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Nachdem die Wiederbelebung des Genres des Historienfilms mit Wolfgang Petersens „Troja“ eher enttäuschend verlaufen ist, konnte man einige Hoffnung auf „Alexander“ von Oliver Stone setzen. Aber nachdem die ersten Kritiker den Film zerrissen hatten, wendeten sich auch die Zuschauer ab. Bisher hat der Film in den USA 34 Mio. Dollar eingespielt, was bei geschätzten Produktionskosten von ca. 150 Mio. Dollar als vernichtende Niederlage von „Alexander“ zu werten ist. Und auch von den Internet-Seiten, die sich mit den Favoriten der kommenden Oscarverleihung beschäftigen, ist der Film, zumindest was die Hauptkategorien angeht, spurlos verschwunden. Bleibt die Frage: Ist „Alexander“ wirklich so schlecht?

Meine Antwort ist: Nein, das ist er nicht!

Es ist immerhin ein gewaltiges Projekt, das sich Oliver Stone da aufgehalst hat: Er musste das Leben des größten Eroberers der Geschichte nur anhand von Überlieferungen rekonstruieren. Und zumindest, was den historischen Ablauf der Ereignisse angeht, scheint ihm das nach Meiner Meinung recht gut gelungen zu sein.

Um sich spätere Anfeindungen wegen zu vielen historischen Freiheiten zu ersparen, hat Stone sich eines einfachen wie genialen Kniffs bedient: Er lässt die Geschichte einfach von einem Weggefährten Alexanders, von Ptolemaeus, erzählen, und das auch noch 40 Jahre nach Alexanders Tod. Und Ptolemaeus sagt dann auch, dass er selbst sich nicht mal mehr so genau an Alexanders Geschichte erinnern kann.

Aber der Anspruch Stones, die Abläufe richtig wiederzugeben geht immerhin so weit, dass er historisch belegte zeitliche Abläufe nicht zu Gunsten der Dramaturgie herunterkürzt (wie das z. B. in Troja geschehen ist, als die zehnjährige Belagerung Trojas in ein paar Tage gequetscht wurde).

Wir erfahren also vom Leben Alexanders aus der subjektiven Sicht von Ptolemaeus. Seine Erzählungen beginnen in dessen Kindheit. Die philosophische und körperliche Ausbildung des Jungen wird geschildert und auch auf die zerstrittenen Eltern Olympia und König Phillip wird eingegangen. Dabei wird durchaus verständlich und interessant auch der politische Kampf um die Nachfolge von König Phillip erläutert.

In einer sehr gelungenen Szene erläutert der König seinem Sohn anhand von Höhlenmalereien die Legenden früherer Helden und geht dabei auch auf Achilles ein, den Helden des Trojanischen Krieges. Er entzündet damit das Feuer, das Alexander später zu immer weiteren Eroberungszügen treiben wird.

In einem Zeitsprung von acht Jahren gelangen wir zu dem bereits erwachsenen Alexander, der aufgrund der Ermordung seines Vaters zum König ausgerufen wird.
Hier fragt man sich, warum die Umstände, wie es zu der Ermordung von Phillip kam, ausgespart werden. Der Film springt allerdings gegen Ende noch einmal - ziemlich unmotiviert - in die Vergangenheit zurück und zeigt dann das erfolgreiche Attentat auf den Vater.
Das ist außer der Rückblende, in der der gesamte Film erzählt wird, auch das einzige Mal, in der die chronologische Schilderung von Alexanders Leben aufgebrochen wird, wie gesagt, ohne ersichtlichen Grund.

Nachdem Alexander König ist, will er kriegerische Auseinandersetzungen beenden, aber auch neue Gebiete erobern und unter seine Herrschaft stellen. Seinen Eroberungszug beginnt er in Persien. Die Schlacht der Makedonier unter der Führung von Alexander gegen das zahlenmäßig weit überlegene Heer des Perserkönigs ist dann auch, von Angelina Jolie als Königin Olympia mal abgesehen, nach ca. 40 min der erste echte Hingucker des Films. Wir sehen die Schlacht in der Wüste wird in opulenten Bildern, mit großen Kameraschwenks und schnellen Schnitten.
Oliver Stone hat sich bei der Inszenierung des Films zwar an die klassische Dramaturgie des Historienfilms gehalten, d. h. lange, zuweilen pathetische Dialoge wechseln sich mit Schlachtsequenzen ab, aber die schnellen Schnitte im Schlachtgetümmel mussten dann wohl offenbar doch sein. Diese Schnitte haben den Nachteil, dass man das im staubigen Wüstensand ohnehin kaum wahrnehmbare Kampfgeschehen erst recht nicht verfolgen kann. Schade!

