Michael Mann ein Meister seines Faches – das ist kein Geheimnis, und so freuen sich die Fans gehobener (Drama- oder Thriller-) Unterhaltung immer ganz besonders, wenn ein neuer Film des Regisseurs in den Kinos anläuft.
Als Drahtzieher von Serien wie „Starsky & Hutch“ oder „Miami Vice“ revolutionierte er diese Art der TV-Unterhaltung, unter seiner Führung wurde Hannibal Lecter im gnadenlos unterschätzten „Manhunter“ zum ersten Mal dem Publikum präsentiert, er drehte die erfolgreiche Neuverfilmung von „der letzte Mohikaner“, das großartige Crime-Opus „Heat“, den brillanten „the Insider“ und die eigenwillige (und leider enttäuschende) Biographie von „Ali“. Kritikerliebling ist er schon lange, Hit-Regisseur jedoch nicht, denn es geht ihm nicht darum, den Mainstream zufrieden zu stellen, sondern seine ganz persönlichen Visionen zu verwirklichen.
In seinem neusten Edel-Thriller „Collateral“ spielt Kassenmagnet Tom Cruise die Hauptrolle, doch ein kommerzieller Schachzug war das nicht – Cruise bringt zwar seine Star-Power ein, gleichzeitig aber auch eine der besten Leistungen seiner Karriere. Man sieht dem Film an, dass er von Michael Mann stammt (neben der ruhigen und durchgestylten Inszenierung ist der typische Blauschimmer der Bilder wieder vorhanden), doch das Endresultat ist eine homogene Kombination aus geballtem Talent vor und hinter der Kamera (vom starken Drehbuch, über die bis in die kleinsten Rollen großartige Besetzung, bis hin zur innovativen Inszenierung), was zweifelsohne einen der besten Filme des Jahres 2004 ergeben hat, der sowohl bei Kritikern und Kinobesuchern positiven Anklang fand.
Der Taxifahrer Max (Jamie Foxx) ist ein Träumer: Zwar übt er schon seit 12 Jahren seinen Beruf aus, will aber unbedingt mal einen eigenen Limousinenservice auf die Beine stellen – zu dem letzten Schritt konnte er sich allerdings bislang nie durchringen. Eines Nachts lernt er eine junge Staatsanwältin (Jada Pinkett Smith) kennen, die ihm gar ihre Nummer hinterlässt, doch auch da zögert Max trotz des guten Gefühls…
Gleich sein nächster Gast soll sein Leben jedoch nachhaltig verändern: Der smarte Vincent (Tom Cruise) bezahlt ihm 600 Dollar dafür, ihn eine Nacht lang durch L.A. zu fünf verschiedenen „Geschäftsterminen“ zu fahren – doch gleich beim ersten wird klar, dass Vincent ein Profikiller ist, der eine „Hitlist“ aus Kronzeugen abarbeitet…
Mit geschickten Schachzügen (von Drohungen bis hin zu psychologisch greifenden Argumentationen) bringt er Max auch nach der Offenbarung seiner wahren Intentionen dazu, an dem Plan festzuhalten: Eine lange Fahrt, gefüllt mit abtastenden und auslotenden Konversationen der beiden Protagonisten, ist die Folge – immer wieder unterbrochen von Vincents planmäßigen Stopps…
Mehr über die Handlung zu verraten wäre unfair, denn was fast schlicht gestrickt beginnt, entwickelt sich im Laufe des Films zu einem immer komplexeren Gesamtbild, das zudem mit vielen unvorhersehbaren Wendungen gespickt ist. Das Psychoduell der beiden Hauptdarsteller bildet dabei das zentrale Element, nicht etwa die Morde – es geht um die Charaktere, deren Hinter- und Beweggründe, nicht vordergründig um Vincents „Arbeit“. Einzig die Nachforschungen des Polizisten Fanning (Mark Ruffalo) wird parallel dazu aufgezeigt, denn er stellt die Verbindungen zwischen den Opfern her und ist schließlich der einzige, der an die Unschuld von Max glaubt, da man ihn mit der Zeit (und den Indizien nach) für den eigentlichen Täter hält…
Es gibt viele Verbindungen zwischen „Collateral“ und „Heat“: Jener Film war ebenfalls mehr als nur ein „einfacher Thriller“, denn auch er bot ein dichtes Psychoduell zweier Gegner in Form eines Katz-und-Maus-Spiels. Max und Vincent könnten auf den ersten Blick nicht verschiedener sein (ehrlicher Träumer / zynischer Profikiller), doch wie bei Pacino und DeNiro damals, entsteht ein gewisser Respekt und Funken Freundschaft zwischen ihnen. Hier geht es sogar noch weiter: Erst durch Vincent wird Max seine Lebenssituation vollkommen bewusst – nur so gelingt es ihm, am Ende aus seinen eigenen Schranken auszubrechen, denn die Gespräche zwischen ihnen wirken letztendlich wie ein Katalysator.
