Man mag es kaum glauben, doch Hollywoods Drehbuchautoren können doch noch mit Qualität überraschen. Nun sind Daniel Pyne („White Sands“, „The Sum of All Fears”) und Dean Georgaris („Lara Croft Tomb Raider: The Cradle of Life”, „Paycheck”) alles andere Koryphäen ihrer Zunft, den Stoff des Originals aus dem Jahr 1962 von John Frankenheimer („French Connection II“, „Ronin“) zu entstauben und zeitgemäß aufzubereiten, verstehen sie aber. Bei all seinen erschreckend realitätsnahen Ansätzen, bleibt letztlich aber die Frage wen denn der überschätzte Jonathan Demme („The Silence of the Lambs“, „Philadelphia“) hier eigentlich ansprechen wollte. Denn hätte man „The Manchurian Candidate” kurz vor der Präsidentenwahl ins Kino geschickt, hätte die sich ohnehin mühevolle Wiedereinspiel des Budgets wohl als zerplatzende Seifenblase entpuppt.
Zumindest im Umgang mit den aktuellen Ängsten der amerikanischen Bevölkerung, diversen Verschwörungen und Bedrohungen weiß Demmes paranoider Politthriller zu gefallen. Schwerer, kaum massenkompatibler Tobak bleibt es trotzdem. Was ja nichts Schlechtes sein muss, wenn sich denn Thrill und Anspruch einstellen.
Soldat Ben Marco (Denzel Washington, „Training Day”, „Man on Fire”) leidet genau wie seine Kameraden und viele Veteranen unter dem sogenannten Golfkriegssyndrom, ist alleinstehend und sitzt eher repräsentative Aufgaben annehmend die Zeit bis zu seiner Pensionierung ab. Als er eines Tages einem alten, sichtlich verwirrten Kameraden aus dem Golfkrieg über den Weg läuft, konfrontiert der ihn mit Träumen und der Frage, ob er sich sicher sei, dass seine Erinnerung ihn nicht betrüge. Bei einem Vorfall rettete seinerzeit Raymond Shaw (sehr statisch: Liev Schreiber, „Sphere“, „The Sum of All Fears“) seiner ganzen Gruppe das Leben, doch seine Träume sagen ihm etwas anderes. Sie sagen ihm, dass sie verschleppt und einer Gehirnwäsche unterzogen worden sind, sowie diverse Implantate eingesetzt bekamen. Marco beginnt nachzuforschen und entdeckt Ungeheuerliches...
Denn die Wahlen stehen ins Haus und ausgerechnet Raymond Shaw wurde als Vizepräsident aufgestellt. Ist er möglicherweise nur ein manipulativer Charakter seiner machthungrigen Mutter und Senatorin Eleanor Shaw (herrlich unsympathisch: Meryl Streep, „The Bridges of Madison County“, „Adaptation.“) oder gar ein eingeschleuster Schläfer des allmächtigen Manchurian-Konzerns?
Diese Frage beantwortet der Film schon leider reichlich früh, was ihm einiges an Spannung kostet. Dafür weidet sich „The Manchurian Candidate” an Ben Marco der mit seinen Vermutungen überall auf taube Ohren trifft beziehungsweise auf offene, die dann taub gemacht werden.
Denzel Washington spielt seine Rolle mit Routine herunter, glänzt wenig, muss sich hier aber auch sehr paranoid geben. Schade daran ist nur, dass wir längst wissen, das alles, was er glaubt zu wissen, auch der Wahrheit entspricht. Mulmig wird es aber schon, wenn man im Hintergrund Meldungen und Szenen geboten bekommt, in denen der riesige Rüstungskonzern sich alle Aufträge und mehr an Land zieht. Mit privaten Truppe, die die reguläre Armee unterstützen, ist man, wie jüngst Söldnereinheiten im Irak bewiesen, auch längst nicht mehr fernab der Realität.
Hübsch verworren und voller unwillkommener Überraschungen kommt „The Manchurian Candidate” daher. In Nebenrollen geben sich Jon Voight („Deliverance“, „The Odessa File“) als ausgebooteter Senator, Bruno Ganz („Der Untergang“) und ihre Standard erfüllend Charles Napier (Zum wievielten mal eigentlich?), sowie Miguel Ferrer ein Stelldichein. Wirklich beflügeln können sie den Film aber nicht, dafür sind ihre Rollen zu klein.
Wirklich gut, ist Demmes Film dann, wenn er Rätsel aufgibt oder Unglaubliches zeigt – wie das Einsetzen des neuen Chips. Da wacht Marco plötzlich mitten im Park auf und weiß nicht wie er dorthin kam, wird von einem Beobachter photographiert und ständig überwacht. Er fühlt sich in die Ecke gedrängt, weiß nicht mehr wem er trauen kann, entdeckt an sich selbst so ein Implantat und vermutet bald eine riesige Verschwörung. Die Albträume, die Experimente, die Morde und die verzweifelte Flucht treiben seinen Wahn nur noch voran. Wem aber kann er sich anvertrauen, wenn der gesichtslose Konzern überall seine Spitzel sitzen hat?
Das fragt sich auch der Zuschauer, denn der hat bisweilen Mühe durch das dichte Konstrukt durchzusteigen. „The Manchurian Candidate” ist nicht so komplex wie er sein möchte, aber höllisch kompliziert erzählt und deswegen alles andere als geeignete Ware für den snackigen DVD-Abend.
Dafür bezieht er immerhin Stellung, setzt die Wahlspots und glamourösen Auftritte in Kontrast mit den Ränkespielen hinter den Kulissen und zeigt eine Bedrohung die längst nicht mehr von außen, sondern von innen kommt und aus den eigenen Reihen langsam, aber sicher zur Macht greift. Genau diese Korruption, der Einfluss der Konzerne unter der Bush-Administration, findet sich hier wieder.
„The Manchurian Candidate” besitzt nicht zuletzt dank Kameramann Tak Fujimoto, der ja nun schon zweimal unter M. Night Shyamalan mit beängstigend innovativ-düsterer Kameraarbeit entscheidend zur beklemmenden Atmosphäre beitrug, einige hypersurreale Szenen, die sich gnadenlos ins Gedächtnis einbrennen und auch für Albträume beim Betrachter sorgen kann. Die, wenn auch seltenen, Auftritte von Atticus Noyle (Simon McBurney, „Eisenstein“) sind pure auf Zelluloid gebannte Angst. Seine Experimente handelt dieses Monster wie ein Zahnarztbesuch ab. Wer ruft da Mengele?
Fazit:
Schwer verdaulicher Filmstoff, der seine Stärke aus den Verschwörungstheorien schöpft, die inzwischen vielleicht gar keine Theorien mehr sind, sondern längst in die Tat umgesetzt worden sind. Man vergleiche doch nur mal den in vielen Szenen apathischen, gesteuerten Liev Schreiber mit diversen Auftritten George W. Bushs.
Jonathan Demme beginnt leider den Fehler zu früh die Wahrheit zu offenbaren und damit alle Zweifel zu zerstreuen. Das kostet dem Film einiges an Spannung. Charaktere wie Delp erhalten zu wenig Zeit, die Kurzschlussreaktion Eleanors zum Schluss ist auch überzogen, insgesamt stellt „The Manchurian Candidate” mit seinem unbequemen Thema aber zufrieden. Hübsch paranoid, beklemmend und schweißtreibend ist die Angelegenheit nämlich.