Review

Oliver Stones Historienepos Alexander ist einer der wenigen filmischen Fälle bei denen ich die Meinung des Restes der Welt absolut nicht verstehen kann. Warum der Film beim Publikum durchfiel kann ich mir ja noch halbwegs zusammenreimen, aber warum ihn die Kritiken zerrissen wird mir wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Um das Urteil vornweg zu nehmen, man ahnt es bereits, Alexander ist nämlich ein großartiger Film.

Stückwerk wurde Stone aufgrund der riesigen Zeitsprünge, welche auch Schlüsselszenen aus Alexanders Leben überspringen vorgeworfen, hier handelt es sich wohl eher um ein generelles Verständnisproblem, denn der Film versteht sich eher als Portrait, weniger als Biographie. Für die Portraitierung von Alexander dem Grossen ist es gar nicht notwendig seinen Lebensweg Ereignis für Ereignis auf Cellolid zu bannen. Der Film zeigt mehr was die historische Figur Alexander war, was sie antrieb und wie sie handelte. Wie der mazedonische Jüngling zur Legende geworden ist bleibt relativ unbeleuchtet. Hier wollte man wohl nicht allzu viel Spekulation in die Geschichte bringen, Erzähler Anthony Hopkins gibt ja gleich zu Beginn offen zu, nicht allwissend zu sein, ebenso wie er zugibt das der Alexander aus seiner Erzählung nicht wirklich existierte und er im Nachhinein idealisiert und zur Legende hochstilisiert wurde. Andere historische Unkorrektheiten, hauptsächlich in Verbindung mit Alexanders Tod sind zudem geschichtlich immer noch sehr umstritten, Stone entschied sich hier sicherlich für die interessanteste Variante.

Im Vorfeld wurde viel über die scheinbare Fehlbesetzung von Colin Farrell in der Hauptrolle diskutiert, der Film zeigt aber das Oliver Stone hier ein glückliches Händchen bei der Darstellerwahl an den Tag legte. Klar, ob es optisch besser passende Darsteller gegeben hätte, mag sein, aber Farrel hat die nötige Ausstrahlung um den Sohn des Zeus, der an seiner Menschlichkeit scheitert und verzweifelt glaubhaft darzustellen. Nur wenn wir ihn zum ersten mal als sechzehnjährigen sehen, kauft man ihm das allein vom Alter her nicht ab, jedoch springt der Film dann recht flott acht Jahre weiter und Colin Farrell liefert keinen Ansatzpunkt mehr für Kritik an seiner Leistung. Alexander ist kein antiker Superheld sondern, wie gesagt, Visionär und Zweifler zugleich. Wenn er den von seinen Truppen verlassenen Perserkönig Darius findet und beginnt zu begreifen, dass dies auch sein Schicksal sein wird beginnt eine fesselnde Vorstellung. Je weiter Alexander gen Osten zieht umso verzweifelter reagiert er aufgrund des Unverständnisses seiner Weggefährten. Farrell bringt dies hervorragend auf die Leinwand. Auch die anderen Darsteller sind spitze, allen voran Val Kilmer als König Philip. Angelina Jolie sieht zwar etwas zu jung aus für Alexanders Mutter, spielt aber auch sehr überzeugend. Anthony Hopkins hat nicht viel zu tun als Märchenonkel, aber besser er als irgendjemand anderes, es steht ja nirgendwo geschrieben, das er nur in den anspruchvollsten und dramatischsten Rollen eingesetzt werden darf.

Trotz Alexanders kriegerischer Karriere spart der Film actiontechnisch, zwei furiose Schlachten sind es aber dennoch geworden und obwohl diese im Verhältnis zum Rest relativ kurz ausgefallen sind bleiben sie lange in Erinnerung. Wären die Schlachten länger könnten sie langweilig werden, gebe es mehr davon würden sie dem Film nicht weiter bringen. So konzentriert man sich auf Alexanders größten militärischen Erfolg gegen die Perser in Galgamela und dem Wendepunkt seines Feldzuges zur Einung der Welt in Indien. Ohne die Schlachten in den Herr der Ringe Filmen oder Troja abwerten zu wollen, hat sich Oliver Stone hier besondere Mühe mit dem Realismus gegeben. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Einheiten, die Formationen oder die Entfernungen auf dem Schlachtfeld, alles fühlt sich hier authentisch an. Hier klatschen nicht nur Unmengen computergenerierter Statisten aufeinander, nein in Galgamela führt Alexanders überlegene Taktik zum Sieg und dies kommt gut zur Geltung. Ja, das Ganze ist in der staubigen Wüste arg unübersichtlich, es scheint nur einen Mann zu geben der in diesem Chaos den Überblick behält, aber dem Zuschauer wird hier fairer weise durch kurze Texteinblendungen, die besagen wo wir uns im Augenblick genau befinden, geholfen sich zu orientieren. Stones patentierte Holzhammerinszenierung macht das ganze äußerst einprägsam, Bild und Ton passen perfekt zusammen und lassen die knapp drei Stunden wie im Fluge vergehen. Stone weis wie man auch Dialoge fesselnd genug inszeniert um das Interesse des Zuschauers zu halten. Nur hier scheint ein generelles Desinteresse der Massen am gebotenen Gehalt und Inhalt des Films dafür gesorgt zu haben, dass er trotz Stones routinierter Finessen als langweilig empfunden wurde. Wenn man sich allerdings auf Alexander einlässt sollte das wurde Langeweile nie auf nur annähernd ins Gedächtnis springen bis der Abspann durchgelaufen ist.

Wir erleben Alexander als heranwachsenden Jüngling zwischen den Fronten seiner verfeindeten Eltern, Alexander den genialen Feldherrn im Feldzug gegen die Perser, Alexander den Visionär mit seinem Traum die Welt zu vereinen und wir erleben das Scheitern dieser Vision inklusive einer recht möglichen und im Rahmen des Films sehr passenden Version seines Ablebens. Man hat trotz der riesigen Zeitsprünge nie das Gefühl, dass etwas wesentliches Fehlen würde. Somit würde ich was Oliver Stone betrifft sagen, Mission erfüllt. Das man sich jetzt an dieser Struktur aufziehen kann ist mir klar, aber wozu, der Film funktioniert hervorragend. Dass man Stone feige nennt, weil er keine schwule Liebesszene zwischen Jared Leto und Colin Farrell eingebaut hat, kann man verstehen. Aber der Film hat das nicht unbedingt nötig, man weis um die Bisexualität der Hauptperson, ob das nun explizit dargestellt wird oder nicht, ändert am filmischen Ergebnis überhaupt nichts.

Fazit: Alexander reiht sich nahtlos in die Filmographie von Oliver Stone ein, kontrovers sicherlich, überlang möglicherweise, perfekt inszeniert ohne jeden Zweifel, sehenswert auf alle Fälle. Der Film konzentriert sich größtenteils auf die Vision welche Alexander antrieb, was das ganze sehr interessant macht. Die ungeheuer kraftvolle Inszenierung und die hervorragenden darstellerischen Leistungen fesseln von der ersten bis zur letzten Sekunde. Also gebt dem Film eine Chance Alexander schlägt oberflächliche Materialschlachten wie Troja um längen und ist für sich genommen ein großartiger und beeindruckender Film. Fast schon ironisch, dass dem Film dasselbe Schicksal widerfährt, wie seinem Protagonisten, zu Lebzeiten unverstanden zu bleiben.

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