Review

Einige Werke mit Gérard Depardieu wurden als Skandalfilme bezeichnet. Zum Beispiel DIE AUSGEBUFFTEN aus dem Jahre 1974. Die beiden meiner Meinung nach "schockierendsten" Filme mit Depardieu entstanden 1976: DIE LETZTE FRAU und MAITRESSE.

MAITRESSE ist vermutlich in keinem anderen Land so bekannt wie in England. Verantwortlich dafür war – wie so oft – die BBFC. Zuerst wurde der Film gar nicht zugelassen, dann nur stark gekürzt ab 18 Jahren freigegeben. Ja, auch die Neugierde von ManCity wurde so geweckt (nicht so wie bei der bestimmt schon bald einmal auftauchenden Frage, ob die MPAA für die "R"-Freigabe von THE HILLS HAVE EYES: THE BEGINNING Cuts verlangt hat, wann die Unrated-DVD erscheinen wird usw.)...

Nachdem ich kürzlich die Originalversion von MAITRESSE sehen konnte, wäre ich liebend gerne dabei gewesen, als der Film vor Jahren von BBFC-Leuten erstmals gesichtet wurde... Ich werde in diesem Review lieber auf einen detaillierten Beschrieb einzelner Filmsequenzen verzichten, da zum Beispiel einmal ein Penis, ein kleines Holzbrett, mehrere Spezialnadeln und ein Hammer die "Hauptakteure" einer Szene sind...

Ich habe mit Sicherheit noch nie einen anderen Spielfilm gesehen, in welchem man explizitere S/M-Szenen sieht, die nicht gestellt wurden. Liebhaber von BDSM werden einige Filmminuten auf jeden Fall enorm sehenswert finden.

Zur Story:
Olivier und ein Kumpel helfen einer Frau, die – verständlicherweise – keine Freude an ihrem verstopften Badewannenabfluss hat. Die Frau erzählt ihnen, dass die Besitzerin der untenstehenden Wohnung verreist sei. Bereits kurze Zeit später brechen die beiden Gauner dort ein. Es dauert nicht lange, bis sie einen Mann entdecken, der in ein engen Käfig gesperrt wurde...
Rasch stellt sich heraus, dass die Frau namens Ariane in den unteren Räumlichkeiten ihrer Wohnung ein professionelles S/M-Studio betreibt. Olivier und Ariane verlieben sich ineinander, diverse Probleme sind natürlich vorprogrammiert.

MAITRESSE bietet sehr viele Dialoge. Und nebst den bereits erwähnten, teilweise extrem grafischen S/M-Szenen, macht das Zusammenspiel der beiden hervorragenden Hauptdarsteller diesen Film so unvergesslich. Bulle Ogier ist als Domina und als eher zerbrechliche Frau sehr überzeugend, dass Gérard Depardieu ein wirklich guter Schauspieler ist, macht dies Werk (einmal mehr) deutlich.

Vergleichbar mit dem bereits erwähnten DIE LETZTE FRAU, führt die spezielle Beziehung zwischen dem ungleichen Liebespaar unweigerlich zu Konflikten. Wenn Ariane die – übrigens phantastisch designten – "Folterräume" betritt, dank einer Perücke ihre sonst blonden Haare schwarz werden lässt, wird sie zu einer anderen Person. So wie sich sonst erfolgreiche Geschäftsleute einige Minuten lang von der Herrin dominieren lassen. Nicht nur in der Beziehung zwischen Ariane und Olivier stellt sich öfters die Frage, wer wirklich dominiert – und warum.

Die Kameraarbeit überzeugt, der (sehr dezente) Score ebenfalls.

MAITRESSE ist kein Film, der vielen Zuschauern gefallen wird. Einzelne BDSM-Sequenzen – sowie blutige Aufnahmen aus einer Pferdeschlachterei – werden viele Zuschauer abstossen, die den Film sonst sehr sehenswert finden dürften.
Und typische (S)Exploitation-Fans dürften die zahlreichen längeren Dialogpassagen kaum toll finden...

Hartgesottene, die sich nicht nur für ein oder zwei Mainstream-Genres interessieren, sollten jedoch unbedingt einen Blick riskieren! Wer sich richtig auf dieses Werk von Barbet Schroeder einlässt, erlebt einen sehr eindrücklichen Film, den man kaum jemals wieder vergessen wird!

8,5 Punkte

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