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Ui, was ist denn das? Oliver Stone begibt sich in den Monumentalfilm?! Ein seltsamer Regisseur. Seine Filme sind nie wirklich schlecht, aber auch nie wirklich gut. Seine Prädisposition, Politisches direkt oder indirekt, gefiltert durch Geschichte oder Biographie darzustellen, ist interessant, doch gleichzeitig auch naiv. So ist es wirklich schwer, eine Einstellung zu seinem Werk zu finden.
In dieser Hinsicht ist "Alexander" eigentlich sehr prototypisch. Die griechische bzw. eigentlich makedonische Geschichte des Eroberers, wie immer mehr oder weniger historisch akkurat dargestellt, wird hier so gnadenlos als Interpretation des neuen Verhältnisses der USA zur restlichen Welt eingesetzt, daß man keine Filmkritik schreiben kann, ohne diesen Bezug mitzudenken.
Erzählt wird sie, zum Teil im Voiceover, von einem von Alexanders Satrapen, der als Pharao Ägypten regiert und im Film von Anthony Hopkins gekonnt dargestellt wird. Der vermutlich uneheliche Sohn von Philippos, Herrscher von Makedonien, und seiner Frau Olympias, wird gleich, wie es damals üblich war, in ein Ränkespiel erster Kajüte hineingeboren. Olympias will ihn, den militärisch erzogenen Jungen, zum Nachfolger ihres brutalen und ungebildeten Mannes machen, doch der hat sich einfach zwischendurch eine zweite Frau genommen und einen Thronfolger gezeugt. Langes Hin und Her, Olympias schafft den verhaßten Ehemann mithilfe Verschwörung aus dem Weg, der potentielle Usurpator aus der zweiten Frau ist noch zu jung und Alexander wird Obermotz. Allein schon in diesem ersten Teil des viel zu langen Schinkens erstehen krachende Klischees: Olympias könnte Norman Bates Mutter gewesen sein, hält Duzende von Schlangen in ihrer Kemenate, der Vater ist ein bacchantischer Rüpel und Alex zwischen beiden hin- und hergerissen. Die Legende will es, daß Alexander blond und blauäugig gewesen sein soll, in der geographischen Breite seines Volkes eher ungewöhnlich, daher auch die Vermutung der Unehelichkeit, die in der griechischen Kultur bei hohen Tieren mit der Vaterschaft des Olymp-Chefs Zeus schöngeredet wurde, Alexander aber auch ganz modern "zufällig" zum idealen US-Schwiegersohn macht..
Als offenbar unbewußter Empfänger der elterlichen Machtbestrebungen (Philippos will sich Persien einnähen, Olympias überhaupt alles) haut der Lexl also in der Folge auf den bekannten Putz, daß die Sandalen rauchen. Hier muß angemerkt werden, daß der Film erstaunlich dialoglastig ausgefallen ist, was eine zweischneidige Sache ist. Auf der positiven Seite steht, daß dadurch die wenigen Kampfszenen entsprechend besser wirken - und diese sind bemerkenswert gut und äußerst blutig ausgefallen, immerhin hatten die Perser als Hochkultur ziemlich gemeines Kriegsgerät - auf der anderen das grundsätzliche Historieneposproblem der Schauspieler: man braucht "Stars", um die hohen Special Effects Kosten abzusichern, doch die sind in den wenigsten Fällen gute Schauspieler, Dialoge bedürfen aber solcher und da tut sich dann eine Zange auf, die wehtun kann. Gut, im gegebenen Fall ist sie nicht wirklich unerträglich. Die Leistungen liegen zwischen "routiniert mit Tendenz nach oben" (Hopkins bspw.) und "Angelina Jolie", die nicht nur übel aussieht, sondern sich offenbar nur auf der Suche nach Koks in Hollywood verirrt hat. So eine jenseitige Performance habe ich trotz "The Passion of the Christ" und "Exorcist" The Beginning? in diesem Jahr noch nicht gesehen. Die Nebenrollen tun aber ihr Bestes, sodaß man, gut Jiddisch, von einem großen "Mazel" für den Film sprechen muß.
Die erste größere CGI-Szene ist dann die Schlacht gegen die Perser, die, wie gesagt, sehr gelungen und mitreißend inszeniert worden ist. Man sieht die Schlachtlinien aus der Vogelperspektive und natürlich auch hand-to-hand combat, doch die Kamera ist zurückhaltend und verursacht keine Aushebelung des Gleichgewichtssinns beim Zuseher, etwas, im übrigen, daß ich Jackson's "Herrn der Ringe" nicht verzeihe - ich bin eben schon über 30, daß isses nicht mehr so mit Achterbahn!
In weiterer Folge gibt es noch dann noch eine größere Schlachtszene, als Alexander endlich im Traumziel Indien angekommen ist und gegen irgendeinen Maharadscha, der eine Elefanterie hat, geradestehen muß. Hier sind die beeindruckendsten Szenen des Films zu finden, denn die Begegnung von Alexander Pferd mit einem Elefanten in Kriegsornat, wobei beide auf den Hinterbeinen stehen, ist nicht computergeneriert, sondern echt. Dazu muß man aber wissen, daß Pferde, wenn sie Elefanten sehen, meist von der ihnen folgenden Staubwolke nicht mehr zu unterscheiden sind - in der anderen Richtung, wohlgemerkt. Ein Hoch den tierischen Stuntprofis! Das Pferd Alexanders ist übrigens ein Friese und wenn dieses Volk auch ein seefahrendes ist, so mag es doch eher unwahrscheinlich sein, daß sich dieser Stamm ins antike Griechenland verirrt hätte. Andererseits findet man sonst kaum so photogene schwarze Pferde mit Fellpuscheln um die Hufe und lockigen Mähnen, die noch dazu Kaltblüter sind und somit gut in hektischen Situationen einsetzbar. In dieser Schlacht wird Alexander verwundet und wird nicht mehr richtig genesen.
