Hollywood und der Historienfilm, eine Paarung die, wie die letzten Jahre zeigten, nicht mehr zu funktionieren scheint. Ob „Troy“, „King Arthur“ oder auch jüngst „Kingdom of Heaven“, etwas Episches, Monumentales will sich aus den jeweiligen Stoffen nicht entwickeln und da macht Oliver Stone („Platoon“, „Any Given Sunday“) mit seinem ambitionierten Blick auf einen der größten Feldherrn unserer Geschichte leider keine Ausnahme. Das 175 Millionen Dollar teure Mammutprojekt gilt als der wohl größte Flop des Kinojahres 2004. Verdient hat er den daraus resultierenden schlechten Ruf aber nur zum Teil.
Denn Oliver Stone, der provokante Regisseur und politische Querdenker, beweist auch hier einmal mehr, dass er inszenatorisch nach wie vor zu den ganz Großen gehört. Die Ausstattung ist opulent, die Optik erlesen und die erschaffenen Welten, vor allem Babylon, teilweise atemberaubend. Oliver Stone, der Drehbuchautor, muss sich jedoch letztlich vorwerfen lassen zusammen mit seinen Co-Autoren Christopher Kyle („K-19: The Widowmaker“) und Laeta Kalogridis am Ziel vorbei geschossen zu haben. Vor lauter Besessenheit in Bezug auf Alexander, gibt es nämlich auch nur Alexander und kaum etwas, was über ihn hinausgeht.
In knapp 170 Minuten, also fast 3 Stunden, schildert Stone den Werdegang Alexanders von seiner Jugend, über seine Feldzüge gen Osten bis hin zu seinem Tod. Als Übermittler dient hier der den Film einrahmende, gealterte Ptolemy (Anthony Hopkins, „Dracula“, „Hannibal“), der die Taten Alexanders für Nachwelt festhalten will und so ausführlich berichtet. Im Grunde sind seine kurzen Auftritte jeweils überflüssige Lückenbüßer, die heroischer berichten, als die Bilder es eigentlich wiedergeben. Ein einfacher Begleitkommentar hätte es auch getan. Hätte Oliver Stone Ptolemy eingesetzt, um über die einzelnen Kapitel seines (Alexanders) Leben zu resümieren, sich kritisch zu äußern, wäre diese Figur weitaus sinnvoller gewesen. Doch eben diese Stellungsnahme seitens des Regisseurs bleibt aus. Nun könnte man zweifellos argumentieren, dass wir, das Publikum, uns eben selbst eine Meinung machen sollen, doch dafür muss uns Stone auch die nötigen Informationen liefern und genau das tut er eben nicht.
In wiefern „Alexander“ nun historisch auch wirklich korrekt ist, kann heutzutage natürlich keiner mehr sagen. Doch Stone, der ja nur zu gern Klartext redet, wird sich hier selbst untreu, in dem beispielsweise die im Vorfeld heiß diskutierte Homosexualität seiner Hauptfigur nur zaghaft andeutet und es dabei lässt. Nanu, seit wann haben wir den Angst zu provokativ zu sein?
Für den historisch Interessierten hält der Film immerhin einiges an Informationen parat. Aufgewachsen und schon früh zum Ödipus-Komplex von seiner Mutter Olympias (als sich ständig mit Schlangen umgebende Intrigantin etwas kitschig: Angelina Jolie, „Lara Croft: Tomb Raider“, „Mr. & Mrs. Smith“) erzogen, sieht sich Alexander schon als Kind dem Ringen nach Macht zwischen seinen Eltern ausgesetzt. Er schafft es sich dem Einfluss seiner Mutter immer wieder zu entziehen und lauscht den weisen Worten seines Vaters Philip (kaum zu erkennen, dafür aber ausnahmsweise mal gut schauspielernd: Val Kilmer, „The Saint“, „Mindhunters“), dem König von Makedonien, der ihn zwischenzeitlich als legitimen Nachfolger anerkennt, jedoch, ganz im Gegensatz zur machthungrigen Olympias, auffordert im Rahmen der Möglichkeiten zu herrschen und nicht zwanghaft in die Weltgeschichte eingehen zu wollen. Als Philip sich jedoch eine weiteres Weib zur Frau nimmt und sie schwängert, schreitet Olympias, freilich ohne das man es ihr nachweisen kann, ein und lässt Philip töten, damit ihr Sohn schnellstmöglich den Thron erben kann. Vormals Hin- und Hergerissen zwischen Mutter und Vater wird ihm die Entscheidung abgenommen, sich für eine Seite zu entscheiden. Nun endlich ein Herrscher glaubt er endlich die Vision, die ihn seit jungen Jahren in der Schule verfolgt, Wirklichkeit werden zu lassen: Die Welt erobern, ihr Ende zu finden und die Perser zu schlagen. Ganz so wie seine Vorbilder der griechischen Mythologie es einst taten und wie es seine Mutter forderte. Nur warum die beiden später so eine brüchige Beziehung pflegen bleibt weitestgehend unklar. Wohl weil sich ihre Ziele einfach zu sehr unterscheiden.
