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Nunploitation – was zum Teufel mag das wohl sein?

Nun, man könnte es sich als Exploitation in der Zeit des Mittelalters vorstellen, in dem kunstvolle Bilder eines Nonnendramas neben inquisitorischer Folter und nackten Brüsten stehen und sogar mit einer interessanten Geschichte aufwarten kann.

Wir schreiben um 1400 herum in Italien.
Zwei Kinder beobachten die Überreste eines Gemetzels – das Schlachtfeld ist voll von durchbohrten Leibern; kein Glied mehr am zucken...außer einem Arm, der einem sympathisch aussehenden Ritter gehört. Doch bevor das Mädchen, Flavia genannt, ihm helfen kann, wird der Ritter von ihrem Vater getötet. Einige Jahre später:
Flavia hat sich (zwangsweise) einer Glaubensgemeinschaft, einem Nonnenkloster angeschlossen und versucht das Not und das Elend der Welt zu lindern. Ihr Vater hingegen ist auf der „dunklen Seite" der Kirche, foltert und tötet...

Während den dicht - atmosphärischen mittelalterlichen Klängen von Niccola Praviani führen die Credits durch den Alltag der Klostermauern, das Leben der Nonnen bei all ihren Tätigkeiten begleitend, welches sehr gut dargestellt wird. Man fühlt sich hier richtig in das Mittelalter versetzt.
Die Klostermauern mögen im Gegensatz zu den darstellenden Nonnen echt gewesen sein; sehen sie doch alt und sehr gut gewählt aus. Auch Bauten und Kostüme passen sich dem Niveau an. Man kann wirklich sagen das es authentisch aussieht.

Die passende Filmmusik ist wirklich sehr gelungen. Der flöten- und geigenlastige Score mischt sich mit anderen mittelalterlich anmutenden Instrumenten, wird mal von Choralgesängen begleitet und dies alles verwendet Praviani um die Intensität und Atmosphäre von „Flavia“ zu dichten – dies gelingt ihm vollends. Auch die bildlichen (Außen)Aufnahmen sind von höchster optischer Güte; die wunderbare Landschaft fängt der Kameramann Alfio Contini in tollen Weitwinkelaufnahmen ein, auch sonst weiß die Regie Gianfranco Mingozzis gefallen.

Doch was wäre nicht das Mittelalter ohne Folterungen und dementsprechende Geräte. „Flavia“ mag zurecht der "härteste" Nunploitationer sein, wird im Film doch recht derbe gequält, wobei man auch hier versucht hat authentisch zu bleiben.Quälereien wie Beträufelung mit heißem Öl und folgendem Brustwarzen abreissen – explizit und gut gemacht, jedoch sind die Effekte rar im Film gesät. Sachen wie Kastration eines Pferdes (sick!) oder Vergewaltigungen sind auch eher zweifelhaftere „Vergnügungen“, jedoch nur storyintensivierendes Stilmittel.

Die sexuelle Komponente ist etwas weniger ausgewalzt als die Folterungen und das tut dem Streifen sehr gut, hebt eher mehr die dramatische Seite hervor als Neugier zu befriedigen. So ist eine Szene sehr „schweinisch“, dennoch bleibt alles im softeren Bereich – optisch - körperlich gesehen, denn bei Vergewaltigungen wird nur bisweilen abgeblendet.

„Flavia“ hat einige wirklich tolle Bilder; neben dem Gefühl sich im Mittelalter zu befinden und den Landschaftsaufnahmen gibt es noch einige schön surreale Szenen. So betet eine Schwester am Anfang des Filmes zum heiligen Georg, sie doch bitte „von der Tarantel gestochen werden zu lassen“. Das Gemälde nimmt plötzlich menschliche Form an und berührt die Schwester mit dem Schwert, die sich dann extasevoll der vom „Wahnsinn“ besessenen musizierenden Gruppe, die sie aus Nächtstenliebe reingelassen haben, anschließt und „ausflippt“. Durch sanfte Orgelklänge wird der Teufel vorerst ausgetrieben und die ehemals Besessenen der Mauern verwiesen.Als Schwester Flavia einem zurückgelassenen, wimmernden Mädchen helfen will, wird es von der Oberschwester knallhart rausgeworfen.