Es gibt zudem noch andere Gemeinsamkeiten, die aber keinesfalls negativ zu sehen sind: Statt in einem Restaurant gibt es ein zentrales Gespräch in einem Jazzclub, es entbrennt wieder eine spektakuläre Schießerei gegen Ende, und das finale Duell findet ebenfalls (von der Umgebung her) isoliert Mann gegen Mann statt.
Neben den beiden Hauptfiguren verblassen viele Nebenrollen, die bewusst nicht zu sehr in den Vordergrund gerückt wurden, da es zentral nur um Max und Vincent geht – trotzdem sind auch diese wichtige Elemente der Handlung und ausschließlich gut besetzt worden: Neben Jada Pinkett Smith („Demon Knight“) und dem erstaunlich lässigen Mark Ruffalo („In the Cut“) spielen noch Peter Berg („F.T.W.“), Bruce McGill („Matchstick Men“), Jason Stratham („Snatch“), Javier Bardem („Before Night Falls“) und viele andere bekannte Akteure.
Die Glanzleistungen liefern aber hauptsächlich Tom Cruise und Jamie Foxx ab: Letzterer kann nach „Any given Sunday“ mal wieder in einer Hauptrolle auftrumpfen, während Cruise einen der coolsten Killer der Filmgeschichte darbietet. Hier haben die Macher wahrlich eine perfekte Besetzung gefunden (zum Glück sind erste Überlegungen bezüglich Russell Crowe und Adam Sandler nicht zustande gekommen = große Erleichterung!).
Das Skript von Frank Darabont („Green Mile“), Stuart Beattie („Fluch der Karibik“) und Michael Mann bietet einen ruhigen Einstieg, bevor es Spannung, Tempo und Dramatik stetig ansteigen lässt. Den Höhepunkt bildet zweifelsohne die Schießerei im Nachtclub, der spätere Showdown ist sehr spannend und überraschend actionreich.
Michael Mann hat den Film auf HD-Digitalvideo gedreht, um näher an das Geschehen (vor allem im Taxi) heran zu kommen, und das ist ihm gelungen. Trotz der ungewöhnlichen Optik ist jede Szene perfekt durchgestylt und konzipiert worden – die etwas unsauber wirkende DV-Optik verleiht dem Film zusätzlich noch einen kantigen Schliff, der sehr gut zu der Umgebung des urbanen L.A.s passt. Der großartige Score vervollständigt schließlich die dichte Atmosphäre zu einem harmonischen (visuellen und akustischen) Ganzen.
Der etwas konventionelle (aber sehr gute) Showdown hat mich vor allem durch das finale Gespräch zwischen Max und Vincent überzeugen können. Einzig die Identität des fünften und letzten Opfers konnte man meiner Meinung nach zu leicht und zu schnell durchschauen – dieser Punkt bleibt jedoch der einzige negativ anzumerkende Aspekt eines extrem gelungenen Films.
Fazit: „Collateral“ ist ein spannender, atmosphärischer und toll gespielter Edel-Thriller in düster-unterkühlten Bildern – definitiv ein Highlight des Kinojahres 2004 …
9 von 10.