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Eigentlich war der Zug für ihn längst abgefahren, denn Lee Van Cleef hatte sich bereits Anfang der Sechziger aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Der ehemalige Soldat, Journalist und Farmer wurde als Amateurschauspieler von Fred Zinnemann entdeckt und gab darauf sein Debüt in „High Noon“ als einer der vier Pistoleros, die Gary Cooper umbringen sollten. Es folgten Nebenrollen in „Gunfight at the O.K. Corral“ und „The Man Who Shot Liberty Valance“, der Durchbruch gelang ihm aber nicht, so gab er die Schauspielerei wieder auf.
Erst als Sergio Leone in aus seinem verfrühten Ruhestand zurückholte und als Colonel Douglas Mortimer in „For a Few Dollars More“ besetzte, wurde er über Nacht zum Star und ein gefragter Mann des Italo-Westerns. Seine zweite Karriere verhalf ihm schließlich zum verhofften Ruhm. Als das Genre starb, blieb er dem italienischen Film treu, durfte sich aber an der Seite von Chuck Norris in „The Octagon“ und Kurt Russell in „Escape from New York“ sehen lassen, bevor er 1989 verstarb. Als Westerikone wurde ihm die seltene Ehre zuteil, sogar von Morris in dessen Lucky Luke-Comic „Der Kopfgeldjäger“ verewigt zu werden.

Das Genre war 1969 nun reif sich und die von ihm geschaffenen Figurentypen selbst zu parodieren. „Sabata“ war kein Vorreiter, aber ein, wenn nicht der beste, Vertreter seiner Zunft, der sich selbst nicht mehr ernst nahm. Bud Spencer und Terence Hill trieben es ein Jahr später dann bekanntlich auf die Spitze.

Regisseur Gianfranco Parolini, der hier unter seinem englischen Pseudonym Frank Kramer arbeitete, war nicht das, was man den klassischen Westernregisseur nannte, aber er hatte im Vorjahr mit „Sartana - Bete um Deinen Tod“ schon bewiesen, dass er ironische Western zu drehen vermochte. Dies trieb er nun auf die Spitze.

Die Geschichte selbst liefert einmal mehr nur Übliches, bietet sich aber gerade deswegen für so eine deutliche Parodie an. Kunstschütze Sabata tut sich hier in einem kleinen Kaff mit einem Säufer und einem stummen Kletterakrobaten zusammen, um dem reichen, versnobten, gebildeten und heimtückischen Geschäftsmann Stengel (wie dafür geschaffen: Franco Ressel, „Vier Fäuste für ein Halleluja“) ins Handwerk zu pfuschen. Denn der lässt 100.000 Dollar aus der von Soldaten bewachten Bank des kleines Kaffs Daugherty City stehlen. Doch Sabata bringt den Safe und die Leichen der Verbrecher mühelos wieder zurück, streicht die Belohnung ein und beginnt nun seinerseits Stengel zu erpressen. Für seine Verschwiegenheit fordert er erst 10.000, dann 20.000, später 50.000 und schließlich 100.000 Dollar. Klar, dass der ihn kalt stellen will und fix alle Zeugen beseitigen lässt...

Auch oder gerade weil seine Klamotten so überdeutlich auf seinen Charakter aus „For a Few Dollars More“ hinweisen, hat Lee Van Cleefs Sabata nichts mit diesem zu tun. Stets mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht, stellt Sabata einen schlitzohrigen larger than life Revolverhelden dar, der, aus ungeklärten Gründen, über wirklich alle nötigen Informationen verfügt und das Treiben in der Stadt längst durchschaut hat. Der Mann ist mit allen Wassern gewaschen, sein imposantes Waffen-Equipment gleicht in seiner Raffiniertheit dem eines James Bond. Er kann mit Münzen werfen, wie mit der Pistole schießen, verfügt über ein Gewehr, das alle denkbaren Distanzen überbrückt, enttarnt Falschspieler und riecht bereits jede Falle im voraus, beziehungsweise dreht die Rolle von Fallensteller und Opfer um. Sein markantes Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen und der Hakennase, erinnert an einen majestätischen Adler. Sabata steht so über den Dingen, als wäre unsterblich und weil er vehement in jeder Szene dabei bewusst seine Eigenschaften übertrieben cool zur Schau stellt, kann man kaum eine bessere Parodie des klassischen Italowestern-Antihelden als ihn finden.

