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„Flavia – Leidensweg einer Nonne“, im deutschsprachigen Raum auch bekannt als „Castigata, die Gezüchtigte“ oder unter dem noch unpassenderen Titel „Nonnen bis aufs Blut gequält“, gilt oft als Vertreter des Nunploitation-Genres. Doch damit würde man dem 1974 entstandenen Film des italienischen Regisseurs Gianfranco Mingozzi nicht gerecht, handelt es sich doch trotz einiger gezeigter Nacktheit und drastischer Gewaltszenen keinesfalls um ein hochgradig spekulatives Stück Zelluloid, sondern vielmehr um ein historisch anscheinend verbürgtes Mittelalterdrama emanzipatorischer und antiklerikaler Ausrichtung.

Erzählt wird vom Aufbegehren der Nonne Flavia (hervorragend verkörpert von der gebürtigen Brasilianerin Florinda Bolkan, „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“, „Spuren auf dem Mond“), einst von ihrem brutalen Vater ins Kloster gesteckt, die sich gegen das Patriarchat und frauenfeindliche Religionen auflehnt, nachdem sie hinter Klostermauern Misshandlung, Vergewaltigung, Folter und Tod erfahren hat – meist verübt von Männern gegenüber Frauen. Mingozzi zeigt die christliche Kirche so, wie sie war bzw. bisweilen noch immer ist: Heuchlerisch, verlogen, verbrecherisch und grausam – und eben hochgradig frauenfeindlich. Nun sieht Flavias Rebellion aber nicht so aus, möglichst häufig unbekleidet durchs Bild zu springen und sich fleischlichen Gelüsten hinzugeben, sondern sich recht unexploitativ mit den Inhalten ihrer Religion auseinanderzusetzen, unbequeme Fragen zu stellen, zwischen Verzweiflung und Kampfesmut hin- und hergerissen zu sein und sich schließlich mit den Moslems gegen ihre „eigenen“ Leute inkl. ihres Vaters zu verbünden – die, wie sie schließlich feststellen muss, auch nicht besser sind.

Musikalisch verzückend untermalt von sakralen Gesängen und Klängen und fotografisch nicht nur mit einem Händchen für realistisch und stimmig anmutende Kulissen und Drehorte, sondern auch mit einer Schwäche für schwelgerische Panoramen und einem Sinn für atmosphärische Ästhetik gesegnet, ist „Flavia“ nicht nur, was die mutige, fortschrittliche, vermutlich gerade im katholischen Italien als ketzerisch aufgefasste Handlung betrifft, sondern auch in Bezug auf die handwerkliche, technische Seite von einem mich der bei der Erstsichtung überraschend habenden hohen Qualitätsstandard. Die Dramatik und Tragik der nüchtern und bis auf wenige komödiantische Auflockerer ernsthaft erzählten Geschichte wird unterstrichen von einer Handvoll verstörend-brutaler Szenen, die sich in ihrer Unaufgeregtheit gut in das lebens- und menschenfeindliche Ambiente einfügen. Surreale Traum- und Rauschsequenzen kehren die Psyche ihrer Protagonisten nach außen, die darauf konditioniert wurden, diese im Verborgenen zu halten, zu verleugnen und zu negieren.

Obwohl Mittelalterdramen nun eigentlich nicht unbedingt zu meinen bevorzugten Lichtspielen gehören, gefällt mir all das Beschriebene dieses Films ausgenommen gut. Weniger mit meiner Vorstellung von Filmgenuss korrespondieren Dramaturgie und Spannungsaufbau, Oberhand behält ein pessimistischer, dokumentarischer Stil.

Fazit: „Flavia – Leidensweg einer Nonne“ hat mit Nunploitation nicht viel zu tun, war vielmehr evtl. eher Inspiration für echte Nunploitater. Nicht zuletzt reißerische deutsche Titel dürften für ein aufgrund falscher Erwartungshaltung enttäuschtes Publikum gesorgt haben, während einer selbsternannten intellektuellen, cineastischen Elite die grafisch explizite Umsetzung Unbehagen bereiten und überfordern dürfte. Ergo ein weiteres mediterranes Qualitätsprodukt, das sich angenehm zwischen die Stühle setzt und polarisiert.

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