Die zwei Kinder Emmeline und Richard, Cousine und Cousin, stranden und leben nach einem Schiffuntergang gemeinsam mit dem alten Seebären Paddy auf einer Südseeinsel. Als dieser stirbt, sind die beiden auf sich allein gestellt und lernen dabei die Liebe zueinander kennen...
Eine traumhafte Kulisse, eine dramatische Ausgangslage - Randal Kleiser hatte durchaus sehr gute Möglichkeiten, eine interessante Liebesgeschichte zu stricken, und der Erfolg, den „Die blaue Lagune“ damals an den amerikanischen Kinokassen hatte, scheint ihm recht zu geben. Die Wahrheit über diesen Film sieht allerdings ganz anders aus.
In ihren unerträglich langen 100 Minuten plätschert die Kitschparabel abgesehen vom Einsetzen des Abspanns ohne jeden Höhepunkt vor sich hin. Mag die Handlung von den Verantwortlichen auch absichtlich so simpel gezeichnet worden sein, daß man sie in einem Satz zusammenfassen kann - das zu sehende Geschehen ist langweilig, und zwar so sehr, daß man es ohne Zwischenpausen kaum aushalten kann. Eine Nullinie zieht sich durch den ganzen Film, angefangen mit dem schnellen Untergang des Schiffes und der anschließenden Strandung auf der Insel, beendet mit der Rettung des jungen Pärchens. Da ist nichts, aber auch gar nichts von Interesse.
Ich frage mich nur: Welche Zielgruppe soll hier angesprochen werden? Etwa Jugendliche im Alter von zwölf bis sechzehn Jahren? Vermutlich ja, aber warum sollten sich diese allen Ernstes für eine Story interessieren, in denen zwei unbedarfte Teenager (und anfangs noch ein alter, recht weiser Brummbär) die Hauptrolle spielen, die alle Tücken des Heranwachsens durchlaufen, ohne zu wissen, warum all dies mit ihnen geschieht? Wer aufgeklärt werden möchte, kann sowohl Eltern fragen als auch wöchentlich in diversen Jugendmagazinen nachlesen, was eine Periode, was Verliebtsein ist - und warum man ungeschützten Geschlechtsverkehr um jeden Preis vermeiden sollte, sofern man für ein Kind nicht bereit ist. Dafür braucht man gewiß nicht „Die blaue Lagune“. Über weite Strecken erscheint mir das Ganze hier tatsächlich wie ein weichgezeichneter Aufklärungsfilm der Marke David Hamilton. Er ist nichts anderes als eine BRAVO-Foto-Lovestory in exotischem Gewand. Mir unverständlich, warum das Schicksal der Schiffbrüchigen Anfang der 80er sensationell viele Menschen in den USA berührte. Ein komisches Volk da im Westen.
Zumal der zentrale Plotpunkt der sich entwickelnden Liebe zwischen Emmeline und Richard nach dem plötzlichen Tod Paddys (der im Alkoholrausch rücksichtslos die Kinder allein zurückläßt und damit ordentlich Minuspunkte auf der Sympathieskala einheimst) allein dadurch zum Scheitern verurteilt ist, weil die beiden Hauptdarsteller Brooke Shields und Christopher Atkins schlicht und ergreifend nicht schauspielern können. Sie haben vorzeigbare Körper, das steht außer Frage, doch diese Attribute zählen vielleicht im Erotikgenre, aber doch nicht in einem Zwei-Personen-Stück, in dem praktisch die ganze Last auf die Schultern der jugendlichen Darsteller gelegt wird. Hier bleiben die Gesichtsausdrücke die immergleichen, und wenn sich die Zwei um nuancierte Mimik bemühen, wirkt diese arg gekünstelt. (Dennoch bekam das junge Duo in den Vereinigten Staaten schnell Idolfunktion. Der Ruhm auf der Leinwand hielt aus verständlichen Gründen nicht lange.)Insbesondere Richard geht einem mit seinen penetrant dämlichen, seine Unerfahrenheit ausdrücken sollenden Fragen spätestens ab dem zweiten Drittel auf die Nerven („Was denken Fische?“, „Warum wachsen mir so komische Haare am Körper?“), weshalb man ihn bald am liebsten im Meer ersaufen möchte, wenn man als Zuschauer denn die Möglichkeit hätte. Aufgrund ihrer Weltfremdheit taugen Emm und Richie noch nicht mal als Identifikationsfiguren. Klar, daß einen die „dramatischen“ Schlußminuten, in denen beide samt Kind, Paddy jr. (argh!), aufs offene Meer hinaus- und womöglich dem sicheren Tod entgegentreiben, nicht einmal ansatzweise berühren, oder?
