Review

Die Franzosen stehen ja meistens für tollfotografiertes Hochglanzkino. Diese These kann man zweifellos mit diesem recht unbekannten Werk namens "Knastbrüder" unterstreichen.

Es geht, wie der Titel schon sagt, um einen Knast. Im Mittelpunkt stehen dabei die drei Häftlinge Francky, Kader und Grandjean. Francky stellt dabei den rauhbeinigen, gut gebauten Verbrecher dar, der einst bei einem Überfall wegen Mordes angeklagt wurde. Zu Unrecht. Bald bekommt dieser in seiner Zelle Zuwuchs in Form des Plappermaules Kader, ein Wiederholungstäter, dessen große Stärke nicht unbedingt sein IQ ist. Das Trio komplettiert der recht intelligente Grandjean aus der Oberschicht, der so gar nicht zu seinen zwei Zellengenossen passt, da er recht redegewandt und tiefgründig daherkommt. Und außerdem vollkommen unschuldig hinter Gittern sitzt.

Gut, mehr muss man über "Knastbrüder" eigentlich auch nicht wissen. Was die Story anbelangt. Doch auch so lässt der Film recht viel Raum für Spekulationen und Interpretationen. In knapp 90 Minuten wird die Geschichte dreier recht verschiedener Gefängnisinsassen erzählt. Francky, der ganzkörpertätowierte Schrank mit Glatze, der jedoch einen sehr weichen Kern besitzt und noch immer seiner geliebten Frau hinterhertrauert, die er einst im Stich lassen musste, als er für Rico 10 Jahre hinter Gitter wandern musste. Nun will sich seine Frau von ihm trennen und Rico spielt keinen kleinen Grund dabei. Francky scheint allmählich auszurasten. Grandjean wurde von seiner Freundin hintergangen und sitzt deswegen seine Strafe ab. Er ist ständig in der Hoffnung, dass der Berufungsrichter endlich Gnade walten lässt und das Verfahren endgültig zu seinen Gunsten ausgeht. Von Kader erfährt man am wenigsten, jedoch hat er die Lacher und die unterhaltsamesten Momente auf seiner Seite. Ihm scheint es nie langweilig zu werden, denn auch in Einzelhaft hat er seine Klappe andauernd offen, was aber, wie in vielen anderen Filmen, überhaupt nicht stört, weil das meiste nämlich recht unterhaltsam und lustig ist

Die vierte Hauptperson ist eigentlich keine Person, sondern die Optik. Doch von ihr wird "Knastbrüder" hauptsächlich getragen. Mit einer recht eigenwilligen, aber dennoch sehr sehenswerten Bildersprache erzählt Regisseur Laurent Bouhnik das nicht ohne Spannungen verlaufende Knastleben dreier Häftlinge, die unterschiedlich kaum sein könnten. Leider wird hierbei wohl ein wenig zu viel Wert auf Bilder und Kameraeinstellungen gelegt und der Tiefgang ein wenig vernachlässigt. Man lernt die Charaktere zwar schon recht gut kennen, doch "Knastbrüder" stellt den Anspruch, anspruchsvoll zu sein. Da kann man dann auch mehr intellektuelle Dialoge erwarten. Logisch, Francky oder zumindest Kader bringen vielleicht die Anlagen dazu nicht unbedingt mit, doch der Film hätte etwas mehr die Gefühle der Protagonisten wiedergeben können, anstatt in purem Bilderwahn zu enden. Zudem erscheint mir die eigentliche Intention des Films nicht wirklich ersichtlich. Beziehungsweise bleibt unklar, was der Film sein möchte. Am ehesten trifft es wohl Gefängnisdrama, bei dem viel auf die Charaktere eingegangen wird. Der Zuschauer entwickelt Sympathien für drei Verbrecher und deren ungewohnter Freundschaft. Klischeehafte Dauerspannungen, Prügeleien und sonstige Mobbingversuche bleiben hier eher im Hintergrund, währenddessen der Leidensweg oder die jeweilige Gründe, wieso die Personen hinter Gittern sitzen, Priorität genießen. So fühlt man mit Francky mit, der anstatt Rico im Knast sitzt und dann auch noch seine Frau samt Kind verliert. Kader nimmt man als Verbrecher eh nicht wirklich ernst und um Grandjean hat man fast schon Angst, wenn man bedenkt, dass er unschuldig verurteilt wurde und vom harten Gefängnisleben so viel Ahnung hat wie Thomas Brdaric vom Fußball. Nämlich nicht viel. "Knastbrüder" ist also mehr atmosphärisches Charakterkino als aufwühlender Gefängnisfilm. So ganz in eine Schublade schieben kann man den Film jedoch nicht.

Herausgekommen ist dennoch ein sichtlich eigenartiger Knastfilm, wie man ihn bis jetzt noch nicht zu Gesicht bekommen hat. Die ersten Minuten erinnerten mich von der Optik fast ein wenig an "Dobermann" und auch sonst macht der Film keinen Halt vor unkoventionellen Bildern. Leider kommt der Anspruch ein wenig zu kurz. Dennoch bietet "Knastbrüder" abwechslungsreiche, teilweise sogar anspruchsvolle Unterhaltung, die ihr Potential bei Weitem noch nicht ausgeschöpft hat. Leider.

7/10 Punkte

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