Versetzen wir uns mal in einen Studioboss bei Paramount. In seinem Büro hockend, grübelte er darüber nach, ob man nicht mal wieder etwas wagen sollte, einen Film produzieren könnte, der irgendwie anders ist. Und während der Studioboss so diesen Gedanken nachhing, kam plötzlich ein Angestellter herein und schwenkte ein Päckchen. "Das sollten Sie sich vielleicht mal ansehen", sagte er. Neugierig geworden, öffnete der Studioboss das Päckchen, und fand darin eine DVD, auf der sich ein Kurzfilm der Gebrüder Conran befand, zwei gewitzten Computerspezialisten, die ihre Liebe zu klassischen Serials und Abenteuergeschichten in 6 Minuten Schwarz/Weiß-Animation gegossen hatten. Inhalt: Ein böser Wissenschaftler namens Dr. Totenkopf terrorisiert die Bewohner eines Parallelwelt-30er-Jahre-New-York mit seinen riesigen Kampfmaschinen. Doch Rettung naht in Gestalt des legendären Pilotenasses Sky Captain.
Der Studioboss war begeistert. Modernste Computeranimation, die ein betont nostalgisches Flair erzeugt, State-of-the-art-Action, die dennoch an die klassischen Helden wie Buck Rogers gemahnt - "Man bringe mir diese Conrans!" wird er wohl gerufen haben.
Dann ging alles ganz schnell: Die Conrans kamen, sahen und siegten, und verließen das Büro des Studiobosses mit einem fetten Deal in der Tasche. Nicht nur würde ihre Geschichte vom tollkühnen Captain von Paramount zu einem abendfüllenden Film ausgebaut werden, nein, man legte auch gleich die gesamte Produktion in ihre Hände. Nerd dreams come true. Der Studioboss hatte ihnen sogar trotz eines nicht unbedingt gigantischen Budgets ein paar Stars in den Hauptrollen versprochen, wenn man nur den Rest des Films digital erstellen würde. Sets, Equipment, Beleuchtung, das müsse alles aus dem Rechner kommen. Kein Ding, sagten die Conrans, scharten eine Armee an Animatoren um sich und verkrümelten sich hinter ihre Monitore. Derweil sorgte der Studioboss für ein paar bekannte Gesichter und heuerte Jude Law, Gwyneth Paltrow, Michael Gambon, Giovanni Ribisi und Angelina Jolie an, die vor der Bluescreen agieren sollten. Die Produktion schnurrte, man war´s zufrieden. Und dennoch, gelegentlich ertappte sich der Studioboss bei einem unguten Gefühl, so, als ob er etwas Entscheidendes übersehen hätte... aber er kam nicht darauf. Und so ging es weiter, die Aufnahmen erfolgten zügig, man war ja dank der Bluescreen-Technik vor enervierenden Aussendrehs gefeit, die Spezialeffekte nahmen Gestalt an, und man gestattete sich sogar den Luxus, den verstorbenen Sir Laurence Olivier digital hineinzufummeln. Aber irgendetwas fehlte doch, überlegte der Produzent... Nun, irgendwann wurde auch der letzte Rechner heruntergefahren, den Stars war langsam blau vor Augen geworden, und der Film erlangte Kinoreife. Freudig nahm der Studioboss am Tag der Premiere im Kinosessel Platz, wissend, hier einen sicheren Hit in der Hand zu haben. Das war doch mal was: Innovativ genutzte Computertechnik, die im Kontrast eine betont altmodische Geschichte erzählte. Geschichte? Moment mal... Um Himmels Willen, das war es! Das hatte ihn so beunruhigt! Der Film hatte ja gar kein richtiges Drehbuch! Auf der Leinwand wurde es hell, und dem Studioboss schwarz vor Augen.
