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Vier Kleinstadtschicksale aus Coney Island. Die alte Sara Goldfarb (Ellen Burstyn) ist ein Fernsehjunkie. Als sie telefonisch zu einer Sendung eingeladen wird, will sie dort mit einem ganz bestimmten alten roten Kleid auftreten. Um hineinzupassen, nimmt sie Diätpillen und verfällt dem Konsum...sie wird von Hallozinationen geplagt und völlig verstört aufgefunden. Ihr Sohn Harry (Jared Leto) ist heroinabhängig. Mit seinem ebenfalls abhängigen Freund Tyrone (Marlon Wayans) finanziert er sich den Stoff durch Dealereien. Harrys Freundin Marion (Jennifer Connelly) ist ebenfalls süchtig und verkauft für Geld und Drogen ihren Körper. Die Schicksale und Hoffnungen der vier Protagonisten verblaßen und zerfallen, als ihre Abhängigkeiten ins Unermäßliche steigen.
Diese Geschichte basiert auf dem erschreckenden und zynischen Roman von Hubert Selby Jr., der auch für das Screenplay verantwortlich war und sein Werk "Pi"-Regisseur Darren Aronofsky anvertraut hat. Der schafft es, das Schicksal der vier Charaktere so realistisch und verstörend zu verpacken, dass ein Film entsteht, der mehr als nur schockiert oder verängstigt. Aronofskys Werk geht rücksichtlos mit dem Zuschauer um, wagt es, keinerlei Grenzen einzuhalten und zeigt die bittere Wahrheit in unverschleierten und brutalen Bildern. Anfänglich beginnt das Werk langsam und läßt noch Platz für subtile und zynische Scherze. Die Hauptpersonen haben ihr verhältnismäßig armseeliges aber glückliches Leben noch im Griff und verfolgen ihre Träume. Doch schon bald stellt sich Nüchternheit ein; Aronofsky läßt weder den Charakteren, noch den Zuschauern Luft zum Atmen. Alles was zu Beginn zumindest etwas sympathisch wirkte, verpufft und wird in der Mitte auseinandergerissen. Sara, Harry, Tyrone und Marion versinken in ihrer Sucht ohne Hoffnung auf ein besseres Morgen - und der Zuschauer ist beim Zerfall live dabei. Dabei läßt der Film kein trauriges oder abschreckendes Detail unter den Tisch fallen, seien es die Horrorvisionen von der alten Sara, Bilder von Marions traurigen Schicksal als Prostituierte oder Harrys von Drogen total vernichteten Arm. Abstoßend und anwidernd zugleich wiederholt Aronofsky immer wieder die gleichen Bilder und bringt somit seine erschreckende Botschaft auf die Leinwand. Dabei hat der Film allerdings nicht den nervigen Charakter des erhobenen Zeigefingers, auch wenn die Message dieses Drogendramas eindeutig ist. Den emotionalen Schlag in die Magengrube verschafft uns der Streifen gen Ende. Mit steigendem Tempo werden die Schicksale der vier Abhängigen auf eine am Limit angesetzte Art und Weise dargestellt. Die grausam-intensiven Bilder wirken wie ein Schlag ins Gesicht und reißen den Zuschauer förmlich auseinander. Aronofsky zeigt, wie grausam die unverblümte Realität in der scheinbar so wunderschönen Welt sein kann und übt dabei auch gleich Gesellschaftskritik in Form einer ignoranten und gefühlskalten Umwelt aus, für die das Wohl des Nächsten eine Nichtigkeit ist. Das in der Welt so vernachlässigte Individuum wird zum Zentrum in "Requiem For A Dream". Und dennoch steht im Vordergrund immer, was aus Menschen wird, wenn sie sich ihrer eigenen Sucht hingeben und sich darin verlieren. Aronofskys Film ist Paradebeispiel, wenn es darum geht, menschliche Emotionen gekonnt und gezielt anzusprechen. Dies schafft er mit abstoßenden aber ehrlichen Bildern, sich ständig wiederholenden Botschaften und eigentlich sympathischen Charakteren, zu denen man eine Beziehung aufbauen kann. Tricktechnisch zieht der Film alle Register: Zeitrafferaufnahmen, ständige Sprünge, Geschwindigkeitsänderungen und ein positiver Overkill an Schnitten heben die Wirkung des Films hervor. Ebenfalls zu begrüßen sind das unglaublich realistische Makeup und die beklemmende und absolut perfekt abgestimmte Musikuntermalung. Die Starbesetzung um Burstyn, Leto und Connelly ist einfach hervorragend und die Hauptdarsteller spielen mehr als nur überzeugend. Auch Regie, Kamera und Schnitt bewegen sich auf obersten Level und ergänzen sich perfekt zu einem unvergessenen Meilenstein der Filmgeschichte. "Requiem For A Dream" ist perfektioniertes Filmwerk, dass keinen Anlass zur Kritik läßt. Allerdings sei gesagt, dass der Film ein beinahe 2-stündiger Trip durch die Hölle ist und nicht ein einziges Mal einen Sonnenstrahl durchläßt. Frohnaturen müssen sich durch das düstere Werk quälen, sofern sie es überhaupt bis zum Schluss durchhalten. Eigentlich sollte es völlig unmöglich sein, dass "Requiem For A Dream" irgendjemanden kalt läßt. Ist dies trotzdem der Fall, sollte man sich Gedanken über sich selbst machen.
"Requiem For A Dream" ist eine Großtat von Regisseur Darren Aronofsky, die zum Glück nicht durch die rosarote Brille erzählt oder die ernsthafte Thematik mit dummen Blödeleien und Witzchen auf einem gesunden Niveau halten will. Was dieses äußerst vernichtende, bewegende und schockierende Drama erzählen will, ist nichts weiter als die kalte und grauenhafte Wahrheit alleingelassener Menschen, die ihrer Sucht nicht mehr Herr werden und deshalb ihr Leben und alle Träume aufgeben müßen. Ein unvergeßliches und grausam-brutales Drama, dessen Bilder beinahe so vernichtend sind, wie die schlimmste Drogenabhängigkeit. Filme wie Trainspotting können nach Hause gehen!

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