Review

Seit den leider nur mittelmäßigen „Wonderful Days“ mal wieder ein gewagter Ausflug in den Anime-Bereich. Was die Mannen um Shinji Aramaki mit „Appleseed“, dem ersten komplett im Rechner entstandenen Anime, aus dem Boden stampften, ist schlicht atemberaubend und selbst für jemanden wie mich, der sonst nicht so sonderlich viel mit den asiatischen Exportschlagern anfangen kann, ein Ereignis.

Dabei wird storytechnisch eigentlich nur Altbewährtes aufgetischt: Ein futuristischer, die Erde zerstörender, ewiger Kampf zwischen Menschen und Bioroiden (menschenähnliche, geklonte Lebewesen) und eine scheinbar paradiesische Stadt namens Olympus (man bediente sich hier bezüglich der Namensgebung auch im weiteren Verlauf ausführlich der griechischen Mythologie), in der beide Rassen in Koexistenz leben. Weil Menschen laut der dortigen Doktrin nicht friedlich zusammen leben können, wurden Bioroiden platziert, um ein harmonisches Leben zu garantieren – quasi die Stütze des Friedens. Doch der Status ist brüchig, denn auf beiden Seiten intrigieren im Stillen Machtgruppen, um ihre Spezies möglichst an die Macht zu bringen und dann den nach ihrer Ansicht ewigen Feind zu vernichten.

Inmitten dieser Ränkespiele findet sich plötzlich die Supersoldatin Deunan wieder. Die seit Jahren im Outback kämpfende Kriegerin, zeigt sich nach ihrer Ankunft sichtlich erstaunt, dass der Krieg hier längst zur Vergangenheit gehört. Sie trifft hier nicht nur ihre ehemalige, große Liebe, sondern auch Überreste ihrer Herkunft und diverse Parteien, über die sich ein Überblick verschafft werden will, bevor man selbst Position bezieht und in die elitäre Polizeieinheit der Metropole eintritt.

Nun strotzen die Charaktere, inklusive fast schon obligatorischer Lovestory, auch nicht gerade vor Neuerungen, doch darauf schien des den Machern auch gar nicht anzukommen. Die Optik und die Action geben sich die Superlative in die Hand und würde Michael Bay einen Anime drehen, dann würde er wohl wie „Appleseed“ aussehen – ein Eyecatcher, durchprogrammiert bis zum letzten Staubkorn.

Allein die überlange Eröffnungssequenz ist ein Augenschmaus sondergleichen. Deunan fightet dort zusammen mit ein paar Mitstreiterin in einer düsteren und zerstörten Stadt gegen eine Übermacht von Bioroiden, die nebenher noch mit Gatlings bestückte Panzer mit sich führen. Das reichhaltige Actionrepertoire bietet Explosionen, Martial-Arts, blutige Shootouts und Pro- wie Antagonisten in aufwirbelndem Staub, vor zerberstenden Gebäuden wegrennend. Alles festgehalten in Slowmotion, wilden Kamerafahrten und 360° Schwenks. Technisch ist „Appleseed“ soweit, wie „Final Fantasy“ seinerzeit wohl gern gewesen wäre. Mit dem Unterschied, dass die Figuren hier nicht menschlich sein sollen, sondern optisch noch klar im Comoc-Style verankert sind.

Etwas für das Auge soll der Anime sein und das stellt er nicht nur in seinen regelmäßigen Actioneinlagen, die sich bis zum zerstörerischen monumentalen Finale steigern und von wilden Verfolgungsjagden durch die Stadt bis hin zu einem infernalen Endkampf gegen riesige spinnenähnliche Kampfroboter reichen, unter Beweis. Die Mädels laufen oft und gern knapp bekleidet durch die Bit-Welt, während optische Hochglanz-Schmankerl (z.B. in Autolack spiegelnde Stadt) kaum ein Ende finden.

Nun hatte solche Gimmicks auch der nun nicht mehr die Referenz darstellende „Wonderful Days“ zu bieten. Dafür mangelte es ihm jedoch an einer mitreißenden Geschichte und vor allem interessanten Charakteren. Auch „Appleseed“ genießt in dieser Hinsicht keine Kritikfreiheit, aber hier wurde einfach flüssiger, attraktiver und vor allem nachvollziehbarer erzählt. Deunan und ihr, sein tragisches Schicksal hinnehmender Freund und Elitekrieger Briareos erwecken mehr Interesse, als die unterkühlten und etwas emotionslosen Figuren in „Wonderful Days“. Der Plot, so sehr ihm auch Innovationen fehlen, hat Drive und Tempo. „Appleseed“ ist trotz seiner Künstlichkeit ein ungemein lebendiges Filmvergnügen geworden. Dazu trägt auch der durch die Bank weg gelungene und gern in den Actionsequenzen einsetzende Score (von Rock bis Techno) seinen Teil bei.

Im Stillen lassen sich selbstverständlich auch hier wieder ethische Botschaften herausfiltern – besonders bezüglich des Klonens. Denn ähnlich wie bei „Blade Runner“ gibt es hier ebenfalls Möglichkeiten das Leben der künstlichen Lebewesen zu begrenzen. Ergänzend dazu philosophische Denkanstöße zu den Themen Fortschritt und den „Matrix“ nicht unähnlichen Ideen zu Motiven wie Maschinen und deren KI. „Appleseed“ hält sich diesbezüglich jedoch sehr bedeckt und stellt die attraktive Inszenierung ganz klar in den Vordergrund.


Fazit:
Ich fühle mich im Animebereich eigentlich nicht zuhause, doch „Appleseed“ war wirklich ein schwer beeindruckendes Erlebnis, das auch abseits seiner Community Fans finden sollte. Inhaltlich gibt es zwar nur Altbewährtes, doch Shinji Aramaki poliert den Stoff mit der neusten Technik auf Hochglanz. Das Resultat ist Effektbombast und eine Optik, an der man sich nicht satt sehen kann. Für die Charaktere ergreift man zumindest Partei und für den Rest sorgen die mit schöner Regelmäßigkeit einsetzenden Actionszenen. Wirklich nicht von schlechten Eltern...

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