Review

Mariel, der Meerjungmann

„Als erstes müsst ihr lernen, dass ihr euch ständig im Krieg befindet!“

„Die Blutbestie von Rio“ aus dem Jahre 1979 ist eine von anscheinend nur drei Regiearbeiten des Brasilianers Antônio Calmon. Es handelt sich um einen biographischen Action-Thriller, der das Leben Mariel Maryscotts nachzeichnet.

Als Bademeister an der Copacabana rettet Mariel Maryscott (Jece Valadão, „Bordell Copacabana“) regelmäßig Leuten das Leben – eines Tages auch das eines Selbstmörders, der gar nicht gerettet werden wollte und Mariel bittet, sich seiner Tochter, einer Prostituierten, anzunehmen. Ferner arbeitet Mariel als Rausschmeißer, wodurch die Polizei auf ihn aufmerksam wird und für sich gewinnen möchte, nachdem man Zeuge wurde, wie er eindrucksvoll drei Rowdys verprügelte. Als Polizist wird Mariel Leibwächter eines Politikers und schließlich Mitglied einer über dem Gesetz stehenden Todesschwadron, um das grassierende Bandenverbrechen zu bekämpfen. Doch Mariel wird Opfer eines Komplotts und landet schließlich selbst hinter Gittern.

„Verbrecher sind keine Menschen!“

Achtung: Ich spoilere quasi den gesamten Film, was mir für die Auseinandersetzung mit ihm notwendig erscheint. Der Film entstand zu Zeiten der brasilianischen Militärdiktatur und beginnt mit militärischem Drill-Gebrülle aus dem Off zu einem Vorspann in Abspannlänge, was konterkariert wird von sanftem Frauengesang in einem Nachtclub. „Die Blutbestie von Rio“ reiht zunächst unzusammenhängend wirkende Szenen aneinander, indem er die ersten beruflichen Stationen Mariels zeigt sowie unseren machohaften Protagonisten beim Sex. Ein lächerliches Boxtraining soll anschließend von Mariels Fähigkeiten überzeugen. Begleitet von zynischen Sprüchen zum Thema Politik wird Mariel ausgebildeter Polizist und Leibwächter und befindet sich plötzlich (aufgrund der Sprunghaftigkeit der Handlung) am Tatort eines Mords, der Täter: Lucio Flavio. Dieser hält mit seiner Bande die Stadt in Atem und wird zum meistgesuchten Verbrecher. Hier muss er als Rechtfertigung für das Gründen der staatsterroristischen Todesschwadron herhalten, was der Film mit keiner Silbe kritisch betrachtet. Die Grausamkeit der Verbrecherbanden soll ein Überfall auf eine Apotheke beweisen, im Zuge dessen die Täter eine Angestellte grausam vergewaltigen (was der Film erneut zum Anlass nimmt, entblößte weibliche Geschlechtsorgane zur Schau zu stellen). Zu Disco-Musik erschießt die eintreffende Staatsmacht einige der Gangster, Mariel richtet den mittlerweile wehrlosen Vergewaltiger kurzerhand an Ort und Stelle hin. Seine Schüsse sehen dabei unfassbar ungelenk und dadurch einmal mehr schlicht lächerlich aus. Der mittlerweile ausgezeichnete und zum Helden stilisierte Mariel kümmert sich weiterhin um „seine“ Prostituierte, was in erster Linie bedeutet, dass er sie regelmäßig begattet. Eines Tages jedoch ist sie infolge ihres Drogenkonsums tot, woraufhin Mariel sich in einer bizarren Szene ihre nackte Leiche beschafft und auf den Beifahrersitz seines Cabrios setzt. Nicht minder bizarr sind Folter und sadistische, brutale Tötungen zu einem folkloristischen Chanson. Nachdem die Staatsanwaltschaft gegen die Todesschwadron vorgegangen ist und Mariel verhaftet hat, wird im Gefängnis weitergemordet. Plötzlich ist auch Lucio Flavio tot und wer sein Mörder ist, ist lediglich zu erahnen, doch Mariels hämisches Grinsen verrät es uns.

Uff. Nachdem ich mich durch den Film gequält hatte, wusste ich nicht so recht, was ich von ihm halten solle. Auch ohne nähere Einblicke in die brasilianische Filmindustrie zu haben, entsteht für mich das Bild eines üblen Machwerks, das den realen Mariel Maryscott als staatlich geförderten und schließlich fallengelassenen Mörder glorifizieren soll. Dramaturgisch ist „Die Blutbestie von Rio“ hartes Brot, denn ich kann nicht guten Gewissens behaupten, dass Regisseur Calmon sein Handwerk verstanden hätte. Statt gekonnt Spannung zu erzeugen und dadurch Interesse zu wecken, fügt sich sein Film aus schluderig einandermontierten Einzelszenen zusammen. Dafür springt man fröhlich zwischen Folter, Tod etc. und Sexszenen hin und her, die Maryscott offensichtlich als besonders potentes und bei Frauen erfolgreiches Alphatier darstellen sollen. So etwas mag in sleazigen Exploitation-Streifen, die in erster Linie der Unterhaltung dienen, in Ordnung gehen und amüsieren. In einem vor einem realen Hintergrund gedrehten Film wie diesem wirken sie angesichts der Verbrechen der brasilianischen Todesschwadronen, die halfen, die Militärdiktatur zu festigen, nicht nur fragwürdig, sondern hochgradig zynisch. Erschwerend hinzu kommt das Anti-Schauspiel Valadãos, der in einem ausländischen Filmblog zwar anscheinend als einer der besten brasilianischen Schauspieler aller Zeiten angepriesen wird, hier jedoch rein gar nichts auf die Reihe bekommt. Insgesamt dürfte „Die Blutbestie von Rio“ damit auf unbedarfte Zuschauer wie ein unfreiwilliger, exotischer Trash-Film wirken, der für mich jedoch einen äußerst faden Beigeschmack beibehält. Einer Wertung in Zahlen entziehe ich mich diesmal.

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