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Manche Menschen schaffen es, sich mit nur wenigen Filmen unsterblich zu machen. Manche Menschen schaffen es, sich mit nur wenigen Filmen immerhin einen Namen zu machen. Und manche Menschen schaffen es, in 53 Jahren 71 Filme zu drehen, ohne dass jemand Notiz davon nehmen würde. Zu letzterer Kategorie zählt Nick Millard, der sich noch 2016 im fortgeschrittenen Alter von 75 Jahren als Regisseur betätigte („The Old Mafia Guy“). Sein Output war über die Jahre zwar deutlich weniger geworden, nachdem er sich noch in den 60ern bis in die 70er hinein mit Sexfilmen und Pornos ein paar Dollar hinzuverdiente, aber seine Leidenschaft für Filme hat er dabei offenkundig nie verloren. Weitere Genres, die er beackerte, sind unter anderem Action und Horror.

Keiner seiner 71 Filme hat es bis nach Deutschland geschafft. Am bekanntesten dürfte am ehesten noch „Criminally Insane“ (1975) unter seinem Alternativtitel „Crazy Fat Ethel“ gewesen sein, bei dem der Name Programm ist und eine übergewichtige Frau sich durch eine Reihe von Lieferboten, aufdringlichen Ärzten bis hin zu eigenen Familienmitgliedern metzelte. Dem folgte zwölf Jahre später eine Fortsetzung, nach der nie jemand gefragt hatte und in der Millard sich als „Meister“ der Ökonomie zeigte: Er stopfte das vermutlich nicht mehr als 1.000 Dollar teure Sequel einfach mit massenhaft Archivmaterial aus dem Vorgänger zu und schreckte dabei nicht einmal davor zurück, den Vorspann aus dem Original zu recyceln, obwohl in der Cast-Liste Darsteller aufgeführt sind, die in diesem Film nicht mehr mitspielen und maximal als Rückblenden zurückgeholt werden, während die neuen Darsteller namentlich gar nicht aufgeführt werden – eine preisgünstige und sehr faule Masche, die er auch für weitere Filme wiederholen sollte.

Dazu gehört auch „Cemetery Sisters“, der zwar nicht im Vorspann (einen solchen gibt es hier nicht), aber im Abspann mit den Cast-Angaben aus „Criminally Insane“ aufwartet. Damit sind die Pferde auch schon gesattelt, was wir von diesem Film zu erwarten haben – und das setzt sich auch bei der Inhaltsangabe fort: Zwei Schwestern töten Männer, die sie frisch geheiratet haben, streichen deren Lebensversicherung ein und finanzieren sich so vermutlich ihren kompletten Lebensunterhalt, mit dem großen Ziel, irgendwann ein Bestattungsunternehmen zu gründen. Mit anderen Worten und etwas ausführlicher könnte man die Handlung auch so zusammenfassen: Eine Schwester heiratet einen Mann. Eine Schwester tötet diesen Mann. Eine Schwester heiratet einen Mann. Eine Schwester tötet diesen Mann. Eine Schwester heiratet einen Mann. Eine Schwester tötet diesen Mann. Und wieder von vorn. Quasi ohne Variation, ohne jegliche Wendung läuft die Story, die man nur schwerlich als solche bezeichnen kann, nach dem immer gleichen Prinzip ab. Hier gibt es keine Hindernisse in Gestalt von Verwandten der toten Männer oder eventuell Ermittler, die ihnen auf die Spur kommen würden. Sie machen ihr tödliches Ding – und das war’s. Maximal einen Störfaktor haben die beiden bei ihren Missetaten: ihre Tante, die sich ungefragt just in dem Moment bei ihnen einquartiert, als die eine gerade den frisch gebackenen Ehemann abgemurkst hat. Die Tante wird von Irmgard Millard, der Ehefrau des Regisseurs, gespielt und versprüht bei ihren Auftritten latent lesbische Vibes, mit denen sie sich an eine ihrer Nichten heranmacht.