Inzwischen sind seine Gefolgsleute schon sehr genervt, denn es zieht sie in die Heimat, doch von dieser will ihr Herr noch nichts wissen und es gibt Meuterei. Zuguterletzt, erschöpft von seiner Wunde und die Sinnlosigkeit einsehend, mit einem so gespaltenen und reduzierten Heer weiterzuziehen, kündigt er die Rückkehr an, doch auch in dieser scheint er das Maß nicht zu finden und reitet mit deinen Mannen durch eine Wüste, die fast dem Rest das Leben kostet. Stone versucht auch, aus welchen Gründen immer, den Mythos auszuräumen, Alexander wäre in den Sümpfen Asiens am Fieber verstorben (was so unspektakulär klingt, daß es eigentlich auch wahr sein könnte), stattdessen spielt er eine Verschwörung ein und den Tod seines besten Freundes Hephaistion (der ein Fieber hatte), beides angedeutet, also zur freien Wahl des Zuschauers, und ach so heroisch.
Danach zerfällt das Riesenreich Alexanders in Diadochenstaaten, die sich gegenseitig fertig machen: außer Spesen nix gewesen. Naja, einen Eindruck hat er schon hinterlassen in der Geographie der Weltgeschichte. Das Interessante an Stones Film ist nun, daß der Grund, den Alexander für seine Eroberungen angibt, immer die "Freiheit" des betreffenden Volkes ist und ich will Strunz heißen, wenn mir dieser Schwachsinn nicht bekannt vorkäme! Man hat in den immer bizarrer werdenden Dialogen das Gefühl in einem War-room mit Donald Rumsfeld (oder fast jedem beliebigen anderen US-Verteidigungsminister) zu stehen. Es ist die feste Überzeugung, die "Barbaren" müßten "befreit" werden, wovon auch immer, notfalls eben indem man sie niedermetzelt. Dieser Teil der Geschichte Alexanders des Großen ist notgedrungen Interpretation, denn Genaues kann man ja über seine Motivation nicht sagen, und daher unverschnitten Oliver Stone.
Dabei soll ihm aber nicht unterstellt werden, ein Armee-Propagandist á la Jerry Bruckheimer zu sein, dessen Filme ja äußerlich viel unpolitischer erscheinen, doch mindestens eine Simplizität, die man als Europäer Nordamerikanern unterstellt, muß schon vermutet werden. Bezeichnenderweise findet sich da eine Parallele zu "Platoon", denn auch hier war schon echte Kritik der US-Politik in Vietnam vorhanden, aber diese wandelte sich zum Schluß in ein sehr abstruses "eigentlich haben uns die anderen ja durch ihre 'Unfreiheit' zum Krieg gezwungen". Will Stone den Spagat zwischen gutem "Patrioten" und kritischem Bürger schaffen? Ersteres schimmert in seiner extrem tendenziösen Darstellung der Perser durch, zweiteres im Scheitern von Alexanders Befreiungswahn.
Auf der äußerlichen Seite ist wie bei allen Hollywood-Kostümschinken das Problem, daß alle immer aussehen wie Amerikaner, was grundsätzlich kein Grund zur Sorge wäre, nur Makedonier, Perser et al sind es natürlich nicht. Alle Frauen haben perfekt epilierte Achseln und Beine, sind permageschminkt und die gesamte Belegschaft muß mindestens einmal die Woche bei der Dentalhygiene gewesen sein. Nun, Authentizität erwartet wohl auch keiner, aber solche Künstlichkeit könnte man eigentlich auch durch Computeranimationen á la "Final Fantasy" ersetzen, die spielen genauso schau und sind viel billiger. Allein die Cinematographie soll hier nochmals ausdrücklich gelobt werden, denn wenn auch die Einstellungen die Grenze der Kitschunerträglichkeit oft überschreiten, sind die Bildkompositionen von Rodrigo Prieto erste Klasse. Besonders der bereits erwähnte Kampf in den Dschungelsümpfen Indiens und auch Alexanders Tod sollen hier hervorgehoben werden. Immer wieder amüsant ist ebenfalls die Diskrepanz zwischen sehr lockerer Interpretation geschichtlicher Fakten und die nahezu neurotische "Authentizität" bei der Darstellung von Kriegsgerät und -taktik.

Insgesamt also eine durchwachsene Geschichte, die aber durch die Fragwürdigkeit ihres Inhalts, der guten Bildregie und "vernünftigeren" Inszenierung (also im Vergleich zum Schnarch-a-thon "Troja" zum Beispiel) und nicht zuletzt der sexuellen Ambivalenz der Haupt (und durchaus auch Neben-)figuren eigentlich recht unterhaltsam ist. Ein bahnbrechendes Meisterwerk wird von Oliver Stone sowieso keiner erwarten und aus dieser Perspektive ist "Alexander" sogar als gelungen einzustufen. Eine Frage möge man mir aber bitte noch beantworten: warum spricht "A-jo" mit einem dermaßen peinlichen rrrollenden R?

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