Vielleicht hätte der Film gut daran getan, einen kleinen abenteuerlichen Strang rund um die Eingeborenen, die hier höchstens zwei Minuten Leinwandpräsenz aufweisen können und dabei (bis auf ein wenig Blut nicht sehr explizit) einen Menschen köpfen, einzubauen oder meinetwegen auch die nur grob angeschnittene Legende des Schwarzen Mannes zu vertiefen, damit sich wenigstens etwas Spannung einstellen würde, die Filmkurve etwas Ausschlag nach oben gezeigt hätte. So ist das Ergebnis völlig indiskutabel und öde. Zwei gefühlte Stunden tollen die Kinder am Strand und im Wasser herum und giften sich nach einer Zeit pausenlos an, weil er sie liebt und sie sich (vorerst) sträubt. Ohne Scherz, bis auf sekundenkurze Ausnahmen ist das im Wesentlichen alles, was für Nichtkenner inhaltlich zu erwarten ist. Man sieht: Alles von dermaßen großer Belanglosigkeit, daß wohl die wenigsten dem Treiben begeistert beiwohnen dürften.
Erwähnenswerter Aussetzer: Kleiser leistet sich zwischenzeitlich sogar einen Ekeleffekt (aus dem Mund des toten Paddy kriecht ein kleiner Krebs). Der wirkt ob der transusigen und quälend langsamen Inszenierung umso deplazierter und selbstzweckhafter.
Hat der Film denn wenigstens viel nackte Haut für einen Teil des Publikums, der auf so etwas großen Wert legt, zu bieten? Antwort: Jein. Zwar stolpern die Shields und Atkins fast ausnahmslos unbekleidet über die Insel. Nichtsdestotrotz merkt man dem Film an jeder Stelle das unendlich intensive Bemühen der Crew an, die entscheidenden Körperstellen verdeckt zu halten, damit eine niedrige Altersfreigabe erzielt werden kann und keine Skandale in der Öffentlichkeit heraufbeschworen werden. Selbst die insgesamt drei Minuten ausmachenden Sexszenen (bequemerweise alle direkt hintereinander stattfindend) sind extrem zurückhaltend gefilmt. Also auch hier Unspektakulärstes, wohin man blickt.
Bleiben als einziges positives Faktum die Bilder hängen, wodurch die künstlerischen Ambitionen Kleisers deutlich werden. Die sind von einer ausgesprochenen Brillanz und verbreiten sofort den Wohlfühleffekt beim Betrachter. Einfach herrlich, fast nur Sonnenschein. Dort würde ich liebend gern einige Tage meinen Urlaub verbringen wollen - und das Skript läßt keine Gelegenheit aus, die ganze Pracht der Kulisse in die Handlung zu integrieren. Zahllose Aufnahmen von exotischen Tierchen, die Natur aus der Unterwasserperspektive - hundert Minuten sind viel Zeit, die es totzuschlagen gilt, und das tut Kleiser eben auf diese Weise. Darüber hinaus wird allerdings vergessen, daß ein schöner, endlos kitschiger Bilderreigen nicht gleichbedeutend mit Unterhaltung ist. Da kann ich mir genauso gut eine Dokumentation ansehen. Soweit gehen und diesen Aspekt als entscheidende Verbesserung in der Gesamtwertung ansehen, will ich jedoch keinesfalls.
Fazit: Ich ahnte, was auf mich zukommen würde, und es trat genau das ein, was ich befürchtete: Ein unerträglicher, schmerzhaft zahmer Langeweiler, der außer einem zauberhaften Schauplatz rein gar nichts zu bieten hat. Keine Spannung, kein Witz, dafür schwache Darsteller und Kitsch bis zum Abwinken. Dramatik mag vielleicht, wenn überhaupt, in den letzten fünf Minuten aufkommen, sollte man bis dato nicht längst sanft entschlafen sein. Wenn der Film nicht ein solcher Erfolg gewesen wäre und so viele Fans gefunden hätte, würde ich glatt behaupten, das Ganze wäre wahrscheinlich allerhöchstens etwas für Rosamunde-Pilcher-Fans. Für mich mochte sich zu keinem Zeitpunkt der Zauber einstellen, den viele Zuschauer laut IMDB empfunden haben, aber ich bin dazu wohl auch zu spät geboren.
GESAMT: 1/10