eine Rückblende genommen, in der man erstmals den jungen Jason beim Ertrinken zu Gesicht bekommt – überraschenderweise sah er ganz normal aus. Der große, untote Jason indes lässt seinem Sadismus freien Lauf, als er die beiden ungewöhnlich lange zappeln lässt. Soweit der Prolog, es folgt der Versuch einer groben Inhaltsübersicht (wie bis jetzt in fast all meinen Kritiken zur Reihe, insofern gilt auch hier höchste Spoilergefahr!):

„Die Schule ist aus!“

Auf der Lazarus gibt es schon vor Jasons Auftauchen Probleme: Streit mit dem Lehrer, Generationskonflikt zwischen dem Käpt’n und seinem Sohn Sean, der keine Lust hat, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und die problembehaftete Rennie, die wiederkehrende Visionen Jasons hat, sich vor Wasser fürchtet und ein unverarbeitetes Trauma mit sich herumzuschleppen scheint – eine Idee, die man aus dem vorausgegangenen Teil übernommen hat. Doch natürlich gibt es auch die üblichen Teenies, und diese machen Party, tanzen, spielen wie Metal-Braut J.J. (Saffron Henderson, „Die Fliege II“) E-Gitarre oder filmen alles Mögliche wie der angehende Kameramann Wayne (Martin Cummins, „Omen IV: Das Erwachen“). J.J. will den Klang ihrer Gitarre im Maschinenraum genießen, doch Jason platzt herein und beendet das Privatkonzert jäh. Ein paar Jungs frönen dem Boxsport und werden von zwei Mädels beobachtet, wollen koksen, während Rennie ihren Hund Tobi sucht. Auf sie hat es Koksmädel Tamara (Sharlene Martin, „Reine Glückssache“) abgesehen, weil Rennies Onkel, der Lehrer, in pädagogischem Eifer es wagte, sie auf ihre Versäumnisse anzusprechen. Nachdem Jason dem Verlierer des Boxkampfs in der Sauna eingeheizt hat, stößt die Kokserin die arme Rennie ins Wasser, wo sie sich vorstellt, dass der kleine Jason an ihrem Bein zerrt. Endlich kommt der obligatorische Mahner ins Spiel, diesmal Teil des Schiffspersonals: „Er ist zurückgekommen und er wird euch alle töten!“

Rennies Visionen werden derweil immer schlimmer; nun glaubt sie schon, der kleine Jason würde sie würgen. Tamara hat sich die Biologiearbeit, die der Lehrer ständig von ihr fordert und ihr deshalb mit Sanktionen droht, auf ihren Körper gemalt und versucht, ihn zu verführen, während Wayne alles heimlich mitschneidet, damit Tamara den Lehrer erpressen kann. Weshalb Wayne da überhaupt mitmacht? Ist doch klar, er ist scharf auf Tamara! Scharf ist auch die Spiegelscherbe, mit der Jason Tamara ersticht. Auch Kapitän und Co-Kapitän müssen dran glauben und als Sean die Toten entdeckt, gibt er Alarm, trommelt alle zusammen und übernimmt das Ruder bzw. Steuer. Jason ist nun hinter Tamaras Freundin her, die in den leeren Discoraum läuft und dort erwürgt wird. Wayne verliert seine Brille und erschießt aus Versehen einen Unschuldigen, erblickt Jason durch seine Kamera (sehr stilvoll!) und wird in die Elektronik geschleudert, wo er verbrennt. Einen der letzten, „Quotenneger“ Julius (Vincent Craig Dupree, „Martial Law“), holt Jason vom Fahnenmast und schleudert ihn über Bord. Inzwischen wird man wieder Zeuge der Auswirkungen von Jasons Aktivitäten auf das Wetter: Das genretypische Unwetter tobt, ein Blitz schlägt in den Schiffsmast ein. Rennie wird weiter von Visionen geplagt, doch plötzlich lugt der echte Jason durchs Bullauge, dem sie wehrhaft ins Auge sticht. Der dann eben doch gar nicht so paranoide Mahner erliegt einer Axt im Rücken. Schließlich können sich die verbliebenen Fünf sowie der aus dem Wasser lebendig wieder auftauchende Julius und sogar Hund Tobi aufs Rettungsboot, äh, retten und legen nach ziemlich genau einer Stunde Laufzeit des Films in New York an – Jason ebenso...