Parolini weiß um diese Qualitäten und setzt ihn entsprechend ein. Begleitet wird sein schlitzohriger Titelheld von einem rassigen, einprägsamen Theme des sonst eher unauffälligen Komponisten Marcello Giombini. Sabatas erster Auftritt gleicht einer Legendenbildung und erinnert nicht von ungefähr an Eastwoods Auftritt in „For a Fistful of Dollars“: Lange Zeit enthält Parolini dem Zuschauer das Gesicht Lee Van Cleefs vor, bis er dann einen Saloon betritt.

Der mit Alberto Grimaldi (u.a. Produzent bei „Der Gehetzte der Sierra Madre“, „The Good, the Ugly, the Bad“) auch von einem seinerzeit nicht unwichtigen Mann produzierte Western verfügt zudem über eine Nebenfigur, deren Verhalten zwar klassisch für den Antihelden der Zeit war, sich jedoch ganz anders gibt. Der von mir sehr geschätzte William Berger („Von Angesicht zu Angesicht“, „Keoma“) tritt hier zwar als konstante, aber undurchschaubare Unbekannte auf, die lediglich auf der Durchreise ist und sich das Treiben der Parteien still mit anschaut, um auf die passende Gelegenheit zu warten, damit er maximalen Gewinn aus dem Konflikt ziehen kann. Berger, der ohnehin gern und viel Ironie in seinen Rollen unterbrachte, als Banjo spielender Narr inklusive Bimmeln ist eine erstklassige Ergänzung zu Sabata. Neben einem Trunkenbold, dem stummen Kletterakrobaten also nun schon die dritte Witzfigur in diesem überzeichneten Western.

Der Verlauf selbst bleibt dabei klassisch. Natürlich gibt Stengel den wachsenden Forderungen Sabatas nicht nach und schickt ihm einen Auftragskiller nach dem anderen auf den Hals, die wiederum dank Sabatas trickreichem Sortiment meist witzig ins Gras beißen. Hervorgehoben sei der Trick mit dem Bilderrahmen und dem Spiegel.
Etliche Ballereien nehmen ihren Lauf, spannend wird der Film dabei nie, aber er erhält dank einfallsreichem Waffeneinsatzes und dem witzigen Grundtenor seinen Unterhaltungsgrad, ohne zu überraschen.

Freilich ist Sabata auch irgendwann einmal mit seiner Geduld am Ende und es zieht ihn mit seinen beiden Mitstreitern auf Stengels Ranch, wo er sich mit Dynamit in einem pyrotechnischen Feuerwerk dessen Männern, die auch eine Gatling auffahren, misst und natürlich gewinnt, auch wenn die weit in der Überzahl sind. Ein kleines Highlight sind dabei die Fahrt mit einer Lore quer durch den mit bleihaltiger Luft gefüllten Hof und die akrobatischen Hangeleien des Kletteraffen, der über die Dächer des halben Anwesens schwingt.
Es gibt gleich zwei klassische Duell zum Schluss, lediglich Sabatas Gegenüber werden ausgetauscht. Parolini versucht sie erst gar nicht zu zelebrieren, sondern erfüllt einfach die Standards. Ähnlich hat er es bei „Sartana - Bete um Deinen Tod“ ja auch gemacht.


Fazit:
Letztlich kommt man kaum herum, diesen absichtlich übertriebenen Italo-Western-Spaß jedem Genrefan ans Herz zu legen. Von den völlig überzeichneten Figuren, die vom klassischen Gunfighter bis zum geldsüchtigen Oberbösewicht reichen, den total überzogenen Fertigkeiten, mit denen Sabata hier gesegnet ist, bis hin zu seinen technischen Sperenzchen, die seine Waffen Unmögliches vollbringen lassen, deutet alles auf eine Parodie des eigenen Genres hin. Selbst Sabatas Handeln, das freilich und damit genrekonform den eigenen finanziellen Vorteilen Priorität einräumt, bedient sich lieber genüsslich beim Bösewicht und reizt ihn, anstatt den einfachen Weg zu nehmen und einfach mit den 100.000 Dollar zu verduften.
Von Gianfranco Parolini kenne ich nur seine wenigen Western und dies ist sein Bester. Der tolle Score, Wortwitz, die lebendigen Sets und nicht zuletzt seine äußerst kompetente Inszenierung, die auch nie den Größenwahn besitzt sich mit Vorbildern wie Sergio Leone zu messen, verhelfen „Sabata“ zu einem Platz in der Oberliga. Schade, dass die Fortsetzung („Adiós Sabata“ mit Yul Brynner sehe ich nicht als einen Teil an) an die Qualität nicht mehr so recht anknüpfen konnte.

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