Von Eroberungszügen und Schlachten bekommt man allerdings sehr wenig mit. Genauer gesagt, gibt es gerade mal zwei Schlachten, die inszenatorisch, mal abgesehen vom die Stimmung zerstörenden Farbfiltereinsatz während des zweiten Kampfes, klasse umgesetzt worden sind, mit einem überraschend hohen Härtegrad aufwarten können und, auch dank des wummernden Vangelis Scores, mitreißendes, saubrutales Historien-Kino sind. Mir wurde ausnahmsweise nicht mal richtig schwindelig, da Stone die Kirche im Dorf lässt und hektische Bildmontagen verhältnismäßig sparsam einsetzt. Nur sind lediglich zwei größere Kämpfe etwas zu wenig, wenn man in drei Stunden das Leben des vielleicht größten Eroberers aller Zeiten erzählt, der die meisten Jahre auf dem Schlachtfeld verbracht hat.
Wie nicht anders zu erwarten treten etliche Längen auf, da Stone vor lauter Fokussierung Alexanders das Gesamtbild schon früh aus den Augen verliert und sich nicht einmal einen Rundblick auf das Ganze wagt, geschweige denn kohärent erzählt. Was derweil in seiner Heimat passiert, verrät nur Olympias in ein paar mageren Briefen, was in den eroberten Gebieten passiert, wird nie thematisiert. Dafür reibt sich „Alexander“ an nichtssagenden, wie einstudiert klingenden, kaum erinnerungswürdigen Dialogen und den Begleitern auf. Mal ehrlich, an wie viele bedeutungsschwangere Sätze und Figuren erinnerst du dich nach den 170 Minuten? Bei mir blieb da nicht viel hängen und das lag mit Sicherheit nicht an fehlender Aufmerksamkeit.
Alexander zieht von Sieg zu Sieg bis nach Indien, nur um seinen Kindheitstraum zu erfüllen. Das Problem eines fehlenden Nachkommen, seine unorthodoxe Frau, Verrat und wachsende Unruhe unter den Männern, die nach all den Jahren wieder nach Hause wollen, wird wenig packend wiedergegeben. Mit zunehmender Spieldauer, zweifelt man nicht nur am Verstand des Feldherrn, der für keinen guten oder gut gemeinten Ratschlag zugänglich scheint, sondern kapituliert auch vor Stones Inszenierung, die einem langsam aber sicher jeglichen Zugang verwehrt. Dabei waren seine Zeitsprünge der Dramaturgie schon alles andere als zuträglich.
Ich persönlich hasse es, wenn Filme auf die Psycho-Schiene abdriften, denn ähnlich wie Ridley Scott in der zweiten Hälfte in „1492: Conquest of Paradise“, greift der Irrsinn um sich. Die Titelfigur denkt nicht mehr klar, handelt wirr und zieht nur noch weiter, bricht sein Unterfangen dann letztlich perspektivlos ab, um einen Großteil seiner längst demoralisierten Männer ins Verderben zu schicken, da er eine Abkürzung durch die Wüste wählt. Die weitaus interessanten Aspekte, nämlich Alexanders Art mit den Besiegten umzugehen, sie, lediglich unter seiner Herrschaft, zu respektieren und ihr Leben weiterleben zu lassen, werden, genau wie sein erwartungsgemäßes Scheitern im Vorfeld hingegen nur kurz angerissen.
Von Alexander dem klugen Taktiker und dem gewitzten Strategen ist nie etwas zu sehen. Oliver Stone belässt es bei ein paar der üblichen Anstachelungspredigten vor dem Kampf. Dem hier sichtlich überforderten Collin Farrell („Tigerland“, „S.W.A.T.“) passen jedoch auch nie die zu großen Stiefel seiner Figur. Charisma und Führungsqualitäten gepaart mit unbändigem Willen vermag Farrell hier nur selten, beispielsweise blutbesudelt und voll überkochendem Adrenalin, nach der ersten Schlacht, zu präsentieren. Fast schon zu Ehrfurcht erstarrend, liefert er eine blamable Leistung ab. Anstatt mitzureißen und anzuspornen, ja einen stolzen und ausstrahlungsstarken und im übrigen auch nie sesshaften Heerführer zu geben, der Tausende von Soldaten unter seinem Banner vereint, reicht es hier nur zu einem weibischen, verstörten Blondie mit kindheitsbedingten, psychologischen Knacks, den normalerweise keine Armee als Befehlshaber akzeptieren würde. Der Mann soll fast die gesamte, damals uns bekannte Welt erobert haben? Niemals!
Fazit:
Obwohl beeindruckend ausgestattet und, wie von Oliver Stone nicht anders zu erwarten war, kompetent inszeniert, enttäuscht „Alexander“ weitestgehend. Die Schlachten entsprechen den Vorstellungen, nur leider versagt das Skript nahezu auf ganzer Linie. Bei seiner Portraitierung des Feldherrn verlieren die Nebenfiguren und das Gesamtbild an Bedeutung. Auch dank der schwachen, oft zu pathetischen und trägen Dialoge verkommt das Mammutprojekt zeitweise zu einer langatmigen Tortur. Ab und an weitestgehend interessant, meistens jedoch scheiternd, reiht sich „Alexander“ mit mühelos in die Riege der aktuellen, stets enttäuschenden Historienfilme ein.