Hollywoods „Goldene Ära“ neigte sich langsam dem Ende zu, trotzdem hatten die Major Studios in den Fünfzigern noch genügend Kohle im Keller, um reihenweise pompös ausgestattete Monumentalfilme in die Kinos zu bringen. Getreu dem Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“ lockte man die Zuschauer so in Scharen in die Lichtspielhäuser, denn auf den ersten Mini-Fernsehgeräten zuhause kamen weder das epische Breitwandformat, noch die satten Farben zur Geltung.
Oft diente die Bibel als Vorlage solcher Monumentalschinken, die nicht selten die Drei-Stunden-Schallmauer durchbrachen. Einer der ersten und bekanntesten Vertreter aus dieser Epoche ist sicher Cecille B. DeMilles „Die zehn Gebote“, seinerzeit ein Remake des gleichnamigen Films von 1923 vom selben Regisseur.
Bei der vorliegenden Verfilmung hielt sich DeMille weitgehend an die biblische Erzählung und bringt den Stoff so auf die Leinwand, wie man ihn aus dem Religionsunterricht im Grundschulalter kennt. So ist „Die zehn Gebote“ eher vorlagengetreu statt kontrovers und bedient im Grunde einmal mehr die Sehnsucht der Zuschauer nach strahlenden, von Fehlern befreiten Helden. Moses verzichtet auf den Pharaonenthron, sondern arbeitet lieber als hebräischer Sklave in Lehm und Dreck bei den Seinen, um diese später aus der Knechtschaft zu befreien. Sieht sich eine alte Frau Gefahr ausgesetzt, springt auch schon Moses ins Bild und bereinigt die Situation. Lediglich später im Film, als Moses das Vorhaben Gottes, alle ägyptischen Erstgeborenen sterben zu lassen, toleriert, wird die Figur immerhin ein bisschen ambivalent.
Dass Moses ausgerechnet von Charlton Heston dargestellt wird, der im Film sein Schicksal voll und ganz in die Hände einer übergeordneten Macht legt und auch sein Handeln danach ausrichtet, macht einen bei der politischen Einstellung Hestons aus heutiger Sicht leider nachdenklich. An seinem schier unglaublichen Charisma ändert sich freilich nichts, weshalb Heston für die Titelrolle in breit ausgewalzten Historienfilmen wie geschaffen ist. Im Fall von „Die zehn Gebote“ steht sein Widerpart Yul Brynner (spielt Prinz Ramses) ihm in Sachen Leinwandpräsenz in nichts nach: Ein Duell zweier Hollywoodlegenden auf Augenhöhe, wobei Brynner seinen obligatorischen Colt gegen den Stab des Pharaos eintauscht.
Sitzfleisch ist dabei freilich gefragt, denn DeMille nimmt sich für seine Erzählung satte dreieinhalb Stunden Zeit, was fast zwangsläufig zu dem ein oder anderen Durchhänger führt. Gehen die ersten zwei Stunden vor allem aufgrund der Intrigen am ägyptischen Hof und der ständigen Spannungen zwischen Prinz Ramses und Moses wie im Flug vorbei, fällt der Film mit der Verbannung Hestons in die Wüste in ein kleines Loch. In der letzten halben Stunde geht DeMille dann noch einmal in die Vollen und reiht fast schon inflationär Höhepunkt an Höhepunkt: Der Auszug der Hebräer aus Ägypten in einer schier erdrückenden Massenszene, die Teilung des Roten Meeres, die Entstehung der zehn Gebote – das gewaltige Budget sieht man zum Schluss in jeder Szene.
Natürlich nagt der Zahn der Zeit auch an diesem Film. Nicht, weil die Effekte veraltet wären (sie sehen tatsächlich nicht viel schlechter aus als in mancher CGI-überfrachteter Comicverfilmung der letzten Jahre), aber manche Szene wirkt aus heutiger Sicht recht naiv. Um Beispiele zu nennen: Der Tanz um das goldene Kalb zeigt eine ausschweifende Orgie genauso, wie man das in den ultraprüden Fünfziger Jahren erwartet hätte und der brennende Dornbusch, aus dem Gott wie Darth Vader zu Luke spricht, machen alles andere als einen zeitgemäßen Eindruck.
Nichtsdestotrotz hat DeMilles Film seinen TV-Sendeplatz am Karfreitag seit einer gefühlten Ewigkeit zu recht sicher: Ein vor Bombast fast schon überlaufendes Bibelepos vor prächtiger Kulisse, mit verschwenderischer Ausstattung und Statisten, soweit das Auge reicht. Die Messlatte übersprang aber nur drei Jahre später ein Film von William Wyler – erneut ein Remake, erneut mit Heston in der Hauptrolle…