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Im Gegensatz zu Edgar Allan Poe (1809 – 1849) dauerte es ziemlich lange, bis Howard Phillips Lovecraft (1890 – 1937) für das Medium Film entdeckt wurde. Roger Corman brachte 1963 mit The Haunted Palace (Die Folterkammer des Hexenjägers) den Stein ins Rollen, wobei die Werbekampagne lustigerweise betonte, daß es sich hierbei um eine Poe-Adaption handele. Dank Stuart Gordon und Brian Yuzna war Lovecraft ab Mitte der 1980er-Jahre plötzlich sowas wie "in". Re-Animator (Der Re-Animator, 1985) und From Beyond (From Beyond - Aliens des Grauens, 1986) entwickelten sich zu veritablen Kultfilmen, und so war es nur allzu verständlich, daß auch andere Regisseure respektive Produzenten versuchten, eine Lovecraft'sche Vorlage umzusetzen, um sie in die boomenden Videotheken zu bringen. Regisseur/Autor Jean-Paul Ouellette war mit The Unnamable einer der ersten, der auf diesen noch recht langsam dahindümpelnden Zug aufsprang. In weiterer Folge entstanden dann solch schöne Werke wie The Resurrected (Evil Dead - Die Saat des Bösen, 1991), Necronomicon (H.P. Lovecraft's Necronomicon, 1993), Dagon (2001), The Call of Cthulhu (2005) und The Whisperer in Darkness (2011). The Unnamable basiert auf Lovecrafts gleichnamiger, im September 1923 geschriebener Kurzgeschichte, welche erstmals im Juli 1925 im Magazin Weird Tales veröffentlicht wurde.

Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Randolph Carter (Mark Kinsey Stephenson) und Eliot Howard (Charles Klausmeyer), zwei Studenten der Miskatonic University in Arkham, Massachusetts. Ersterer erzählt eines Abends eine angeblich wahre Gruselgeschichte, womit er den Unmut seines Bekannten Joel Manton (Mark Parra) weckt. Der glaubt ihm nämlich kein Wort und entscheidet sich spontan, eine Nacht im alten, seit Jahrzehnten unbewohnten Winthrop-Haus zu verbringen. Damit will er Carter beweisen, daß seine Mär von der grauenerregenden, unnennbaren Kreatur, die dort nach wie vor hausen soll, ausgemachter Humbug ist. Als Joel am nächsten Tag nirgendwo zu finden ist, überredet Howard seinen Freund Carter, im Winthrop-Haus nach dem Rechten zu sehen. Doch sie sind nicht die einzigen, die das riesige alte Haus durchstreifen. Zwei Mitglieder einer Studentenverbindung, Bruce Weeks (Eben Ham) und John Babcock (Blane Wheatley), überzeugen die hübschen Neuankömmlinge Wendy Barnes (Laura Albert) und Tanya Heller (Alexandra Durrell), mit ihnen das sogenannte Spukhaus unter die Lupe zu nehmen, um zu sehen, ob es als Ort für zukünftige Aufnahmerituale etwas taugt. Bald stellt sich jedoch heraus, daß die alte Legende um Alyda Winthrop (Katrin Alexandre) sehr wohl wahr ist, und das Gebäude droht für die jungen Leute zur Todesfalle zu werden.

Im Prinzip kombiniert Ouellette lediglich die Lovecraft'sche Grundidee vom "unbeschreiblichen" Monster in einer verrufenen Villa mit einem handelsüblichen Slasherplot. Eine Gruppe junger Leute, ein altes Gemäuer, ein brutaler Killer, der immer und überall zuschlagen kann, subjektive Kameraeinstellungen... Wem kommt das nicht bekannt vor? Und doch sagt mir dieser kurzweilige Low-Budget-Streifen wesentlich mehr zu als die öden Schlitz-Orgien der Herren Myers und Voorhees, welche sich zu dieser Zeit in überraschungsarmen Fortsetzungen so stumpf wie nimmermüde durch die Cast metzelten. The Unnamable mag kein besonders guter Film sein, aber er ist unterhaltsam, hat einen gewissen Charme und ist wunderschön anzusehen. Ouellette setzt mit seinem Director of Photography Tom Fraser verstärkt auf gediegenen Gothic Horror, was für eine angenehm altmodische Stimmung sorgt. Knarrende Türen, flackernde Kerzen auf tragbaren Leuchtern, dicke staubige Bücher, ächzende Treppen, riesige Spinnennetze... in Kombination mit der tollen Szenenausleuchtung, welche von einem kräftigen Blauton dominiert wird, wertet das den preisgünstig produzierten Streifen ungemein auf und macht die billigen Sets fast vergessen. Wer The Unnamable zum ersten Mal sieht sollte sich bloß nicht vom mißlungenen Opening Shot und der reichlich durchwachsenen, in der Vergangenheit spielenden Eröffnungsszene entmutigen lassen. Der Rest gibt deutlich mehr her, und zwar in allen Belangen.

Neben der Handvoll gut umgesetzte Gore-Effekten (u. a. ein zerfetzter Hals, eine rabiate Herzentfernung und ein offener Schädel, aus dem Gehirnmasse plumpst) überzeugt vor allem die von R. Christopher Biggs gestaltete Kreatur. Alyda ist zwar weit davon entfernt, dem Filmtitel gerecht zu werden, aber was Biggs und seine Leute da mit wenig Geld geschaffen haben, ist schon sehr beeindruckend. Ein nacktes, hellhäutiges, kreischendes Biest mit Hörnern, Klauen, spitzen Zähnen, Flügeln und Hufen. Ganz toll. Das übernatürliche Element (Türen schließen sich plötzlich und lassen sich nicht mehr öffnen) gefällt ebenso wie der hin und wieder zum Vorschein kommende trockene Humor und die paar Anspielungen auf den von Lovecraft entworfenen Mythos. So blättert Carter beispielsweise im Necronomicon des verrückten Arabers Abdul Alhazred. Mark Kinsey Stephenson macht übrigens einen guten Job und verleiht Lovecrafts alter Ego nicht nur Ecken und Kanten sondern haucht dem Bücherwurm auch noch Charakter ein. Für die hübsche Darstellerin der Tanya, Alexandra Durrell, war dies leider der einzige Auftritt vor der Kamera; immerhin koproduzierte sie die Fortsetzung, bevor sie dem Filmgeschäft den Rücken kehrte. Laura Albert hingegen, welche als Schlampe Wendy eine gute Figur macht und sogar eine Brust entblößt, machte später als Stuntfrau Karriere und ist in Hollywood-Streifen wie Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl, Batman Begins, Poseidon oder The Town (nicht) zu sehen.

Fans von Achtziger-Jahre-Monster-Horror sollten mit The Unnamable also viel Freude haben. Ein tolles Monster, saftige Gore-Momente, eine sanfte Schauerstimmung, ein wenig Lovecraft-Flair, ein gelungenes Finale... da läßt es sich leicht verschmerzen, daß der Streifen nicht sonderlich originell ist und daß er erhobenen Hauptes durch diverse Klischeefettnäpfchen stapft. Mit The Unnamable II: The Statement of Randolph Carter erschien vier Jahre später ein gleichwertiges aber andersgeartetes Sequel.

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