„Da ist ein Wahnsinniger, der uns alle töten will!“ – „Willkommen in New York!“

Bis hierhin bot „Freitag der 13. VIII – Todesfalle Manhattan“ vor allem eines: Action! Das Tempo ist hoch, ständig passiert etwas, der Film scheint bis zum Rand vollgepackt zu sein, denn: Wenn man so will, handelt es sich um zwei Filme in einem – Jason auf dem Schiff und Jason in Manhattan, beide mit eigener Handlung, eigenem Showdown und vielen Kills. Die Szenen auf der Lazarus wirkten arg komprimiert, was jedoch wiederum zum begrenzten Raum eines aus der Klassenkasse bezahlten Ausflugsdampfers passt. Auch in New York bleibt nicht viel Zeit zum Durchatmen, denn unsere Freunde (?) werden direkt Opfer eines Überfalls, Rennie gar entführt. Gangster Julio (oder so) spritzt ihr Drogen und will sie vergewaltigen, doch Jason erweist sich als Retter in der Not, durchbohrt in mit der Spritze und erwehrt sich auch des auf ihn schießenden weiteren Gangsters. Als Julius in einer Telefonzelle die Polizei rufen will, unterbricht Jason ihn. Julius liefert sich schließlich einen Boxkampf (!) gegen Jason bis zur Erschöpfung – Jason aber schlägt nur einmal zu und ihm damit die Rübe vom Kopf. Unter Drogeneinfluss stehend, trifft Rennie Sean wieder, Jason greift sich Polizisten, doch Rennie überfährt ihn mit dem Polizeiauto. Weiter erleidet sie ihre Jason-Visionen, diesmal sieht er auch darin wirklich übel aus. Ihr gespaltenes Verhältnis zu ihrem Onkel beleuchtet nun eine Rückblende, die sie als Kind mit ihm in einem Boot auf dem Crystal Lake zeigt. Pädagogisch fragwürdig wollte er ihr Schwimmen beibringen, indem er ihr Schauergeschichten von Jason erzählte und sie ins Wasser stieß – wo ihr jedoch der entstellte kleine Jason begegnete. Die Strafe folgt nun, x Jahre später, denn Jason stopft ihn in eine offen herumstehende Gifttonne nukleargrünen Inhalts (normaler New Yorker Hausmüll?). Als Rennie und Sean sich endlich näher kommen wollen, stört Jason wieder. Sie fliehen in die U-Bahn, doch Jason fährt mit, die Notbremse wird betätigt, Sean stößt Jason auf die Stromschiene. Nachdem man ihnen auch in einem Bistro nicht helfen kann, fliehen sie in die Kanalisation, wo sie auf einen Arbeiter treffen, der zu berichten weiß, dass der Abwasserkanal gleich geflutet würde. Jason erschlägt den Mann, was die Schatten und das spritzende Blut unschwer erkennen lassen. Schließlich bekommt Jason Säure ins Gesicht, was Anlass für die sich im Gegensatz zu Kollege Myers beispielsweise durch die Reihe ziehende Demaskierung ist, die wieder einmal geschickte Make-up-Arbeit offenbart. Die Überflutung reißt Jason schließlich mit, der unter Flammen im Wasser zerfällt und am Schluss noch einmal seine kindliche Form annimmt. Man schließt, wie man begann: Mit der hörenswerten Pop-Rock-Nummer „The Darkest Side of the Night“...

