Mako ist die Anführerin einer Girls Gang. Na ja, OK, Gang ist ein wenig übertrieben: Es werden Männer auf Parkplätzen beraubt und es wird getanzt und Haschisch geraucht. Die (männlichen) Eagles mit ihrem Anführer Baron sind da schon ein ganz anderes Kaliber: Die fahren in alten Militär-Jeeps durch die Gegend und verprügeln nicht-reinrassige Japaner. Sogenannte Mischlinge, die sie aus Langeweile mit eingebildetem Hass verfolgen. Susumu, Barons rechte Hand, behauptet, dass Makos Freundin Megumi seine Geliebte sei. Als der Streuner Kazuma sich mit den Eagles anlegt, weil er in Megumi meint seine lang gesuchte Schwester wiedergefunden zu haben (und weil Mako sich in Kazuma und in Baron zugleich verliebt), wollen die Eagles für klare Verhältnisse sorgen: Kazuma wird übelst mißhandelt, und Baron geht mit Mako ins Bett, während gleichzeitig ihre Freundinnen an eine Gruppe Amerikaner verkauft werden, die die Frauen vergewaltigen. Ab jetzt herrscht Krieg auf den Straßen! Und das bedeutet, dass Kazuma dem Tode geweiht ist.
Man könnte die Handlung auch durchaus vernachlässigen. Was an SEX HUNTER! zuerst auffällt ist dieser unglaubliche Stilwille, dieses Aneinanderhängen ikonischer Bilder zum Erzeugen von Stimmung. Aber noch viel eminenter ist die Fetischisierung von allem was amerikanisch ist: Die Pilotensonnenbrillen der Eagles, die Werbung für Firestone und alle Männer rauchen ausschließlich Lucky Strike, der amerikanische Blues in der Mischlings-Bar Mama Blues, die Willys Jeeps, in denen die Eagles durch die Stadt fahren. Und durch diese gewolle Amerikanisierung ist der Film eine einzige Fundgrube an Zitaten: SEX HUNTER! ist nichts anders als die hochkomprimierte Zusammenfassung aller US-Western, die bis dahin jemals gedreht wurden. Der einsame Mann, der in die Stadt kommt um seine Schwester zu suchen, und sich dabei mit den örtlichen Platzhirschen (= Cowboys) anlegt und mit ihnen kämpfen muss, denn einer ist zuviel in dieser Stadt. Das geht soweit, dass Kazuma an einem Lasso hinter einem Jeep hergezogen wird, wie in DER TOD RITT DIENSTAGS - Ja, eine Menge Italo-Western sind natürlich auch dabei, aber die Grundhaltung ist erzamerikanisch: Die Liebesgeschichte. Die Romantik. Kazuma arbeitet als Coca Cola-Fahrer. Und der Messerkampf zu Beginn ist aus DENN SIE WISSEN NICHT WAS SIE TUN entlehnt. Amerikanisches Kino, amerikanische Kultur in seiner reinsten Form.
Was ebenfalls dazu gehört, zu den Begriffen Kino und Kultur gleichermaßen wie zu den Komplexen USA und Japan, ist die Ausgrenzung von Andersartigem. Das Thema in SEX HUNTER! lautet immer wieder Reinrassigkeit bzw. Rassismus. Kazuma ist ein Mischling, gezeugt während der Nachkriegszeit, Megumi also ebenfalls, und dass Baron da ein dunkles Geheimnis hat, welches nur ein einziger Mensch kennt, das bedeutet, dass genau einer zuviel von diesem Geheimnis weiß.
Dieses Thema wird hier sehr spielerisch angegangen: „Sehr passend ist der mehrfache Auftritt der japanischen Pop-Girl Combo Golden Half im Stammclub der Eagles und der Alley Cats, wo sie ihre Top Hits „Gelbe Kirsche“, „Ich will einen Liebhaber“ und „Verbotene Nacht“ zum Besten geben. Golden Half (aka Golden Hafu) bestand aus vier bis fünf Sängerinnen, die halbjapanischer, halb „ausländischer“ Herkunft waren. Anfang der 70er ausgesprochen populär, hatten sie viele Hit Singles und traten unter anderem in der FUJI TV Sendung „BEAT POP“, der Comedy Show „Hachiji Dayo!“ und dem Kinofilm „Delinquent Girl Boss: Blossoming Night Dreams“ auf. Ihre Bekleidung war aufregend knapp und ihre Cover Songs beinhalteten Texte, die eine „einheimische“ TV Pop Combo nicht durchgekriegt hätte. Obwohl halbjapanisch, wurden sie stets als Import Band gehandelt.
Einerseits bedienten Golden Half exakt die japanische Fantasie der hemmungslosen, erotischen Ausländerin im konsumierbaren Format, andererseits nutzten Golden Half das rassistische Stigma um Grenzen auszuloten und unterwanderte dieses vielleicht sogar durch ihren Idol Status.“ (1)
Doch obwohl dieses Thema sehr präsent ist und die Handung überhaupt erst in Gang bringt, könnte man es auch durchaus ignorieren, denn der Großteil des Films ist reine Pop-Kultur auf dem Weg zum exploitativen Filmvergnügen. SEX HUNTER! ist eine Fundgrube für Filmliebhaber. Eine Schatzkiste für Celluloid-Fetischisten und alle die es werden wollen. Ziemlich Over the Top, und doch ernsthaft genug um zu fesseln. Aber Obacht, SEX HUNTER! ist kein durchgeknallter Sexploiter im Stil von DER TIGER VON OSAKA! Im Jahr 1970 wurden durch genau solche Filme die Wege in Richtung Exploitaton geebnet, aber der Stil war noch dem Pop-Kino der 60er verhaftet. So ist auch beispielsweise die düstere Grimmigkeit etwa der SASORI-Filme keinen Moment vorhanden, trotz der wunderbaren Meiko Kaji in der Hauptrolle als Mako, dafür sorgt schon das alles durchdringende Sixties-Flair: Es wird gesungen, Bands spielen in fast-psychedelischen Disco-Ambiente, die Musik changiert zwischen leichen Easy Listening und hartem Beat, und irgendwie hatte ich ständig den Eindruck, dass Seijun Suzuki jeden Augenblick um die Ecke kommt, als so stark empfand ich seinen Einfluss. Was auch kein Wunder ist, arbeitete doch Yasuharu Hasebe am Drehbuch mit, und der wiederum war lange Zeit gemeinsam mit Suzuki an der Arbeit. Und wenn man dann noch weiß, dass Hasebe sehr stark von John Huston und Sam Fuller beeinflusst wurde, dann schließt sich der Kreis …
Wenn also Suzuki jemals einen SASORI-Film nach einem Drehbuch von John Ford gedreht hätte, dann wäre wahrscheinlich so etwas wie SEX HUNTER! dabei herausgekommen. Etwas so Unglaubliches, dass man es selber gesehen haben muss um zu glauben, dass es tatsächlich existiert …
(1): Zitiert aus: http://www.maslohs.de/filmkritiken/dvd-neuerscheinungen/stray-cat-rock-sex-hunter/