In der Umgebung eines Mädcheninternats in der Schweiz treibt unerkannt ein Mörder sein Werk, doch als die junge Jennifer Corvino in dem Internat unterkommt und Freundschaft mit einem Insektenforscher schließt, versucht sie sich mit Hilfe ihrer übernatürlichen Bindung zu Tieren an der Aufklärung der Mordserie.
"Phenomena" war der allerste Film von Dario Argento, der mir über den Weg gelaufen ist und mich damals (obwohl ich "nur" die gekürzte Videofassung sah) wie heute auf eine ganz besondere Weise fasziniert hat. Seit dem zähle ich den Italiener, der mit vielen anderen Filmen (insbesondere "Rosso - Die Farbe des Todes" und "Suspiria") genau meinen Nerv getroffen hat, zu meinen Lieblingsregisseuren.
Allein vom Handlungsaufbau und der Logik ist Argento mit "Phenomena" sicherlich kein Volltreffer gelungen, aber das waren noch nie die Stärken Darios. So weist dieser Film wie kein zweiter seiner Werke eine ganze Palette von Ideen auf, die nicht immer glücklich miteinander verwoben wurden (bestes Beispiel dürfte die knapp ausgefallene Täter- bzw. Motivauflösung am Ende sein, aber Argento galt damals eben als Gialloregisseur und da durfte so etwas halt nicht fehlen), doch wenn man das Ganze als übernatürliches Märchen für Erwachsene ansieht, nicht jede Szene kleinlich auf Logik und Nachvollziehbarkeit untersucht und den Film einfach auf sich wirken lässt, dann kann man hier auf eine phantastische, traumartig Reise gehen.
Hauptfigur des Geschehens ist das Mädchen Jennifer Corvino, die auf das Schweizer Internat kommt und dort schnell mit den Morden in der Umgebung in Berührung kommt, denn als sie des Nächtens von Träumen geplagt wird und beginnt Schlaf zu Wandeln, wird sie Zeugin am Mord ihrer Zimmerkollegin. Als sie bald darauf einen Entomologen, der am Rollstuhl gefesselt ist und eine Affendame als Helferin hält, kennenlernt und sich ihre zuvor angedeutete Liebe zu Tieren insbesondere Insekten verstärkt, führt sie der Geruchssinn einer Fliege auf die Spur des Täters. Hier erwartet das Mädchen allerhand Grausames, was in einem feurigen und rasierklingigen Finale mündet.
Besonders stark an der Story gefällt mir das Übernatürliche, welches Dario Argento bereits in "Rosso - Die Farbe des Todes" angedeutet hat und hier vertieft. So fasziniert vor allem die besondere Beziehung des Mädchens zu den Insekten, die sie zu Tatorten wie im Falle des Glühwürmchens oder zum Täter wie im Falle der Fliege führen oder gar in Gefahrensituationen helfen wie in der genialen Szene, in der Jennifer von ihren Internatskolleginnen gehänselt wird, was einen riesigen Schwarm Fliegen auf den Plan ruft, der sich um das Gebäude legt oder am Ende als Tiere dem Mädchen das Leben retten.
Umgesetzt wurde das Ganze von Dario Argento in seiner gewohnt gekonnten Art. Die Kamera ist immer auf der Höhe und es gibt ein paar herrliche Fahrten zu bewundern, der Schnitt sitzt und durch den Einsatz von Licht, Geräuschen und Musik wird eine dichte Atmosphäre geschaffen, wobei hier besonders hängenbleibend der Föhn ist, der als ständiger Begleiter durch die Szenen bläst.
Zu der Musik sei noch erwähnt, dass sich Argento diesmal nicht auf einen festen Komponisten bzw. einen bestimmten Stil versteift hat, sondern unter anderem Claudio Simonetti und Bill Wyman sehr stimmige Stück beigetragen haben und auch Songs von Heavy Metal Bands wie Iron Maiden und Motörhead Verwendung gefunden haben, was viele als unpassend empfinden, in meinen Ohren aber vor allem bei der Opferjagdszene sehr gut funktioniert.
Die Effekte stammen von Sergio Stivaletti, der ein paar nette Blutigkeiten aufträgt, die jedoch nicht so übertriefend sind wie in den vorherigen Filmen Argentos, aber immer wieder für shocking moments sorgen, wobei unumstrittener Höhepunkt sicher das Fliegenangriff- und Rasierklingenfinale ist. Auch die Arbeit mit den Insekten (mal mit echten und mal mit getricksten) sorgt für glaubhafte Bildschirmerlebnisse und der Schimpanse Inge ist einer der heimlichen Stars des Films.
Bei den menschlichen Darstellern sind ebenfalls keine schauspielerischen Ausfälle zu beklagen. Die damals noch recht unbekannte Jennifer Connelly überzeugt in vollem Maße in ihrer ersten Hauptrolle und kämpfte sich zudem durch harte Produktionsbedingungen wie der Arbeit mit dem wohl nicht immer einfachen Schimpansen oder den Leichen-Maden-Schmadder-Pool. Donald Pleasence glänzt in seiner Rolle als körperlich aber nicht geistig eingeschränkter Professor und andere Darsteller wie Patrick Bauchau als Inspektor Geiger und Dario Argentos Ex-Freundin Daria Nicolodi als merkwürdige Internatsangestellte liefern ebenfalls solide Leistungen ab.
Insgesamt ist "Phenomena" ein phantastischer, märchen- und traumhafter Film, der großartig und überzeugend umgesetzt wurde und mir trotz kleinerer Drehbuchschwächen durchweg gefällt und zu meinen uneingeschränkten Lieblingsfilmen zählt. Wer zu Gunsten von phantastischen Elementen und tollen Bildern gepaart mit passender Musik und Sounds bei kleineren Logikschwächen ein Auge zudrücken kann, der wird "Phenomena" ebenfalls mögen.