Wow, was für ein Trip! Kein Film der Reihe war bisher derart reich an Action und an positivem, buntem, comichaftem ’80er-Jahre-Kolorit, dazu gespickt mit wirklich einmal feinem Humor: Unvergessen die Momente, als Jason offenbar verwundert ein überlebensgroßes Abbild seiner Maske am Eishockey-Stadion erblickt oder er Hip-Hop-hörenden Jugendlichen den Ghettoblaster wegtritt und sie verscheucht, indem er kurz seine Maske hebt. Grob, aber wirksam wird ein New Yorker Klischee nach dem anderen abgespult, Kriminalität und Gleichgültigkeit, wohin man blickt, und mittendrin ein erneut vom bulligen Kane Hodder beeindruckend gespielter Jason, über den sich niemand groß zu wundern scheint. Einige Subgenre-Konventionen werden im wahrsten Sinne des Wortes über Bord geworfen, bei anderen jeweils eine Schippe draufgepackt: Koksen statt kiffen, den Lehrer verführen statt mit Gleichaltrigen bumsen usw. Zu all dem passt auch, dass erstmals Fred Mollin anstelle Harry Manfredinis für die musikalische Untermalung zuständig ist, der verstärkt auf Synthesizerklänge setzt. Dabei hat man nie die Wurzeln der Reihe außer Acht gelassen und immer wieder die klassische Mythologie um den als Kind ertrunkenen Jason eingewoben. Dass die durchaus originellen Tötungsszenen wieder einmal fürs R-Rating entschärft werden mussten, fällt hier weit weniger negativ ins Gewicht als im vorausgegangenen siebten Teil und in Sachen Spezialeffekte muss sich Jasons Stadtexkursion auch vor keinem anderen Film der Reihe verstecken. Auf der Strecke bleiben bei all dem Treiben allerdings der Oldschool-Gruselfaktor und natürlich die Camp-Atmosphäre, die hier logischerweise nicht mehr vorhanden ist. Ungeklärt ist auch, wie genau es Jason nun eigentlich unbemerkt nach New York schaffte und welche Verbindung der Waldsee Crystal Lake mit der Metropole aufweist. Bisweilen übertrieb man es auch mit den Vorstellungen von den Interessen ach so typischer ’80er-Jugendlicher, so dass Charaktere wie die E-Gitarre-spielende J.J. nicht nur fernab jeglicher Realität, sondern auch reichlich albern wirken – wenn auch auf eine irgendwie sympathische Weise, angesichts der nur wenig später eintretenden Hip-Hop- und Techno-Affinität missratener Jugendlicher. Der Showdown schließlich ist einfallsreich und unvorhersehbar, hat nichts mit typischen Slasher-Pointen gemein. Für konservative „Freitag der 13.“-Fans mag all das ein Ärgernis sein, für Freunde auf- und abgedrehten ’80er-Genre-Horrors, die mit „Critters“ und ähnlichen Schoten aufgewachsen sind, ist „Todesfalle Manhattan“ aber ein großer Spaß, der bestimmt nicht überragend, aber zweckdienlich geschauspielert wurde und in einer kleinen Nebenrolle sogar mit Ken Kirzinger, dem Jason-Darsteller aus dem späteren „Freddy vs. Jason“, aufwartet. Für ein Spielfilm-Regiedebüt verdammt ordentlich und es ist unverständlich, dass es Regisseur Heddens einziger Abstecher ins Genre bleiben sollte. Ein ’80s-Popcorn-Party-Horror-Slasher wie aus dem Bilderbuch, mit allen Stärken und Schwächen, die retrospektiv durch die Fanbrille betrachtet zu liebgewonnenem Stil und verklärt zurückgesehnter Ästhetik gereift sind. Ab nach Hause, Schultasche in die Ecke, Turnschuhe aus, Stirnband gerichtet, Anthrax-Platte aufgelegt, Cola mit Strohhalm und fettige Pizza organisiert und nach dem Ende der A-Seite aufs Sofa gefläzt, das Video reingeschoben und Zombie-Jason on the loose genossen – so muss es gewesen sein...

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