Der italienische Regisseur Florestano Vancini („In den Adern heißes Blut“) nahm sich für seinen Gerichtsthriller „Gewalt – Die fünfte Macht im Staat“ aus dem Jahre 1972 der Thematik der der sizilianischen Mafia gegenüber zahnlosen und ohnmächtigen Justiz an. In einem Mammutprozess sitzen 16 Mafiosi wegen verschiedenster Verbrechen auf der Anklagebank. Doch der Einfluss der Mafia ist derart groß, dass letztlich nur ein im wahrsten Sinne des Wortes Bauernopfer dargebracht wird und die hohen Herren als freie Menschen den Gerichtssaal verlassen.
Vancinis intelligenter, ein heißes Eisen anpackender, desillusionierender und pessimistischer Film tut sich sichtlich schwer damit, dem spröden Charme einer Gerichtsposse etwas hinzuzufügen, was den Film auflockern und angenehmer zu konsumieren machen würde. Bis auf einige Rückblenden spielt sich der Großteil des Films im Gerichtssaal ab, wo sich solange Rhetorikduelle, Verleumdungen, Intrigen und Rechtsverdrehungen geliefert werden, bis sich Resignation breitmacht. Im Zusammenhang mit der Komplexität der Verstrickungen entsteht so ein enorm dialoglastiger Film, der gut die Methoden der Mafia nachzeichnet, immer wieder ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Das berüchtigte italienische Temperament indes bricht sich lediglich in Form manch hitzigen Plädoyers und Statements bahn. Hier steht eindeutig der Anspruch über dem Unterhaltungswert; der Anspruch, anhand der ausführlichen Beleuchtung des Prozesses eine kaputte, geknechtete Gesellschaft nachzuzeichnen, die sich fest im Griff über Leichen gehender mächtiger Interessengemeinschaften befindet und deren Rechtsstaatlichkeit bloße Fassade und damit letztlich blanker Hohn ist.
Ihren Teil zum Gelingen, zum Erlangen der Glaubhaftigkeit, tragen verdiente Schauspieler wie Enrico Maria Salerno („Das Syndikat“), Mario Adorf („Der Mafiaboss“), Gastone Moschin („Milano Kaliber 9“) und Riccardo Cucciolla („Sacco und Vanzetti“) bei, die Vancinis Film durch eine Traumbesetzung veredeln. Dennoch bleibt „Gewalt – Die fünfte Macht im Staat“ betont trocken und nüchtern, die gewohnten Einsprengsel italienischen Wahnsinns bleiben weitestgehend aus. Bei aller inhaltlichen Schärfe, Härte und Relevanz ist dieser Umstand jedoch genau das Charakteristikum, mit dem ich mich bei derartigen Gerichtsfilmen i.d.R. schwer tue. Nichtsdestotrotz ist „Gewalt – Die fünfte Macht im Staat“ einer von vielen italienischen Filmen, die es darauf anlegten, in mutiger Weise gesellschaftliche und politische Missstände anzuprangern und sich mit ihren kontrovers aufgefassten Aussagen wesentlich weiter aus dem Fenster lehnten als diejenigen, die ihr Publikum durch bloße Unterhaltung zu zerstreuen suchten. Wer sich für die Thematik interessiert und in die Handlung mit ihrer Vielzahl an Charakteren gut hineinfindet, erlebt einen sorgfältigen, intelligent konstruierten Film, der in typischer Anti-Hollywood-Manier konsequent bis zur letzten Sekunde bleibt.