Zugegeben, das war jetzt sehr weit ausgeholt, nur um mit einem läppischen Die-Geschichte-hat-mir-nicht-gefallen-Witz um die Ecke zu kommen, aber ich wollte nur meine Gedanken wiedergeben, die ich beim Ansehen von SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW hatte. Da wird monatelang an einem Prestigeobjekt gefeilt, unzählige Personen sind in so ein Projekt involviert, und dann setzt sich niemand hin und sagt sich, Moment mal, das Drehbuch liest sich ja wie eine Folge von "Käptn Balu und seiner tollkühnen Crew"? Diese Geschichte ist sowas von langweilig, dass ich beim Ansehen, obwohl hellwach, übelst mit dem Einschlafen zu kämpfen hatte. Wenn hier dem klassischen Serial ein Denkmal gesetzt werden sollte (so dies ja mit den INDIANA-JONES-Filmen schon geschehen ist), dann sollte man sich vor Augen führen, dass diese vom Cliffhanger-Aspekt lebten. Die Hauptfigur wurde immer wieder in lebensbedrohliche und kaum zu überstehende Situationen gebracht, um dann das Publikum auf die Fortsetzung zu vertrösten. Spielberg und Lucas setzten dies dann auch kongenial um, indem sie die bedrohlichen Situationen förmlich übereinanderstapelten. Doch was macht der flügellahme Captain? Fliegt ein bisschen in der Weltgeschichte herum, schiesst hier mal einen Flug-Bot ab, rettet dort mal ein bisschen New York. Und das alles so dermassen undynamisch, dass man viel zu viel Zeit bekommt, über die alles andere als ergiebige Story nachzudenken. Man ist besser beraten, es bleiben zu lassen, sonst stolpert man wohlmöglich noch in eins der diversen Logiklöcher, die der Film unachtsam buddelt. Nun ist es ja nicht so, als hätte ich mir hier viel Tiefgang erwartet, aber wenn dieser Mangel nicht durch Spannung ausgeglichen wird, dann wird es heikel. Konnte ich erst gar nicht glauben, dass so ein Film dermassen floppen kann, muss ich nach Ansicht bestätigen, dass hier wirklich keine Bäume ausgerissen werden.
Denn auch die vielgerühmte Computertechnik, heimlicher Star des Films und sein Aushängeschild, konnte mich nicht restlos überzeugen, vieles schwankte zwischen stilistisch beeindruckend und graphisch minderwertig. Dumm, wenn man mitten im Film das Gefühl hat, ein PlayStation-Spiel anzuschauen. Was man den STAR WARS- und MATRIX-Fortsetzungen immer vorwarf, hier ist es gerechtfertigt: Da hat sich jemand einfach ein Videospiel für die Leinwand geschustert. Mich hat es gestört, und ich spiele selbst gerne Videospiele. Hat man zu Beginn des Films noch Hoffnung angesichts des verschneiten Art-Déco-New-York, vermiesen einem die sich häufenden lahmen Flugeinlagen samt ödem Geballere zunehmends den Spaß am digitalen Grundkonzept, und die Notwendigkeit desselben erschließt sich irgendwann eh nicht mehr. Hinzu kommt erschwerend, dass von dieser Sorte Film eine Menge Alternativen herumschwirren, die allesamt besser sind. STAR WARS, FIFTH ELEMENT, anyone?
Die Schauspieler sind auch nur bessere Puppen, sagen lustlos ihre Dialoge auf oder stehen unmotiviert in der Gegend herum. Selbst die sonst doch immer dynamisch agierende Angelina Jolie bietet hier nichts, was man nicht beim Abspann schon wieder vergessen hätte.
Für die Bereitschaft Paramounts, mal etwas anderes zu wagen und zwei Filmfreaks ein Projekt zu finanzieren, für meine grundsätzliche Zuneigung zum Abenteuergenre und die stellenweise nette Anime-Steampunk-Atmosphäre kommt der olle Captain gerade eben auf zweieinhalb Punkte.
Das mag man ganz anders sehen als ich, aber ich halte dennoch fürs Protokoll fest: Jede Folge von "Käptn Balu und seiner tollkühnen Crew" ist dieser Schlafpille vorzuziehen. Denn die machen Spaß.