Als sich der Perserkönig in der Schlacht nicht stellt und mit ihm kämpft, sondern flieht, hat Colin Farrell in der Rolle des Alexander seinen stärksten Moment: Mit blutbefleckten Zähnen und vor Wut verzerrter Fratze schreit der dem Perserkönig hinterher. Hier wird zum ersten Mal – bei aller Freundlichkeit, die er seinen besiegten Feinden entgegenbrachte - die Besessenheit deutlich, mit der Alexander seine Eroberungszüge betrieb.

Als Alexander den geflohenen Perserkönig findet, ist der bereits tot. So zieht er dann in Babylon ein, ein Babylon, das es so sicher noch nicht auf der Leinwand gegeben hat. Diese Bilder sind auf der einen Seite zwar beeindruckend, aber ich kann mir auf der anderen Seite nicht denken, dass diese Kulissen auch nur im Ansatz realistisch sind. Dieses Babylon könnte auch eine Stadt aus einem Science Fiction Film sein. Hier sind die Ausstatter für meine Begriffe etwas über das Ziel hinausgeschossen. Auch was die Kostüme und die Ausstattung angeht, kann ich mir nicht denken, dass diesen Prunk damals schon so gegeben hat.

Nach dem Zwischenstopp in Babylon und seiner Heirat mit einer Einheimischen, deren Figur leider komplett verschenkt wurde, treibt es Alexander über leider nur kurz genannte Gebiete bis nach Indien.
Ich hätte mir in diesem Zusammenhang gewünscht, die Wege von Alexander genauer zu erfahren, auch um die Leistung dieses Mannes, die eigentlich unfassbar ist, besser würdigen zu können.

Die Krieger Alexanders folgen ihm mit immer mehr Widerwillen, große Teile seiner Armee wollen wieder nach Hause, aber Alexander treibt es weiter um.
Und er kann er seine Männer in Indien dann doch noch in die zweite große Schlacht des Films führen, für die Stone zwar die interessanteren Bilder findet (die Konfrontationen mit den Kampfelefanten drücken einen echt in den Sitz), die aber gegen einen nicht weiter spezifizierten Feind geschlagen wird. Man weiß nicht gegen wen er kämpft und man weiß auch nicht recht warum.
Mit dem steigenden Widerwillen seiner Krieger und dem fast beliebigen Feind will Stone vielleicht zeigen, dass Alexander im Laufe seiner Eroberungen den Blick für seine Männer und seine eigentlichen Ziele aus den Augen verloren hat.

Das Ende Alexanders kommt nach dieser ebenso gewonnenen Schlacht sehr plötzlich: Wieder nach Babylon zurückgekehrt stirbt er kurz nach dem Tod von Hephastios, zu dem er, sehr zum Ärger seiner Frau, eine homoerotische Beziehung hatte, die aber – ganz hollywoodkonform – nur angedeutet wird.

Der Tod von Alexander hat mich seltsam kalt gelassen, ich dachte nur, okay, jetzt ist der Film dann wohl bald rum. Weder Stone noch Farrell schaffen es, den Zuschauer am Schicksal von Alexander teilhaben zu lassen.
Die Inszenierung des Films ist generell eher distanziert. Stone hat sich wohl mehr als Beobachter gesehen und nicht als emotionaler Erzähler.

Farrell ist in der Rolle auch irgendwie zu glatt, kann Alexander nur selten wirklich Konturen geben.
Auch die Besetzung von Angelina Jolie als Mutter von Alexander ist zumindest interessant, denn altersmäßig trennen beide nur ein Jahr. Aber Jolie ist für mich schon der richtige Typ für diese Rolle und sie hat auch das schauspielerische Potenzial, diese einerseits verführerische, andererseits machthungrige, gerissene Frau darzustellen.
Die größte Überraschung des Films ist für mich Val Kilmer, den ich mir vorher kaum in der Rolle des versoffenen, prolligen Kriegers vorstellen konnte, hat er sich doch in vielen seiner Rollen vor allem durch Lustlosigkeit ausgezeichnet. Allerdings ist seine Rolle auch eher dankbar.
Anthony Hopkins, hoffentlich unter einer Maske, adelt den Film allein durch seine Gegenwart und gibt routiniert den Pharao und Erzähler.

Oliver Stone hat sich an das Projekt „Alexander“ gewagt und er ist nicht gescheitert.
Schon in einigen seiner früheren Filme hat er anderen historischen Personen aus der Moderne ein filmisches Denkmal gesetzt, so z. B. Nixon und J. F. K., und hat sich dabei nie gesehener, eben moderner Montagetechniken bedient.
Alexander ist aber eine Figur der Antike und Stone hat versucht, sich den dramaturgischen Konventionen, die für solche Historien-Epen offenbar Gültigkeit haben, zum Teil anzupassen, aber eben nur zum Teil.
Und so ist „Alexander“ auch nur zum Teil ein Oliver Stone-Film geworden. Und das ist schlecht, wenn der Regisseur Oliver Stone heißt.
6/10

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