Das japanische Animationskino geht neue Wege, Appleseed ist der erste abendfüllende Kinofilm, der auf die, bisher hauptsächlich in Videospielen verwendeten, Technik des CelShading setzt, hierbei werden Polygonenfiguren nicht mit realistischen sondern mit gezeichneten Texturen belegt um einen möglicht Comichaften Look zu erhalten. Als Ergebnis erhält man Figuren die zwar komplett dreidimensional sind, aber nicht nach Computergrafik, sondern eher nach klassischer Zeichnung aussehen, dies wird erreicht in dem die Objekte nicht gerendert sondern durch Raytracing zum Leben erweckt werden. Im Gegensatz zur Technik setzt die Thematik auf altbewährtes, Appleseed basiert auf dem gleichnamigen Mangas von Masamune Shirow, die bereits 1988 als klassischer gezeichneter Anime (auch sehr sehenswert) verfilmt wurden.
Die Befürchtung, dass aufgrund der innovativen Technik, die eigentliche Stärke der japanischen Animationkunst gehaltvolle, interessante Geschichten zu erzählen und diese optisch einzigartig umzusetzen, leidet, bewahrheitet sich zum Glück nicht. Der Film erzählt die Geschichte von Deunan, einer Supersoldatin, die im dritten Weltkrieg auf der Seite der echten Menschen gegen die künstlich geschaffenen Bioroiden kämpft. Mitten im Gefecht wird sie in die Stadt Olympus entführt, dem einzigen blühenden Ort des Planeten, wo Menschen und Bioroiden friedlich koexistieren. Ein komplexes Machtgefüge zwischen den beiden Rassen hat die Herrschaft über die Stadt in seiner Hand. Doch im Hintergrund werden schon fleißig Intrigen geschmiedet und Deunan findet sich mit ihrer Spezialeinheit bald zwischen allen Fronten wieder.
Zwischen der Action nimmt sich der Film viel Zeit uns die politischen Verhältnisse und Vorurteile der Menschen und Bioroiden näher zu bringen. Das funktioniert bestens und ist auch nötig, da die Handlung zunehmend komplexer wird und gegen Ende noch einige unerwartete Twists auf den Zuschauer los lässt. Für Charakterentwicklung ist da so gut wie keine Zeit, die Figuren sind weitestgehend klischeebeladen, was aber nicht so dramatisch stört, da sie immerhin in einer guten Geschichte agieren. Der Film hat eine sehr gute Balance zwischen Story und Spektakel, kein Teil drängt sich in den Vordergrund, viel mehr machen sie sich gegenseitig Platz und sorgen so dafür, dass über die gesamte Spieldauer wirklich keine Sekunde Langeweile aufkommt.
Kommen wir zur Optik, wie bereits erwähnt, geht Appleseed innovative Wege. Die Celshading Figuren passen besser in die komplett computeranimierten gerenderten Hintergründe als gezeichnete Figuren es tun, wie man es zum Beispiel in Ghost in the Shell: Innocence sehen kann. Da die Charaktere nun auch wirklich dreidimensional in den Szenen vorhanden sind, kann die Kamera völlig frei durch die virtuelle Umgebung fliegen während die Figuren immer voll animiert bleiben, was sie meistens auch tut. Diese Animationen sind beeindruckend lebensecht, vor allen in den Actionszenen, bei kleineren Bewegungen in ruhigeren Szenen sind sie manchmal etwas ruppig und abgeschnitten. Zur Action, was soll ich sagen, außer absolut gigantisch. Der Trailer sah etwas nach Computerspiel-Zwischensequenz aus, aber der Film beweißt, dass dieser Stil locker gut genug ist um einen abendfüllenden Animationsstreifen zu füllen. Was hier an rasanten Ballereinlagen geboten wird, sucht dieser Zeit seines gleichen, allein die Eröffnungssequenz ist dermaßen fesselnd, dass man sofort im Film drin ist und bis zum destruktiven Finale in dem gewaltige spinnenartige Kampfroboter die halbe Stadt zerlegen in der Welt von Appleseed versinkt.
Aber ganz perfekt ist Appleseed nicht, denn so genial die Animationtechnik in Bezug auf Bewegungsabläufe auch ist, so beschränkt ist sie leider bei den Gesichtsausdrücken. Mehr als die Augenbrauen anzuwinkeln oder die Zähne zu fletschen bekommen die Figuren nicht hin, daher wirken alle vorgetragenen Emotionen leicht befremdlich. Vor allem in den Szenen wenn Deunan um ihre Mutter oder einen vermeintlich gefallenen Kameraden trauert wird dieses Defizit überdeutlich. Als Ergebnis wirkt der ganze Film etwas emotionslos und kühl, denn wer außer den Figuren soll für Emotionen sorgen und die können diesen Job hier leider technisch bedingt nicht befriedigend erledigen. So ist die, na ja nennen wir es mal Romanze zwischen Deunan und einem robotisierten Ex-Lover auch ein etwas unnötiger Nebenhandlungsstrang. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Japanpop Soundtrack, das mag vielleicht zum Film passen, ging aber deutlich an meinem Geschmack vorbei, ein ordentliches Orchesterscore hätte besser gepasst als dieses seichte Gedudel.
Fazit: Appleseed ist ein bombastisches Science Fiction Spektakel, das neben spektakulären Actionszenen auch noch eine wirklich gelungene Geschichte zu bieten hat. Nicht nur Anime Freunde kommen hier voll auf ihre Kosten, kleinere Mängel wie die statischen Gesichter und der fade Soundtrack fallen kaum auf, denn zumindest beim ersten Anschauen ist man mit der Fixierung der eigenen Kinnlade beschäftigt, die sich aufgrund der gebotenen optischen Pracht regelmäßig ausklinkt, außerdem ist man auch damit beschäftigt der Handlung zu folgen. Eine nahezu perfekte Mischung aus Action und Story. Pflichtfilm!