1890 – Thomas Alva Edison erfindet den Kinematograph. Einige Zeit später entwickeln die Gebrüder Lumière ihren Cinématographe, der es ermöglicht, auch größeren Gruppen einen Film vorzuführen. Der Siegeszug des Mediums "Film" beginnt…
1927 – Mit „The Jazz Singer“ wird der erste Tonfilm der Filmgeschichte aufgeführt. Neben Gestik und Mimik steht den Schauspielern von nun an ein weiteres „Instrument“ zur Verfügung: die Sprache…
2004 – Etwas mehr als 110 Jahre nach dem Beginn eines neuen künstlerischen Zeitalters sieht sich die Filmwelt vor einen desaströsen Haufen unsäglichen filmischen Schaffens gestellt: Ulli Lommels „Daniel – Der Zauberer“ hält Einzug in die Kinos der Bundesrepublik Deutschland und lässt die Frage zu, ob es anno 1927 nicht klüger gewesen wäre, man hätte dem Aufstreben des Tonfilms Einhalt geboten und weiterhin auf den Stummfilm gesetzt…
Es ist in diesen 110 Jahren bereits oft vorgekommen, dass ein Film nicht gerade durch intelligente oder wenigstens amüsante Dialoge überzeugen konnte, auch die musikalische Untermalung eines Filmes war nicht immer Grammy-verdächtig und zuguterletzt gab es schon oft genug „Filme“, die dem Anspruch an optische Gefälligkeit nicht wirklich genügen konnten. Irgendwie konnte man solchen Filmen jedoch dann doch noch mit ein wenig Wohlwollen eine gewisse – zumindest ansatzweise unterhaltende – (Trash-)Qualität zusprechen. Aber was Ulli Lommel und sein Ensemble mit „Daniel – Der Zauberer“ abgeliefert haben, schlägt sogar dem Fass, das zuvor ganz wacker solchen TV-Perlen wie „Hai-Alarm auf Mallorca“ und Serien-Trash auf „GZSZ“- und „Lindenstraßen“-Niveau Stand hielt, den Boden aus.
Nein, hier spricht nicht der Küblböck-Hasser, der wohlmöglich irgendwo ganz tief in der dunklen Seele des Rezensenten stecken könnte, hier spricht einzig und allein der Filmfreund, der das, was er soeben gesehen hat, als unverzeihlichen Griff in die Schüssel erachtet… in der Tat war die ehrliche Bemühung, dieses Schaffenswerk Lommels möglichst objektiv zu betrachten, permanent vorhanden. Doch auch bei jeglicher Objektivität fehlt im Falle von „Daniel – Der Zauberer“ einfach alles, was mich von der Vergabe der Niederstwertung abhalten könnte:
Das Drehbuch, das Ulli Lommel scheinbar früh morgens während des rituellen „Good Morning“-Stuhlgangs ersonnen hat, besticht in erster Linie durch den offensichtlichen Glauben daran, dass das heutige Publikum jeden Mist frisst. Und so weit hergeholt ist dieser Gedanke in Zeiten, in denen allnachmittäglich rothaarige Richterinnen dem bügelnden und Hausaufgaben verweigernden Publikum per Holzhämmerchen die Strafprozessordnung beibringen, leider Gottes nicht. Daher kann man Herrn Lommel ja im Grunde genommen nur dafür beglückwünschen, dass er mit einfachsten Mitteln einen Film geschaffen hat, der den Zeitgeist nahezu einer gesamten Gesellschaft auf den Punkt genau getroffen hat. Oder??? Nein, so einfach wollen wir es uns, so einfach wollen wir es vor allen Dingen Herrn Lommel doch nicht machen!
