Die Nacht senkt sich über L.A., und der ganz normale Großstadt-Wahnsinn kriecht aus seinen dunklen Löchern: In einer trostlosen, lebensfeindlichen Umgebung klammern sich Menschen an erreichbare und unerreichbare Träume, verstecken sich hinter ihrer Arbeit, verlieren allmählich den Blick für das Gute und Schöne im Leben.
Für Taxifahrer Max, seit 12 Jahren im Geschäft, beginnt erst mit Sonnenuntergang der Tag: Max fährt Nachtschicht, bevorzugt, denn der Verkehr wird weniger, das Trinkgeld zumeist mehr, die Fahrgäste gesprächiger. So scheint es auch, als der erlesen gekleidete Vincent auf dem Rücksitz seines blankgeputzen Gefährts platz nimmt. Doch diese Nacht soll anders werden, ganz anders als gewöhnlich. Für einmalig 600 Dollar soll Max dem eigenartigen Fahrgast die ganze Nacht zur Verfügung stehen...
Was Michael Mann mit "Collateral" geschaffen hat, ist schlicht phänomenal! Bestenfalls Martin Scorseses "Taxi Driver" entwickelt eine ähnlich bedrückende, in allerhöchstem Maße einvernehmende Atmosphäre. "Taxi Fahrer sind die einsamsten Menschen der Welt", dieser Satz aus dem Munde Robert deNiros erlebt förmlich seine Wiedergeburt. Fesselnde, tiefgründige Dialoge, kombiniert mit fantastischen Nachtbildern und einem der besten Soundtracks der Filmgeschichte sorgen für ein gleichermaßen kritisches wie faszinierendes Filmerlebnis, das unter die Haut geht.
Schonungslos werden die dunklen Seiten unser rastlosen Gesellschaft offengelegt, ja sie regen gar zum individuellen Nachdenken an: Steckt nicht in vielen von uns ein kleiner Max, der Träumen und Zielen nachhängt, sich aber letztenendes doch nur auf der Stelle bewegt?
Maßgeblichen Anteil am Gelingen von "Collateral" haben die definitiv oskarwürdigen Darbietungen von Tom Cruise und Jamie Foxx, die sich ein Psychoduell liefern, welches den zweifellos in positivem Sinne überraschten Zuschauer mit offenem Munde darsitzen lässt. In ihrem Auftreten zunächst absolut gegensätzlich, lösen sich eben diese scheinbar unvereinbaren Pole mehr und mehr in Nichts auf: Gut und Böse vermischen sich, lässt man bloss die knebelnden Zwänge der von innen heraus verfaulenden Gesellschaft außen vor.
Von beiden Hauptakteuren hätte ich zugegebenermaßen nicht ansatzweise eine solche Leistung für möglich gehalten, einfach sensationell, was Michael Mann hier auf Zelloloid gebannt hat. Da ist es auch nicht tragisch, daß die Nebencharaktere aus Polizei- und Anwaltskreisen etwas kurz kommen. "Collateral" ist eine "Two-Man-Show", alles andere hätte der Intensität der zentralen Charakterbeziehung ohnehin nur Schaden zugefügt!
Doch "Collateral" besticht nicht nur durch seine tollen Darsteller, Charaktere und Dialoge. Auch die meisterliche, düster-trostlose DV-Optik trägt ihren Teil zu diesem einmalig-stimmungsvollen Filmerlebnis bei. Dunkle Gassen, verwahrloste Menschen, unterkühlte Clubs und sterile, unästetische Gebäudekomplexe: Das ist das nächtliche L.A, ein hassenswerter Ort., an dem selbst ein Toter unentdeckt und für seine Mitmenschen fast selbstverständlich verweilen kann.
Zwei Schauplätze der nächtlichen Mordodysee sind aber noch einer gesonderten Erwähung würdig: Zum einen die wohlige Schwermütigkeit ausstrahlende Jazzbar und zum anderen die strneg bewachte Nobel-Discothek. Was hier jeweils insbesondere in soundtechnischer Hinsicht geleistet wurde, ist schlicht Referenzklasse! Ist es in erstem Falle zusätzlich das kultverdächtige Drei-Gespräch über Musik-Legende Miles Davis, so stellt Fall Nr. 2 das stilsicher umgesetzte, dramatische Actionhighlight des Filmes dar. Profikiller Vincent versteht sein Handwerk und tötet für gewöhnlich lautlos und schnell, doch im Club eskaliert die Situation und ein brachialer Shootout der Extraklasse lässt jedes Actionherz höher schlagen.
Auch wenn der Actionanteil über die Gesamtlänge betrachtet eher gering ausfällt, so schadet es dem Film doch in keinster Weise. Die unglaublich dichte Atmosphäre und die knisternde Spannung, die im zur Todesfalle werdenden Anwaltsgebäude ihren Höhepunkt erlangt, fesseln den Zuseher förmlich an den Kinosessel. Dramatik pur, bis zum schlichten aber dennoch ungemein stimmigen Finale, welches noch einmal die aufrüttelnde und zum Nachdenken anregende Botschaft des Filmes mit voller Kraft darlegt.
Ein zeitloses, symbolbeladenes Meisterwerk und zugleich erschreckend persönliches Spiegelbild der Gesellschaft, das in die Filmgeschichte eingehen wird!