Review

Spannender Gerichtsthriller über den Verlust von Menschenwürde

Henri Young hat zu Ende der Dreißiger Jahre nichts schlimmeres getan als fünf Dollar zu stehlen, verhaftet zu werden und in Alcatraz einzusitzen – und einen Fluchtversuch zu unternehmen, für den er jedoch übel büßen muß, nämlich mit mehr als drei Jahren Einzelhaft im Verlies des Gefängnisses. Diese Dunkelhaft verändert ihn völlig, und so bringt er einen Mithäftling um, der ihn verraten hat. Dafür soll er hingerichtet werden, doch bis es dazu kommt, ist ein fairer Prozeß nötig. Ein junger Anwalt wird Henri zur Seite gestellt und entdeckt schnell, daß Henri das Opfer grausamer Gefangenschaft ist, geplagt von einem sadistischen Direktor, von der Menschheit vergessen. Wider jede Vernunft engagiert sich der Anwalt für Henri und gegen das System, erreicht die Verurteilung zu einer geringeren Strafe, hat gewonnen....doch Henri muß zurück nach Alcatraz, genau wissend, was ihn dort in den letzten Jahren seiner Haft erwartet. Ein Pyrrhussieg....

Gerichtsthriller, egal ob Buch oder Film, folgen stets einem bestimmten Muster. Der Fall erscheint für den Angeklagten immer ausweglos, doch durch spektakuläre Wendungen, gezielte, taktisch kluge Befragungen und ausgezeichnete Plädoyers gewinnt immer die anscheinend hoffnungslos unterlegene Verteidigung. Nicht anders ist es hier, wurde doch Henri bei seiner Tat von mehr als 200 Zeugen beobachtet. Doch ein Unterschied zwischen diesem Film und der Ware von beispielsweise John Grisham ist entscheidend, denn hier ist der Sieg zugleich auch eine Niederlage. Zwar wurde Alcatraz später geschlossen, doch für Henri kommt das zu spät. So erhebt sich der Film aus der masse vergleichbarer Streifen hervor, denn das Sujet ist zutiefst erschütternd. Wie ergeht es einem Menschen nach drei Jahren Dunkelhaft – und hat ein derartiger Strafvollzug seine Berechtigung? Diese Fragen wirft der Film auf, ohne sie plakativ zu beantworten.

Und das liegt vor allem an der Darstellung des Henri, der von Kevin Bacon mit allen Nuancen famos gespielt wird. Auch Christian Slater als junger Anwalt liefert hier eine seiner besten Leistungen ab, ebenso hervorragend sind die Nebendarsteller, allen voran wieder einmal Gary Oldman. Fantastisch gelungen ist auch das Ambiente, durch wochenschauartige Zwischensequenzen fühlt man sich zurückversetzt in die Zeit der Handlung. Da stimmt jedes Detail, inklusive des feinstimmigen Scores. Dennoch bleibt dem Film die Höchstwertung verwehrt, denn er ist ein wenig zu lang und hat in der zweiten Hälfte die eine oder andere überflüssige Nebenhandlung. Aber wie immer in diesem Genre kulminiert alles im finalen Auftritt der Jury, wobei man den Schuldspruch aus Erfahrung kennt. Liebevoll in Szene gesetzt, das sei abschließend noch erwähnt, sind die Aufnahmen aus dem Gerichtssaal, auf stilistische Mätzchen wurde zum Glück verzichtet. So kann man zwei Stunden intelligente Unterhaltung mit eindrucksvollen Darstellern genießen, wer Action rund um Alcatraz erhofft, sollte bei „The Rock“ bleiben. 8/10

Details
Ähnliche Filme