Es beginnt alles mit einem Reporter, der von einem „Phänomen“ spricht… Es wird übergeblendet in eine Konzerthalle. Tausende kreischende Teenies warten auf die Ankunft ihres Idols, und schon erscheint ein zwittriges, langhaariges Wesen auf der Bühne und beginnt zu tänzeln und das Grauen nimmt seinen unaufhaltsamen Lauf…
Dass Daniel Küblböck nur bedingt den Ansprüchen des durchschnittlichen Musikgeschmacks Genüge leisten kann, davon konnte sich die Nation bereits in der Zeit vor „Daniel – Der Zauberer“ durch die Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ und die folgenden Musikvideo-Tiraden auf den einschlägigen Musiksendern überzeugen. Der Film beginnt also mit der Darstellung einer Tatsache, die man gut und gerne als „Allgemeingut“ bezeichnen kann. Weiterhin entwickelt sich „Daniel – Der Zauberer“ jedoch zu einem Konglomerat aus schlechtem Gesang und noch schlechterem Schauspiel, an dem nicht nur Küblböck eine Teilschuld zu tragen hat. Nun mag man es als raffinierten „Low Cost – High Profit“-Schachzug des Regisseurs ansehen, dass er statt auf richtige, talentierte Schauspieler zu setzen, den Grundkern des Casts aus Familienangehörigen seiner selbst und des Hauptdarstellers aufbaute, aber der Qualität dieses Streifens ist diese Besetzung keineswegs zuträglich. Im Gegenteil: Die Schauspieler agieren durch die Bank hinweg steif, unambitioniert, untalentiert. Das geht sogar so weit, dass man sich über die miserable Qualität des Schauspiels noch nicht einmal in allerbester Trash-Manier richtig amüsieren kann. Verärgerung steht da viel eher auf der Tagesordnung als unverhohlene Schadenfreude über das gebotene Schauspiel.
Aber auch wenn Lommel es gewagt hätte, Schauspieler zu casten, deren Begabung über das Niveau von Laiendarstellern in billigen TV-Seifenopern (deren Begabung ich hier keineswegs auf eine Stufe mit der „Daniel – Der Zauberer“-Besetzungsliste gleichsetzen möchte – in TV-Soaps findet man tausendmal ambitioniertere Darsteller als hier) hinausgeht, hätte das noch nicht sonderlich viel an der Güte des gesprochenen Wortes geändert. Die Dialoge, die dem Publikum hier zu Ohren kommen, bewegen sich ebenso wie das gesamte Drehbuch auf einem dermaßen unterirdischen Niveau, dass es selbst für den masochistisch veranlagten Trash-Freund schwierig sein dürfte, sich daran zu erfreuen.
Nun kommt sicherlich beim geneigten Leser dieser Kritik die Frage auf, wie es denn nun um das optische Erscheinungsbild des Filmes bestellt ist. Und da bleibt nichts anderes als zu sagen: „Nicht viel besser!“
Gerade was die visuelle Erscheinung von „Daniel – Der Zauberer“ angeht, kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass Lommel offensichtlich vorhatte, alles andere als ein Meisterwerk auf die Leinwände der Nation zu bringen. Mit verwackelter DV-Cam begleitet er Daniel Küblböck bei seinem abstrusen Abenteuer, selbst den miesepetrigsten Querulanten von seiner „positiven Energie“ zu überzeugen. In diese grobkörnige, handwerklich minimalistische Arbeit, die auch nie einen Deut daran erinnert, dass sich Lommel einst im Dunstkreis eines legendären Rainer Werner Fassbinder befand, schnippelte der Regisseur dann auch noch mit Vorliebe Szenen aus Küblböcks Dschungel-Aufenthalt, von denen man nicht immer sagen kann, was sie denn nun speziell zu bedeuten haben (sofern man sich nach den ersten fünf Minuten überhaupt noch die unsinnige Aufgabe stellt, hier irgendwo einen Sinn jenseits der Selbstbeweihräucherung eines Daniel Küblböcks zu entdecken).
Ja, es ist in der Tat so, wie viele – auch diejenigen, die nie auch nur einen Blick auf diesen Film geworfen haben – bereits urteilten: „Daniel – Der Zauberer“ ist als Endprodukt genau das, was man sonst allenfalls beim morgendlichen Stuhlgang geboten bekommt: übelster Dünnpfiff ohne jeglichen Nährwert, der überdies auch noch zum Himmel stinkt!
Und nichtsdestotrotz soll „Daniel – Der Zauberer“ noch lange in meinem Herzen und in meinen Gedanken Bestand haben. Als Mahnmal dafür, dass es nun „endlich“ einen Film gibt, der alles falsch gemacht hat, was falsch gemacht werden kann und ich daher von nun an jeden noch so schlechten Film mit der Qualität dieses Lommelschen Machwerks abgleichen muss, bevor ich allzu voreilig die Note 1/10 auspacke. „Daniel – Der Zauberer“ hat sich diese Beurteilung auf jeden Fall redlich verdient!