Im ersten Bild des Films steht deutlich auf dem Briefkasten an der Straßenabzweigung zur Farm geschrieben, wer dort wohnt: "Mr. and Mrs. Richard Johnson" - das heißt, wer dort gewohnt hat: Der Mann (Richard Johnson) ist schon länger tot, seine Frau (die bestimmt nicht "Richard" hieß) ist erst kürzlich verstorben, und nun sind die Kinder - erwachsener Sohn, erwachsene Tochter - da, um das Erbe anzutreten. Der Sohn ist ein Spießer wie aus einer Nachmittags-Talkshow, der das, was ihm Unbehagen bereiten könnte (also fast alles) gar nicht erst wissen will; die Tochter dagegen ist zumindest interessiert an allem. Gut, dass sie nur Geschwister sind, denken wir: was würden die zusammen erleben, wären sie ein Ehepaar?
Vielleicht nichts Schlimmeres als das, was "Francesca" (alias "Mrs. Richard") erlebt hat: ihr Mann war vor allen Dingen "very clean", und das gemeinsame Leben war nicht unbedingt das Große und Ganze, eher "a life in details". Im Radio beim Frühstück liefen Lieder, die 1965 schon Oldies waren - Francesca hört den Text ("Maybe I'm yours") und scheint zu denken: "Maybe I'm not...." Und dann kommen diese ominösen und fatalen vier Tage, während der Vater mit den Kindern unterwegs ist. Und die Szene zum Schluss im Regen an der Ampel dürfte für Liebesdramen mittlerweile schon ein solcher Klassiker geworden sein wie die Psycho - Duschszene für den Thriller...
Clint Eastwood dreht einen Liebesfilm? Nun gut, wer sowieso überhaupt keine Filme dieser Art mag, wird angesichts dieses Beitrages auch nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen; wer dagegen psychologisch fundierte Charakterzeichnungen mag, auch wenn sie in Geschichten präsentiert werden, die alles andere als neu sind, der wird schnell die Reize dieses Films entdecken. Äußerliche Sensationen sucht man hier vergebens - selbst die Schauplätze lassen sich an einer Hand abzählen, der ruhig noch ein paar Finger fehlen dürfen - , aber Eastwood holt aus jeder Szene den maximalen Effekt heraus, wie wir es von ihm gewohnt sind. Und er steht mit seinem Film weit über jeder Rührschnulze, weil wir seine Charaktere so sehr als Menschen erleben, dass wir vergessen, wie durchschnittlich die Story eigentlich ist. Wir glauben einfach den Personen. Und die Schauspieler (Eastwood selbst und Meryl Streep) sind dermaßen überzeugend, dass es auch bei wirklich platten Dialogen (die hier gar nicht vorkommen) eine Freude sein könnte, ihnen zuzuhören. Wir sollten den Film so sehen, wie Meryl Streep verstohlen ihrem zukünftigen Geliebten beim Waschen zuschaut: mag sie sich auch selbst anklagen wegen ihrer "sündigen" Gedanken, abwenden kann sie den Blick dennoch nicht von dem Mann. So ähnlich sitzt man auch vor der Leinwand, wenn dieser Film läuft...