Aber so ist die Welt, wie Flavia sehen muß. Ungerechtigkeiten, sexueller Drängung und Demut (selbst in den eigenen Reihen) und Pein scheinen die männerdominierende Welt zu regieren. Sie hat Probleme mit dem System des Klosters und der frauendenunzierenden Männerherrschaft , will etwas verändern. Aber es ist zu schwer und selbst so eine willensstarke und kämpferische Frau hat es alleine nicht leicht. Als sie den Juden Abraham kennen lernt, scheint sie mit ihm einen Verbündeten gefunden zu haben..bis die Muselmanen angreifen und Flavia mehr als nur einen Glaubenskampf führen muß.

Man merkt auch schon das der Film zwar nicht spottend, aber schon kritisch das Thema „Kirche“ behandelt. Klostermauern als Kulisse von Graumkeiten und Obszönitäten? Jedoch werden die Bilder in eine annehmbare Geschichte, einer Tragödie einer Nonne die dem Pope quasi in den Po treten möchte, verpackt, so das der Film zwar hart ist, jedoch nicht auf Effekthascherei zielt. Denn mögen die Tötungen und Gewaltakte noch so grausam sein, sind sie doch ein Relikt dieser Zeit. Die Kirchenkritik ist teils oft auch unterschwelliger Art – z.B. wird ein Holzkreuz von Nonnen dazu gebraucht, „ungehorsame“ Schwestern mit einem Seil festzuknoten (als Drehstock benutzend).

Im Vordergrund steht jedoch der Lebensabschitt Flavias in den Klostermauern und ihre Auflehnung, interessant gestaltet und sehr gut umgesetzt. Abgesehen von ein paar humoristischen Einlagen (z.B. als eine ältere Nonne zusammen mit Flavia einem von den angreifenden Moslems wegrennenden christlichen Männern in die Eier greift und ein spöttisches Kommentar bzgl. ihrer ach so starken Männlichkeit abläßt) ist „Flavia“ recht ernst.

Die Darsteller – vor allem voran Florinda Bolkan als Flavia –agieren sehr gut, aber eben die die Zeichnung der Flavia – welches alleiniger Hauptstrang ist - ist besonders gelungen. Ihr Wandel vom Klostermauerblümchen zur Kletterrose ist nachvollziehbar und realistisch, wenn auch für diese Zeit von Seltenheitswert; auch wenn der Film vage auf wahren Ereignissen beruht.

Dennoch hätte sie, wäre sie auch noch so energisch und kompromißlos, keine Chance gegen die echte damalige Obrigkeit, welche hier gut dargestellt wird.
Die Ordenshäupter und Folterknechte sind ebenfalls gut agierend, Wahnsinn und Sadismus empfinden lassen.

Besonders das Ende ist knallhart und bisweilen sehr irreal. So gibt es eine sehr bizarre längere Traumsequenz mit dem aus dem Gemälde steigenden Heiligen, in dem u.a. eine eigenwillige Interpretation des Abendmahles stattfindet oder sich nackt in einem herunterhängenden, ausgeweideten Kuhkörper gesuhlt wird. Solch eine Sequenz ist in diesem Film einmalig, auch wenn es noch eine Vielzahl weiterer interessanter Szenen gibt; diese „Orgie“ ist eine Einleitung eines blutig – bizarren Finales, in dem Flavia in voller Rüstungsmontur einen voerst letzten Kampf ihres Glaubens wegen führt...

Fazit: Krude mittelalterlicher Exploitationer in berauschender Kulisse mit unausgewogener Mischung aus vermehrt interessantem Dramas und wenigen drastischen Szenen, was der Intensität der Story dennoch keinesfalls schadete. Trotz des reisserischen alten deutschen Titels „Nonnen bis aufs Blut gequält“ ist der Film für den Splatterfreund uninteressant, die die auf Effekte und noch mehr Torture – Szenen aus sind, sei „Mark of the Devil“ aka "Hexen bis aufs Blut gequält" zu empfehlen; wer anspruchsvollere Genrefilme wie den „Witchfinder General“ mochte, sollte aber bei „Flavia“ mal einen Blick riskieren.

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