Von Spannung kann man hierbei zu keinem Zeitpunkt sprechen. Zwar liegt hier lange ein Toter im Bett, den die Schwestern warum auch immer nicht mal unter dem Bett verstecken zu können scheinen, und die hartnäckige Tante begehrt permanent Einlass in das ominöse Leichenzimmer, aber der allgegenwärtige Dilettantismus in allen Bereichen lässt in der Hinsicht nichts zu. Das Niveau kommt schlichtweg nie über einen typischen Camcorder-Amateurfilm hinaus. „Cemetery Sisters“ bombardiert sich fortwährend selbst, seien es der minderwertige Look im hässlichen Schuss-Gegenschuss-Verfahren, die Schnitte der holprigsten Sorte, die lachhaften darstellerischen Leistungen, zu denen sich neben seiner Frau auch Millard selbst als erstes Opfer und als zweites Opfer ein Albert Eskinazi gesellen, der exklusiv für seinen Kumpel (?) vor der Kamera stand, die „Dialoge“ und deren schlechte Tonqualität. Ungewohnt zahlreich sind hingegen die Schauplatzwechsel. Wer schon mehrere Millards gesehen hat, weiß, dass sie sonst regelrecht klaustrophobisch geraten, eben weil sie fast ausschließlich im Haus des Regisseurs gedreht werden. Das wird dieser Film weitgehend auch, aber zumindest lässt sich Millard zu einigen Außenaufnahmen im Grünen hinreißen.

Ein Kapitel für sich ist bei Millard gerade aus dieser Epoche Mitte bis Ende der 80er, dass er zahlreich auf Archivmaterial aus seinen älteren Filmen zurückgreift. Dabei ist nicht selten Erfindungsreichtum gefragt, absurde Verrenkungen, um Material, das er als gut empfindet, wiederzuverwenden und seine Filme auf die ohnehin kurze Lauflänge von gut einer Stunde aufzuplustern. Da kommt es dann schon einmal vor, dass er mithilfe abenteuerlicher Schnittarbeit in „Doctor Bloodbath“ einen Charakter aus dem über zehn Jahre älteren „Satan’s Black Wedding“ sterben lässt – nur dass er in dem einen Film halt Opfer eines Serienkillers wird und in dem anderen Opfer eines Vampirs. Ganz so wild wird es in „Cemetery Sisters“ nicht: Er mixt mitunter zwar munter neues und altes Material, aber das noch einigermaßen zurückhaltend. Dafür macht Millard es sich in den letzten Minuten aber sehr leicht: Er lässt seine eigene Tochter (Familienproduktion fürwahr – fehlt eigentlich nur seine auch schon öfter bei ihm mitwirkende Mutter, aber die war wohl beim Kaffeekränzchen ihrer Seniorengruppe) vor der Kamera Popcorn mampfen und sie so tun, als würde sie im Kino sitzen anstatt im abgedunkelten Wohnzimmer – wo dann ganze Szenenstrecken aus besagten „Satan’s Black Wedding“ und „Criminally Insane“ laufen. Das geschieht übrigens in der letzten Viertelstunde des Films, denn da, wo normalerweise der dritte Akt wäre, setzt Millard eigentlich nie einen. Er lässt seine Filme immer irgendwie auslaufen und verzichtet auf ein Finale zwischen Held und Bösewicht allein aus dem Grund, weil es in seinen Filmen so selten Helden gibt. Es gibt ja außer den Schurken nicht mal richtige andere Figuren.

Ich gebe zu, dass ich mich der Faszination von so viel Anti-Talent einfach nicht (mehr) entziehen kann, weshalb mich gerade die Millards jener Zeit, in der er sich mal eben mit minimalstem Aufwand an einem Wochenende einen Film zusammenfilmte, ziemlich amüsieren. Durch „Cemetery Sisters“ weht immerhin insofern ein – wenn man es so nennen will – frischer Wind (für Millard-Verhältnisse!), weil die Hauptfiguren einerseits zwar mal wieder Serienkiller sind, aber andererseits immerhin von einem jungen Schwesternduo (auch im wirklichen Leben) verkörpert werden, das nicht ganz so träge und roboterhaft daherkommt wie die „fette Ethel“ oder der Abtreibungsarzt mittleren Alters aus „Doctor Bloodbath“. Ein Film, objektiv und auch subjektiv so sterbenslangweilig wie schwach – insofern nur was für hartgesottene Trash-Gucker, die sich an grenzenloser Inkompetenz laben können. 2/10.

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