Für die Fortsetzung des Kassenknüllers „The Bourne Identity“ überlies Doug Liman („Swingers“, „Go“) seinem Kollegen Paul Greengrass („Open Fire“, „Bloody Sunday“) den Regiestuhl und beschränkte sich auf die Funktion des ausführenden Produzenten. Glücklicherweise wirkte sich diese Personalentscheidung nicht negativ auf das Endresultat aus – positiv aber auch nicht. Trotzdem schlug auch der zweite Teil erwartungsgemäß am amerikanischen Boxoffice ein und spielte gute 175 Millionen ein. Bleibt somit abzuwarten, wann und ob Robert Ludlums (u. a. „The Osterman Weekend“) dritter Bourne-Roman „The Bourne Ultimatum“ verwirklicht wird.
Der Film ist in seinen knapp 100 Minuten ein zweischneidiges Schwert. Das hohe Tempo und die ständige Hektik haben nämlich positive wie negative Seiten. Paul Greengrass frönt zwar optisch weitestgehend der düsteren, grünen, kalten Bildkomposition Limans (Kameramann wieder Oliver Wood, „Die Hard 2“, „Face/Off“), verliebt sich bei seiner Inszenierung aber allzu sehr in eine Wackeloptik mit zu vielen Close-Ups. Der portionierte Einsatz dieser Technik mag über mehrere Minuten, auch weil der Film dadurch einen dokumentarischen Style erhält, brauchbar sein, ist als Dauereinsatz aber, auch in Verbindung mit dem schnellen Schnitt, eine anstrengende Zumutung für den Zuschauer. Insbesondere bei den diversen Auseinandersetzungen und Autoverfolgungsjagden verliert man fast völlig die Übersicht.
Storytechnisch erweist sich „The Bourne Supremacy“ dagegen als überraschend reif und sinnvoll. Auch wenn die Fortsetzung wieder darunter leidet, dass der Plot viel zu schnell heruntergerissen wird und man über Nebencharaktere so gut wie nichts erfährt, wird Bourne (Matt Damon, „Good Will Hunting“, „The Talented Mr. Ripley“), noch immer unter Amnesie leidend, seiner Identität näher gebracht. Sich nach einem Schicksalsschlag wieder in Gefahr wähnend, kehrt er nach Europa zurück, um seine Drohung gegenüber der C.I.A. in die Tat umzusetzen. Doch dieses Mal wird er der C.I.A. nur als Sündenbock vorgeworfen. Typisch Bourne lässt der sich das nicht bieten....
Hauptreiz bezieht der Film, jedenfalls für deutsche Zuschauer, daraus, dass der Großteil in Deutschland genauer Berlin spielt. Der robuste Charme unserer Großstadt gibt einmal mehr den zu selten genutzten europäischen Gegenpart zu amerikanischen, ewig gleich aussehenden Großstädten und den billigen, düsteren, halbverfallenen Ostblockkulissen. Leider entfaltet sich die Story selbst recht altbacken. Das alte Ost-West-Motiv und die rivalisierenden Geheimdienste beider Welten sind hier aber nur Nebensache und ehrlich gesagt bleibt bei dem hier vorgelegten Wahnsinnstempo auch gar keine Zeit da drauf weiter einzugehen. Denn Bourne wird hauptsächlich wieder gejagt, diesmal weil man ihn als Grund eines geplatzten und tödlich verlaufenden Deals wähnt. In kleineren, aber in einem Fall nicht unwichtigen Rollen sind auch wieder Brian Cox („Manhunter“, „X2“) und Julia Stiles („10 Things I Hate About You“, „Mona Lisa Smile“) mit von der Party. Viel mehr bleibt jedoch auch nicht, denn Bourne säuberte im Erstling ja sehr gründlich. Karl Urban („The Lord of the Rings”, „Doom”) ist hier als ebenbürtiger Gegner eine düstere, wortkarge Gestalt mit leider etwas zu wenig Präsenz und Joan Allen („Manhunter“, „The Upside of Anger“) so etwas wie die neue Einsatzleiterin – durchaus mit Hirn und nötigem Durchblick was Bourne und seine Motive angeht.
Klar, das Tempo ist hoch, so was wie Leerlauf ist nicht mal ansatzweise vorhanden und genug realismusbezogene, leider höhepunktfreie, Action gibt es auch. Was also will das Spionageherz mehr? Abwechslung!
„The Bourne Supremacy“ setzt sich, abgesehen von seinem Hauptcharakter, der hier im Vergleich zum Vorgänger schon wesentlich gewöhnlicher rüberkommt, auf Standardmotive des Genres. Der Plot selbst gibt nicht viel Substanz her, was mit der rasanten Abarbeitung des Stoffes geschickt überspielt wird, aber ein Klassiker oder Genrekönig wird da so nicht draus. Liegt vor allem an dem am Tatort gefundenen Fingerabdruck. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wirklich niemand auf die Idee gekommen ist, dass der Hinweis wohlweislich gefälscht und dort aus einem bestimmten Grund positioniert wurde.
Deswegen harke ich „The Bourne Supremacy“ auch als sinnvolle Weiterführung ab, die die gleichen Probleme des Vorgängers hat, so jedoch immer noch weiter über dem Genredurchschnitt liegt und die sowieso rar gewordene, aktuelle Spionage-Konkurrenz locker in die Tasche steckt. Logikfehler? Goofs? Greengrass zieht so flott vom Leder, dass man davon nichts mitbekommt und Matt Damon ist auch dieses Mal ganz auf dem Posten. Sein Charakter schaltet später immerhin aus dem Rache-Modus ganz überraschend auf eine intelligentere Strategie um.
Fazit:
Ordentliche Fortsetzung, die sehr unter der hektischen Inszenierung zu leiden hat. Dank des hohen Tempos fällt der wenig innovative Plot und die kaum vorhandenen Szenen, wie beispielsweise für den als Drahtzieher fungierenden Ölmilliardär, für Nebencharaktere jedenfalls nicht so ins Gewicht. „The Bourne Supremacy“ kämpft mit den gleichen Problemen des Vorgängers, hat aber auch dessen Stärken. Zufriedenstellend dank seines hohen Unterhaltungswerts allemal, ein Meisterwerk wird daraus jedoch nicht mehr.